Eine Essenz

Produktive Indifferenz heißt, ein Zeichengefüge wie einen Text so zu erarbeiten – und das ist nun für die Rezeption von Nietzsche eine Nagelprobe –, dass er in beliebiger Weise so, so oder anders verstanden werden kann. Wenn aber der daran Arbeitende vergisst, dass es sich ja hier um eine ostentative Form der Falschheit in Bezug auf die abwesende Wahrheit darstellt, dann kommt es zu solcher Vereinnahmung, dass Nietzsche [einerseits] für die Nazis, andererseits für die Linke und dritterseits für die Humanisten zum jeweiligen Kronzeugen dessen wird, was sie ablehnen beziehungsweise was ihnen durchsetzungswürdig und wichtig erscheint. Das heißt, die produktive Indifferenz ist nur eine Methode, [um] aus der Aporie herauszukommen, wenn man weiß, dass es sich dabei um eine Form der Legitimation durch das Bewusstsein der Falschheit handelt. Oder wie später Wissenschaftstheoretiker sagen, Wiener Schule, durch das Moment des gelungenen Scheiterns, dass also alle Wahrheitsansprüche einer wissenschaftlichen Hypothese sich nur dann erweisen, wenn sich die Hypothese widerlegen lässt.
Quelle

Gefährliche Unterscheidung zwischen theoretisch und praktisch: – Abschnitt in:

Vortrag / Rede

Tagung „Moderne und Historizität“

Vortrag / Rede · Termin: 11.02.2009, 20:00 Uhr · Veranstaltungsort: Weimar, Deutschland · Veranstalter: Klassik Stiftung Weimar

Hat diese Textstelle markiert:

Bitte melden Sie sich an, um Essenzen zu markieren oder zu bearbeiten.