Buch Ein optimistischer Blick auf den Pessimismus

Edition Kunst | Wissenschaft | Gesellschaft

Quer denken

Erschienen
01.01.2012

Autor
Brock, Bazon | Liessmann, Paul

Herausgeber
Universitäts.Club | Wissenschaftsverein Kärnten

Verlag
Wieser

Erscheinungsort
Klagenfurt, Deutschland

ISBN
978-3-99029-048-4

Umfang
48 S.

Einband
Broschiert

Seite 11 im Original

Anthropologie des apokalyptischen Denkens

Begründungen für eine optimistische Sicht auf die Zukunft

Vortrag gehalten am 15.10.2011 in der Reihe Kunst | Wissenschaft | Gesellschaft des Universitäts.Club, Wissenschaftsverein Kärnten

Ich hatte ursprünglich vor, Ihnen anhand von Brueghels „Blindensturz“ die etymologische Entsprechung von Leitung und Leiden vorzuführen. Im Blindensturz stellt sich die Führerschaft als Leidenswissenschaft vor, die die Erfahrung mit dem Problem, an dem sie leidet, demonstrativ beispielhaft – nicht vorbildlich – darstellt.

Konrad Lissmann ließ mich aber von derartigem action-teaching absehen, und so stehen wir hier, nackt und bloß, „adamistisch“ auf dem Podium.

Zum Thema selbst: Es ist das, was die europäische Orientierung auf ein zentrales Motiv überhaupt begründet: die Antwort auf diese Frage, die in modernen Zeiten mit kabarettistischer Verve, von Kästner etwa, mit dem Satz: „Wo bleibt das Positive?“ beschrieben worden ist. Es beginnt alles mit der Frage, die wir als christliche Theologie kennen. Der Höhepunkt der ersten Durcharbeitung war bei Tertullian 190 n. Chr. Hundert Jahre vorher fand jenes statt, was diese Auseinandersetzung begründete, nämlich, als Domitian, der zweite Sohn von Titus Flavius Vespasian, im Jahre 69 nach Christus die Nachfolge des Julisch-Claudischen Hauses in Rom antrat, nach einer bedeutenden Auseinandersetzung mit drei kompetenten und ebenso reichen und ebenso mächtigen Mitbewerbern Vitellius, Otho und Galba (das ist aber ein Thema für sich). Jenes war die römische Dimension, nun geht es um die europäische.

Domitian war ein veritabler Intellektueller und Architekt. Er hatte vor Vitruv Architekturgeschichte geschrieben wie kein anderer. Also, gleich nach Vitruv kommt Domitian. Er stellte sich eine einfache Frage mit Hinblick auf den Untergang des Julisch-Claudischen Hauses, das mit dem Tode Neros endete: Wie konnte es sein, dass das römische Imperium, also das allen lokalen, partiellen Interessen übergeordnete System der Weltordnung, das augustaeische Reich, durch eine Gruppe von Menschen, bestens ansprechbar als Sekte, in seinen Grundfesten bedroht werden konnte, welche behauptete, dass sie gerade das, was man ihr unterschob, nämlich Anspruch auf Geltung, Machtwillen, Durchsetzung, Übernahme von Führungsoptionen nicht erhob? Sie wolle keine Macht, sie wolle keine Festungsanlagen bauen, keine Stadtmauern - das heiligste Bauwerk bis in die Renaissance, also das große Dekorumswerk der Stadtmauer - keine militärischen Formationen (oder sonstige Machtformationen) bilden und entwickelte dann in dieser Behauptung den Begriff Macht der Ohnmacht.

