Eine Essenz

Die Empfehlung „Musealisiert Euch!“ gilt aber auch den Individuen, die das schon längst wissen, selbst wenn sie nur Kindheits- und Ferienphotos in Schuhkartons oder inzwischen elektronisch speichern, ohne jede Chance zu deren angemessener Nutzung. Angemessen wäre zum Beispiel, sein eigenes Leben genau so ernst zu nehmen wie das von Künstlern, Staatsmännern, Religionsstiftern oder das von herausragenden Mitgliedern von Familien, Vereinen, Verbänden, Unternehmen, Kulturgemeinschaften oder gar Nationen. Deswegen gehen wir ja ins Kino und Theater, um am Beispiel der dort verhandelten Biographien zu lernen, wie man einen eigenen Entwurf eines Lebensplans zustande bringt und ihn unter den höchst beschränkten Verhältnissen des Alltags produktiv werden läßt. Dabei geht es nicht mehr um das Pathos, auch in sozialem Status und übernommenen Rollen der zu werden, der man eigentlich ist oder sein könnte oder sein möchte; sondern es gilt zu erkennen, wie man immer nur der wird, der man nicht ist – also gerade unter Anerkennung unserer eingeschränkten Autonomie. Sich zu musealisieren heißt, so zu leben, daß es über dieses Leben etwas Interessantes zu erzählen gibt. Und zwar nicht nur im Rückblick, sondern auch im Vorausblick.
Quelle

Musealisiert Euch! – Abschnitt in:

Lustmarsch durchs Theoriegelände

Lustmarsch durchs Theoriegelände

Buch · Erschienen: 10.10.2008 · Autor: Brock, Bazon

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