In seinem Roman „Vor dem Sturm", der sich vor dem Hintergrund der Befreiungskriege abspielt, schildert Theodor Fontane die Räumlichkeiten des Prinzen Ferdinand, des jüngsten Bruders des Preußenkönigs Friedrich II., im alten Johanniter-Ordens-Palais am Wilhelmsplatz: „Das prinzliche Arbeitszimmer … war von größerer Behaglichkeit als sonst prinzliche Zimmer zu sein pflegen. Dicke türkische Teppiche, halbzugezogene Damastgardinen, Portieren und Lamberquins verliehen dem nicht großen Raume das, was er bei vier Fenstern und zwei Türen eigentlich nicht haben konnte, Ruhe und Geschlossenheit, und das Feuer im Kamin, indem es zugleich Licht und Wärme ausströmte, steigerte den wohligen und anheimelnden Eindruck." Was Fontane mit dem Begriff "anheimelnd" umschrieb, nahe bei biedermeierlicher Gemütlichkeit und Häuslichkeit, steht in starkem Kontrast zur Obsession jener Akteure, die vom Rokoko geprägt wurden: etwa Friedrich II. und seine Schwester Wilhelmine von Bayreuth.
Der kultivatorische Anspruch dieser Epoche unterwarf auch noch die kleinsten Leerflächen in Haus und Garten einem Gestaltungswillen, der sich aus der Beobachtung der Natur nährte: in ihr waren jedes Gräschen und jedes Buschwerk, jede Muschel und jeder Stein von bestimmter Form. Wohin man blickte - nichts bot sich dem Auge als Formen, Naturformen.
Das Schema, das ihnen allen zugrunde lag, abstrahierte man zur Rocaille, einem feingliedrigen, zarten aber bewegten Gefüge von Kraftlinien des Lebendigen, von Lebenslinien der Natur.
Sie sollte vor allem auch den Menschen, seinen Atem, seine Motorik, sein Verhalten (selbst als Krieger) überformen. Ob Friedrich Flötenkonzerte gab, philosophierte oder auf dem Schlachtfeld kommandierte: das ornamentale Muster der Rocaille beherrschte die Abläufe.
Dieser Formalismus schützte vor den grundlosen Verlockungen der Seelentiefe und des barocken Gefühlsüberschwanges. Ritualisierte Oberflächlichkeit war soziale Tugend, weil Erscheinung und Wesen vollständig ineinander aufgingen. Diese Kälte des Formalen, die vor seelischer Erschöpfung Verausgabung schützte, repräsentiert Friedrichs Manufaktur-Teppich aus der Zeit um 1765. Das Ornament aller Lebensäußerungen vor dem Bildgrund seiner metaphysischen Himmelsbläue betrachten zu können, muß ein großer Trost gewesen sein: ohne Sorge (Sanssoucis) um das Pathos des Menschlichen.
Abbildung:
S.164/65: Teppich Friedrichs II., Manufaktur Charles Vignes, ca. 1765, Stichting Huis Doorn.
Fußtapete aus der Manufaktur „Ch. Vignes Erben“, ca. 1765, aus dem Besitz Friedrichs des Großen, von Kaiser Wilhelm II. Nach Haus Doorn mitgenommen, um sich auch im holländischen Exil neben den großen Friedrich stellen zu können. Widerschein der Morgen- und Abendröte am blauenden Himmel des Welttages.