Das war für den Kaiser ausreichend, um sich in seiner intellektuellen Grundkonstellation zu fragen: Was konnten sie damit gemeint haben, was sollte denn so eine blödsinnige Behauptung? Er konnte das Ganze nicht einfach so vom Tisch wischen, denn die Gruppe, auf welche bereits Nero seinerzeit reagiert hatte, hatte schon eine gewisse Reputation. Bestimmte Zeichen des Niedergangs des römischen Reiches waren seit den 40er Jahren unübersehbar. Man machte die frühen Christen dafür verantwortlich, die Prophetie der etruskischen Kulturgeschichte zu erfüllen. Die Etrusker waren die Lehrmeister der Römer. Sie hatten ein großes Programm. Sie wollten, nachdem sie mit den Flüchtlingen von Troja in Süditalien angekommen waren, eine neue Welt schaffen. Sie erzogen sich ein Volk, nämlich die Römer, nach einem bestimmten Verfahren - wie in augustaeischer Zeit im Auftrag von Augustus essayistisch und dichterisch rekonstruiert wurde-, um sie systematisch zu den Herren der Welt auszubilden. Sie stifteten ihnen die maniera tusca, das gesamte staatsreligiöse Grundwissen und stifteten ihnen die ersten Herrscherdynastien, die dieses langjährige Projekt, das auf tausend Jahre festgesetzt worden war, sichern sollten - bis dann der Übermut der etruskischen Herren sie schließlich zu Fall brachte.

Die Endzeit der Prognose fiel in die vierziger Jahre, also in die Herrschaftszeit von Claudius. Sie erfüllte sich tatsächlich in derart rabiater Weise, dass sich diese Tausendjährigkeit nach der Prophetie dadurch als beendet erweisen würde, dass niemand mehr die Sprache der Etrusker verstünde. Stattdessen würde eine Sprache entstehen, in der man gerade auf der Basis des Unverstehens, des Nicht-verstehen-Könnens, der Rätselhaftigkeit, also auf der Basis des enigmatischen Sprachcharakters sich verständigen müsse, ohne je etwas von der Welt zu verstehen. Denn das, was zu verstehen war, war historisch abgeschlossen, nie wieder einholbar, erledigt.

Domitian, als ein Intellektueller auf dem Kaiserthron, hatte ein Interesse an der Aufklärung dieses Falles, denn es stellte sich heraus, dass tatsächlich ab 52 niemand im ganzen Reich etruskisch verstand. Wir können es bis heute nicht lesen. Wir haben die rätselhaftesten Schriften dieser Welt, etwa das Linear-B und die Proto-Kolumbianischen Schriften, entziffert, bis auf das Etruskische, welches, entsprechend der Prophetie, nach wie vor ein Rätsel geblieben ist.

Domitian wollte um die Bedeutung der Prophetie wissen, die aussagt, dass unsere Beziehungen auf der enigmatischen Struktur der Kommunikation ohne Verstehen basieren. Was ist das also, was soll das heißen, dass wir unsere sozialen Strukturen miteinander aufbauen sollen, ohne uns verstehen zu können und dergleichen mehr? Die Antwort, so vermutete er, habe diese neue, bereits angekündigte Sekte gefunden: Die Christen. Er verlangte Aufklärung über das Geheimnis des Erfolges der Ohnmacht, des Verzichtes auf Heer, Militärwesen, Festungswesen, Bankenwesen etc. Die Christen haben geschwiegen. Er ließ den höchstrangigen ehemaligen Jünger von Christi aufspüren: Johannes, den Evangelisten. Im Sinne Domitians kann man nur sagen: „Bitte, lesen sie das Johannes Evangelium!“ Intellektuelle können damit am meisten anfangen. Aber das war Domitian nicht genug. (Es war damals im Übrigen noch nicht veröffentlicht.) Johannes schwieg. Daraufhin ließ ihn der Kaiser gefangen nehmen und auf die Insel Patmos verfrachten. Für die Freilassung machte er die Enthüllung des Geheimnisses der Prophetie zur Bedingung: Was genau ist die Macht der Ohnmacht?

