Eine Essenz

Wenn wir im Alltag ständig Unterscheidungen treffen müssen, bei denen wir unsere Unterscheidungen zwischen schön und hässlich, gut und täuschend, hinterlistig, kriminell, wahr und unwahr treffen müssen, dann ist die Orientierung auf die Schönheit, Gutheit und Wahrheit eine Denknotwendigkeit. Es ist keine Orientierung auf eine irgendwo gegebene Autorität, die durch Reichspräsidenten, Akademiepräsidenten oder irgendwelche oberste Semantikpolizeipräsidenten repräsentiert wird, sondern die Notwendigkeit der Bildung eines Urteils, das auf Unterscheidung besteht. Wir sind also auf die Unterscheidung als Denknotwendigkeit verwiesen. Und anstatt immer neu zu definieren und jedes mal neu zu rechtfertigen was Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Gott, Wahrheit, Gutheit, Liebe ist, nennen wir es einfach Gott, Gutheit, Liebe, Freude! Das ist denkökonomisch sinnvoll, aber es bedeutet nicht, dass es eine verlässliche Autorität geben muss, die uns sagt, was denn wahr, gut und schön ist. Wir müssen unterscheiden. Jeder muss unterscheiden. Egal unter welchen Bedingungen. Er vollzieht das also und muss vor sich selbst aus der Denknotwendigkeit heraus eben bei der Unterscheidung schön und hässlich, gut und schlecht, wahr und unwahr, sich auf Schönheit, Gutheit und Wahrheit beziehen. Das ist das ganze Geheimnis.
Quelle

"Kein Urmeter der Schönheit" – Abschnitt in:

OTON

OTON

Magazin · Erschienen: 2011

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