Die grundsätzliche Annahme, dass Säkularität und Sakralität zwei entgegengesetzte Systeme seien, die es gegeneinander abzugrenzen gelte, übersieht deren wesentliche Gemeinsamkeiten völlig. Luther war nicht der Erste in der Geschichte, der diesen Irrglauben durchschaut hatte, immerhin griff er selbst auf eine breite humanistische Vorarbeit zurück. Diese war in den 1350er Jahren von Petrarca angestoßen worden – verstärkt durch die Exilierung der Konstantinopler Gelehrten nach dem Untergang des Byzantinischen Reichs – und wurde ab 1456 durch Marsilio Ficino wieder aufgegriffen. Diese humanistische Prägung wurde dann bestimmend für Erasmus von Rotterdam und erwies sich schließlich anschlussfähig für die reformatorischen Bewegungen, in deren Zentrum Luther und Melanchthon standen. Die grundlegende Konstante all ihrer Denkansätze blieb die Einheit von Glauben und Wissen als bekenntnis- und erkenntnistheoretische Denknotwendigkeit.