Da entdeckte Johannes seine große Mission, die sich in der Apokalypse des Johannes bis heute tradiert hat, wenn auch in zwei falsch redigierten Fassungen. Der zweite Teil gehört gar nicht zum ersten, bei dem es sich um eine auf Patmos geschaffene Arbeit handelt. Der zweite Teil ist ein Sonderfall. Es geht darin um die Herabkunft des himmlischen Jerusalem, welches als Bauanleitung von 324 bis zum Sturm Roms 410 tatsächlich realisiert wurde. Der erste Teil der Prophezeiung ist der entscheidende für die Antwort auf Domitians Fragen: „Wie kommt es dazu, dass ihr aus der Erfahrung der Ohnmacht, aus dem Verzicht auf Macht, das Bewusstsein eurer Durchsetzungsfähigkeit, eurer geschichtlichen Sendung beziehen werdet?“ Johannes beginnt mit der Apokalypse, mit dem Vorschein des Endes, um ihm eine Lektion zu geben. Diese beginnt ungefähr so: Wenn ein Tischler einen Tisch machen will, muss er das Ende seiner Operationen vorweg nehmen. Denn ohne den Zustand des Endes, auf den sein Arbeiten als Tischler hinausläuft, macht es keinen Sinn überhaupt erst anzufangen. Apokalypse heißt also: Der Vorschein des Endes, das Vorwegnehmen des Endes. Dies leuchtete bei der Tischlertätigkeit noch ein, aber im Hinblick auf andere Beendigungen wie den Zustand eines Weltreiches, das Verschwinden einer Kultur oder der Androhung himmlischer Strafgerichte ließ sich das mit dem Beispiel des Schreinermeisters, der den Plan seiner Operation vorwegnehmen muss, um überhaupt anfangen zu können, nicht mehr ohne weiteres abdecken. Da kommt Johannes die Idee, zu sagen, dass es sich um ein Grundprinzip des menschlichen Weltverhältnisses handelt, um die besondere Fähigkeit, die menschliche Gehirne entwickelt haben: die Fähigkeit zur Vorwegnahme, zur Antizipation. Anticipare war sozusagen die Fähigkeit, etwas, das im Bereich des Möglichen liegt, in die Richtung seiner Wirkung auf das Reale zu beziehen. Die Antizipationskraft ist also die Fähigkeit, das jeweils Mögliche auf das jeweils Reale zu beziehen. Diese Antizipationskraft ist dem Menschen im Laufe der Evolution als die entscheidende Leistung bei der Erlangung seiner Vorrangstellung zur Hilfe gekommen. Da beginnt die anthropologische Überlegung, dass bei der Organisation von sozialer Kooperation – in der Frühzeit war die Jagd DAS unglaublich komplexe Verfahren der Organisation von Zusammenarbeit – die Antizipation die entscheidende Rolle spielt. Gestern hat mich noch eine Email erreicht, in der eine Wiener Dame erregt fragte: „Die Frauen waren wohl nicht beteiligt?“ Doch, doch, sie waren schon beteiligt. Hier geht es aber nicht um eine Auseinandersetzung über den Anteil der Frauen am Erfolg der menschlichen Evolution und ihrer Geschichte. Hier geht es um strukturelle Modelle, wobei es durchaus möglich wäre, dass auch Frauen sich in besonderer Weise an der Kraft der Antizipation, wie sie zum Beispiel Prophetinnen auszeichnet, beteiligt haben, z. B. durch die Lehrtätigkeit. Also: Wenn Menschen, bzw. Gruppen von Menschen durch reale Erfahrungen in ihrer Umwelt wie etwa Vulkanausbrüche, Feuer, reißende Flüsse, abbrechende Berghänge oder wilde Tiere bedroht werden und sich schützen müssen, gibt es nur einen einzigen Weg dazu: Sie müssen diese Gefahren vorwegnehmen und sich gedanklich auf sie einstellen, die Abläufe gedanklich antizipieren und sich noch im Bereich des bloß Möglichen befindend, die Koordination der Kooperation so durchspielen, dass jeder jeden Augenblick in der realen Situation, in der die Gefahren nicht nur möglich sind, sondern bereits akut werden, nicht in Panik verfällt, nicht ergriffen wird von einer Fluchtangst, sondern Stand hält im Sinne einer gemeinsamen Vorwegnahme des möglichen Ereignisses, welchem man eben darum gewachsen ist, weil man es vorweg genommen hat. Diese Schilderung der Fähigkeit zur Antizipation überträgt dann Johannes in Patmos auf ein generelles Verfahren der Orientierung der Menschen auf die Zukunft und zwar jenseits der bloßen Sachlagen - heute würde man sagen der evolutionären Zwangslagen oder der bloßen Reaktionen auf eingetretene Sachlagen - unter dem Vorbehalt oder unter dem ausdrücklichen Ziel, sich die eigene Handlungsautonomie aufrechtzuerhalten und sich nicht nur zu einem Reaktionsbündel auf Gefahren, die von außen kommen, reduzieren zu lassen, sondern Initiative ergreifen zu können, um sich grade gegen das so oder so aller Wahrscheinlichkeit nach Ausmalbare, Antizipierbare souverän behaupten zu können.

