Eine Essenz

Musils Überlegungen münden in eine berühmte Episode mit dem Titel „Atemzüge eines Sommertages“, an der er bis in seine letzten Lebensstunden hinein gearbeitet hat. In diesem Nachlaß-Fragment liegen die Geschwister Ulrich und Agathe im Garten auf Liegestühlen aus Segeltuch, die sie parallel zueinander ausgerichtet haben, und schauen nach oben. Plötzlich sehen sie – obwohl es ein Sommernachmittag ist, dessen Ereignislosigkeit man genießt –, wie gegen den Hintergrund des ungetrübten Himmels, in dessen Leere hinein, weiße Blütenblätter von den nebenan stehenden Kirsch- und Apfelbäumen ganz langsam von einem Windhauch mitgenommen werden. Der Garten wird zum Tempel innerweltlicher Transzendenz, darin ein Zustand der Ewigkeit im Augenblick faßlich wird. Der wunderlich eintretende Andere Zustand ist vertraut aus der Erinnerung an die kindliche Selbstvergessenheit im Spiel, in der die Ebene der Zeitlichkeit zu Gunsten eines Standpunkts der Ewigkeit gewechselt wird.
Quelle

Pathos AZ - Opferolympiaden – Abschnitt in:

Lustmarsch durchs Theoriegelände

Lustmarsch durchs Theoriegelände

Buch · Erschienen: 10.10.2008 · Autor: Brock, Bazon

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