Das Verfahren hieß apokalyptisches Denken, als die Kraft, sich nicht einschüchtern zu lassen von Phantasmagorien, von den Traumatisierungen, von den jederzeit durch die Erzählungen der Alten wieder erweckten Erinnerungen an das noch gar nicht Erlebte, aber das jederzeit einem Zugemutete, um es bewältigen zu können, sich auf die Übung zur kollektiven Vorwegnahme des Möglichen einzuschwören. Daher die Gemeinschaftsbildung der frühen Christen, die noch nicht theologisch gesichert war, sondern ausschließlich aus dieser ursprünglichen Art, sich in einer feindlichen römischen Umwelt behaupten zu können, hervorgegangen war. Alle, die da beteiligt waren, die zur Gemeinde gehörten - obwohl das zur damaligen Zeit ein falscher Begriff war - alle, die zur Gruppe derer gehörten, die sich verständigten über das ΙΧΘΥΣ Zeichen [IChThYS, gr.: Fisch], das Fischzeichen, sollten das apokalyptische Denken zur Begründung ihrer Hoffnung auf Überstehen entwickeln. Das ist der Theologie dann grundlegend geworden, weil zum Beispiel nach Tertullian fast alle Kirchenväter sich mit dem Thema ausdrücklich beschäftigt haben. Die bekanntesten Formulierungen stammen von Augustin, rund um 400 herum, der dann die berühmte theologische Grundmaxime für das apokalyptische Denken entwickelte. Das hieß: „Initium ud esset homo creatus“. Das heißt, damit es das Prinzip des immer erneuten Anfangens – Initium –, des immerwährend neuen Initiierens einer Bewegung auf die Zukunft geben kann, muss der Mensch in die Welt treten - mit dieser Fähigkeit der Antizipation, denn in der Natur gibt es nur reaktive Verhältnisse, ohne Autonomie, ohne Freiheit. Aber um nicht unterzugehen in diesen Sachzwanglogiken der Evolution, muss es dieses Prinzip des immer erneuten Anfangens geben. Luther hat das popularisiert: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Das sind alles Konsequenzen der theologischen Früherörterung von Johannes auf Patmos. Also, das Eintrainieren des apokalyptischen Denkens.

Die heutige Ebene, - Sloterdijk vertritt zum Beispiel diese Auffassung - ist dort zu sehen, wo Menschen in Scharen in Horrorfilme gehen, sich grausamste Verstümmelungen per Video ins Haus holen, als eine Art von Gewöhnung an den Schrecken, der ihnen weitgehend schon aus einer gleichzeitigen, also beispielsweise aus derDritten Welt , berichtet wird, dem sie aber durchaus zutrauen, selbst für sie bestimmend zu werden. Walt Disney hat das unübertreffbar formuliert: „Die Mäuse sitzen im Kino, um sich auf der Leinwand das Gebaren der Katzen anzusehen (damals ging es um den Kater Carlo) und sich darauf zu einigen, wie man dem Terror dieses grausamen Despoten Carlo entgehen könne. Es ist bis auf den heutigen Tag kein besseres Verfahren entwickelt worden. Man hat es sogar systematisiert. Wenn Sie daran denken, wie Ihre österreichischen Großrennfahrer erzogen werden, die Tennischampions etc., dann sind das alles Experten der Antizipation. Das geht beim Tennis so weit, das man den Return eines Balles antizipieren muss, dessen Schlag noch gar nicht ausgeführt wurde. Ohne diese Fähigkeiten kann niemand in Spitzensportgruppierungen auftreten. – Wie lernt man das Antizipieren des Schlages, der noch gar nicht ausgeführt worden ist? Da muss man schon sporttheologische Hochleistung erbringen. Das gilt erst recht für Rennfahrer. Denn, wenn Rennfahrer lernen wollten ein Rennen zu fahren, wären sie bereits tot, bevor sie etwas gelernt haben. Sie müssen also gedanklich tausend Mal jeden Meter einer Rennstrecke durchfahren, sozusagen auf dem Trockenen trainieren. Es geht um das Antizipieren aller Eventualitäten, um im Ernstfall nicht überrascht zu werden von der dann eintretenden Kette von Ereignissen, sondern sich psychisch stabil zu stellen, weil man daran gewöhnt ist, mit diesen Ereignissen zu rechnen. Wenn Sie heute nach Südafrika fahren, wird Ihnen ein touristisches Programm angeboten: anthropologischer Grundkurs heißt das. Sie werden in Südafrika in Museen geführt, in denen ganze Pyramiden von Schädeln von Menschen aufgebaut sind, die alle Spuren von Raubkatzentatzen aufweisen - die meisten tatsächlich von vorne, einige auch von hinten - in der Gebissbreite eines Leoparden. Das waren alles Figuren, die sich nicht an das Grundprinzip des Antizipierens als einer sinnvollen Bewahrungsstrategie gewöhnen konnten, sondern unvorsichtiger Weise ihren Kopf ohne Antizipation der drohenden Gefahr aus der Höhle steckten und dabei zu Tode kamen. Das touristische Programm stellt ein sehr schönes Lehrprogramm für eine Verabredung miteinander auf derartige sinnvoll an diese Bewahrungsstrategie Eventualitäten. Wenn das heute in einer Art von Klammer zusammengefasst werden soll, so kann man die tägliche Orientierung auf mögliche Katastrophen als ein gesundes Zeichen der Kraft zur Bewältigung jeder Art von Krise oder den Konsequenzen aus der Krise, nämlich des Zusammenbruchs sehen. Es ist grade umgekehrt: Alle die mit Rettungsvisionen kommen, machen sich lächerlich, jeder weiß, wie unangemessen das ist. Nur diejenigen, die in aller Konsequenz das, was sich aus der jetzigen Situation mit gutem Grund antizipieren lässt, akzeptieren, das als eine Möglichkeit für sich akzeptieren und sich darauf einstellen, haben dann eine Chance, tatsächlich der eintretenden Katastrophe entgegen treten zu können, insofern als dass sie sich vor den panikartigen Reaktionen auf solche Ereignisse wappnen können. Diejenigen sind eben im Vorteil, die nicht getrieben werden von Angst und Furcht. Diese Zustände sind schlechte Berater, wenn es in der konkreten Situation darum geht, sein Leben zu retten. Es geht also um das Einüben des apokalyptischen Denkens als der Urkraft des europäischen Christentums. Dies ist die Wurzel für alles. Die Frage, wieso das Leiden leitend werden kann, ist durch Christus selbst beantwortet. Es geht im Kern um die Möglichkeit, sich auf die Fähigkeit zu besinnen, sich in konkreten Situationen seinem Pessimismus zu stellen, seiner permanenten Kritik nach dem Muster: Am Ende ist alles vergeblich, am Ende ist alles umsonst. Vanitas vanitatis omnia vanitas. Am Ende wird alles zu Staub. Am Ende sind wir alle Sternenstaub und nach weiteren 4,7 Millionen Jahren ist dieses Sonnensystem sowieso erloschen. Es geht darum, dass man sich dieser begründeten und unvermeidbaren Aussage in aller Radikalität stellt und dann tatsächlich optimistisch werden kann. Es gibt auch eine naive Form des Optimismus, nach dem Muster der Kölner Bevölkerung, die ebenfalls zu den Abkömmlingen Roms zählt. Die Kölner halten sich ja noch für Leute aus der Neronischen Zeit. Sie haben die julianische, tertullianische, augustinische Wende gar nicht mitgemacht, sie sagen: “Des hätt’ no einmal jot jejangen, des werd no weiter jot jen!“ – Und dann, Schwupps, haben sie über Nacht ihr kollektives Gedächtnis durch den Untergang des Stadtarchivs verloren. Aber auch das stört sie nicht. Sie sagen: „Das ist erfreulich, in dem Stadtarchiv werden ja sowieso nur sehr unangenehme Erinnerungen an unsere Stadtgeschichte bewahrt. Jetzt sind wir die endlich los. Das war ein erfreuliches Ereignis. Der Weltuntergang ist nur zu begrüßen.“ Das ist die naive Form. Das kann man natürlich nur so handhaben, wenn man über einen entsprechenden so genannten rheinischen Humor verfügt. Alle anderen, die nicht mit dieser Herkunft gesegnet sind, bleiben bei der Möglichkeit, zu sagen: „Wir brauchen eine Begründung für unseren Optimismus.“

Die einzige Begründung für einen nicht naiven Optimismus ist der radikale Pessimismus, also die Kraft der Antizipation des Schlimmsten, um sich darauf einzustellen, um sich zu befreien von den bloß natürlichen Reflexen auf solche Ereignisse, ohne auf die eigenen angestammten Positionen und deren Sinnbezüge zu verzichten. (In der religio, z. B., geht es um das immer erneute Lesen der entscheidenden Stellen, auf die wir uns beziehen.) Die eigenen Positionen und Sinnbezüge muss man ja gerade behalten können, wenn es darauf ankommt. Insofern ist uns heute bei der wirklich täglichen Einübung ins apokalyptische Denken eigentlich doch ganz wohl - mit Ausnahme eben der wohl permanenten Aussagen der Kanzlerin Merkel, sie werde den Euro retten, sie werde Europa retten. Da wird man hellhörig. Das klingt schon nach Köln. Das ist schon ein bisschen seltsam. Wir erinnern uns, dass um 1900 der Operettenkaiser Wilhelm II. Europa vor der gelben Gefahr retten wollte. Das war Programm. Es hieß: „Ich rette Euch, Europa, vor der gelben Gefahr.“ Er hielt dann seine berühmte Hunnenrede bei der Verabschiedung der deutschen Truppen – the Germans to the Front, daher kommt das – nach China, und Sie wissen alle, wie recht er behalten hat. Der Nächste, der unaussprechliche A.H., der wollte die Welt, oder mindestens Europa, vor dem verjudeten Bolschewismus retten. Er hatte ja auch Recht. Heute spricht kein Mensch mehr vom Sozialismus oder vom Kommunismus. Sie sind verschwunden. Also: Große Prophetie. Folglich denkt die Kanzlerin, wenn die beiden Herren etwas so Gewaltiges, sich Bewahrheitendes in die Welt gesetzt haben, als Retter Europas, dann kann ich auch als Retterin auftreten – und deklariert sich jetzt als eine solche. Doch da gibt es nichts zu retten. Wer retten will, ist immer schon derjenige, der verloren hat – denn es würde heißen, etwas, was objektiv schon aufgegeben, zerstört ist, künstlich noch am Leben zu erhalten.

Das ist eine Vorstellung aus den alten Zeiten der Allmachtsphantasien von Machthabern. Wir sind aber inzwischen doch so weit demokratisch legitimiert, dass wir durch das apokalyptische Denken in seiner ganzen Positivität, also in der Begründung des Optimismus durch den Pessimismus weitergekommen sind – nämlich im Eingeständnis, dass es keine Figuren gibt, die wissen, wie man rettet und was es zu tun gibt, um jenes zu verhindern, was antizipierbar ist, also: im allgemeinen Sinne, jene, welche die Probleme schon lösen werden. Das sind intellektuell unterbesetzte Positionen. Jeder, der forscht, weiß, dass er grade dann erfolgreich ist, wenn dass Problem, das er erforscht, immer im höheren Maße Unerforschbares, also Rätselhaftes, also zu Erforschendes mit sich bringt, so dass der Forschungsvorgangs prinzipiell nie an ein Ende kommen kann. Forschen bedeutet gerade, die Bedeutsamkeit des zu erforschenden Phänomens als eines unlösbaren Problems darzustellen, denn wenn es das nicht wäre, müsste man es nur lösen. Worüber redet man dann? Wieso verschwendet man Millionen in Investitionen, in Programme, die auf Lösungen hinaus laufen? Probleme sind deswegen bedeutend, weil sie nicht lösbar sind. Das steht Ihnen doch klar vor Augen! Was sollten wir mit Problemen anfangen, die lösbar sind? Dann löst sie doch, bitte! Das ist in der Forschung schon rechtzeitig erkannt worden. Dies ist eigentlich der Antrieb für die Begründung der wissenschaftstheoretischen Arbeiten. Der Erfolg der Arbeit bedeutet, dass das Maß dessen, was man erkannt hat nur gemessen werden kann am Ausmaß dessen, was durch die Erkenntnis aus dieser Arbeit sich als unerkannt, als neues Problem stellt. Probleme können auf Erden nur gelöst werden durch das Schaffen neuer Probleme. Das ist ganz klar. Es gibt eine pragmatische Sanktion, die besagt, wenn die Nachfolgeprobleme kleiner sind als das auslaufende Problem, kann man in pragmatischer Absicht die Nachfolge als Problemlösung akzeptieren. Theoretisch sind sie es nicht, logischer Weise auch nicht, aber sie werden akzeptierbar.

Da inzwischen aber alle behaupten, die Welt wäre so komplex, dass die Folgen von Handlungen, sollten sie auch kleiner sein als das Ausgangsproblem, miteinander so interagieren, dass sie nicht abschätzbar sind, fällt die pragmatische Sanktion weg. Man weiß gar nicht mehr, welche Folgen welche Entscheidungen haben, ob sie kleiner oder größer sind. Meistens stellt sich erst viel später heraus, dass sie größer sind. Inzwischen ist per Gesetz von 1991 das Ruhmesblatt der Bundesrepublikanischen Gesetzgebungsverfahren nach 1957, dem großen Jahr der Sozialgesetzgebungsmodifikationen, dass jedem Bürger zugemutet wird zu wissen, dass, wenn er Medikamente einnimmt in der Absicht, ein Leiden zu mindern oder gar los zu werden, weil die Natur gnädiger Weise Heilungshilfen durch die kuratorische Absicht der Ärzte bietet, auch Risiken und Nebenwirkungen zu erwarten hat, die häufig größer sind als das Ausgangsproblem. Wenn dies per Gesetz seit 1991 jedem Menschen zugemutet wird: „Für Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Apotheker.“, kann man nicht mehr naiver Weise annehmen, dass irgendeiner ein Rezept hat, in Form irgendeiner Strategie, mit der man Probleme löst. Mit noch so viel Macht und Zusammenschlüssen von Machtgruppen ist so etwas logischer Weise gar nicht möglich.

Das liegt im Eingeständnis, dass für zumindest nicht mehr allmachtswahnsinnige Herrscher der Welt, Master of the Universe, wie es sie bis vor drei Jahren gab, wenn die Basis unserer Gesellung notwendiger Weise die Gleichheit aller sein muss, dann sind wir nicht nur auf unsere genetische Ausstattung gleich, nicht in Hinsicht auf unser Vermögen, unsere Herkunft, unsere Erziehung, Schulausbildung, etc., sondern wir sind nur in einer Hinsicht gleich sind, nämlich im Hinblick auf jenes, was wir nicht wissen, nicht haben und nicht können. Das ist die Legitimation für jede Demokratie. Das heißt, die alte sokratische Tugend, zu wissen, dass man nichts weiß. Dies stellt ein ungeheures Wissen, eine enorme intellektuelle Befähigung dar. Wenn eben meint, dass in jedem Fortschritt des Wissens eben das fort schreitet, was wir nicht wissen, also das begründet, was mit Forschung gemeint ist. Wir kommen aufeinander zu, weil wir alleine mit der Kraft unserer Antizipation, also mit physischen Bedrohungen, psychischen Instabilitäten nicht fertig werden können. Wir müssen uns an andere wenden und andere fragen, wie werdet ihr mit der Situation fertig, in der es grade nicht Aussichten auf solche wahnhaften allmachtsphantastischen Lösungen gibt. Das ist der Grund, warum wir uns gesellen, denn wir haben inzwischen in allen Weltstädten nicht mehr unsere kulturelle Identität gemeinsam, wir haben nicht mehr unsere Sprache gemeinsam, wir haben nicht mehr unsere religiösen, oder kochrezeptlichen oder verrückten Überzeugungen gemeinsam. Wir haben nur noch eins gemeinsam, nämlich unsere prinzipiell unlösbaren Probleme, die jenseits aller Kulturgrenzen, Sprachgrenzen, jedermann zugemutet werden. Die gegenwärtigen ökologischen Probleme sind dafür ein Paradebeispiel. Derjenige, der das einmal akzeptiert/begriffen hat, wird sich verabschieden von den Positivitäten des Wettkampfs um die besten Lösungen und wird sich bei jedem Wissenschaftler oder jedem Intellektuellen oder jedem Bürger dafür bedanken, wenn dieser ihm zeigt, wie man psychisch stabil bleiben kann, nicht in die Klapsmühle, nicht mit der Pistole auf den Markt geht oder sich selbst tötet, im Angesicht der Tatsachen, dass man mit unlösbaren Problemen konfrontiert ist, ohne jede irgendwie geartete Chance, diese Probleme los werden zu können. Das ist die neue Art der Begründung von Gesellung, von Vergesellschaftungskraft, die jenseits der uns schon genommenen Homogenität von Kulturen, Sprachen, der Religionen in einem Lebensraum auch alleine noch aus praktischen Gründen eine Verständigung ermöglichen. Also, der Appell heißt, ganz im Sinne der alten christlichen Tradition, der Begründung des wirklich größten Wissenschaftssystems, nämlich der Theologie, neben der Rechtsphilosophie, oder sagen wir mal der Rechtssphäre insgesamt und der Medizin – das waren die drei Grunddisziplinen (die Philosophie spielte keine Rolle, außer dass die Theologen von den Philosophen gelernt haben, wie man es macht): Einübung in diese durchgängige europäische Tradition, die uns jetzt gegenwärtig wahrscheinlich am meisten dabei helfen wird, die Situation zu bewältigen, oder, in unseren Terms gesprochen zu lernen, wie man mit den unbewältigbaren Problemen umzugehen hat, angesichts der Tatsache, dass sie unlösbar sind. Wie macht man das? Das ist eigentlich das, was wir in solchen Gemeinschaften erörtern müssen. Wie schließt man sich anderen an? In welcher Art von Gruppierung geschieht das? Dabei kommt einem ebenfalls ein auf der Welt einmaliges europäisches Leistungsprofil zu Gute, nämlich der alte Akademie Gedanke. Jetzt will ich nur noch ganz kurz sagen: Was wir hier so treiben ist genau das, was man im 16. /17. Jahrhundert zu verstehen begann, als sich die ersten Wissenschafts- und sonstigen Akademien ausbildeten. Es war eine Zeit, in der es kaum Menschen gab, die lesen und schreiben konnten. Die meisten waren also Analphabeten. Es musste aber denjenigen, die schreibend ihre Antizipationskraft auf die Realisierung ihres Naturverständnisses oder ihres theologischen Heilsverständnisses ausrichteten, eine Bestätigung dafür geben, dass es sinnvoll ist, sich Gedanken zu machen, sinnvoll ist, zu schreiben. Also musste man diejenigen, die selber schrieben, als Mitglieder der Akademie, engagieren, damit sie sich wechselseitig bestätigten, indem sie die Tatsache, dass sie in einer analphabetischen Gesellschaft schrieben sinnvoll machten, indem sie die Arbeiten der jeweils anderen lasen. „Ich mache die Tatsache, dass du schreibst sinnvoll, indem ich dein Leser bin“. Das heißt, die Akademien lebten davon, dass sie verpflichteten, dass jeder der schrieb, um den Faktor 10 Mal so viel las wie er schreiben durfte. Damals war das nicht anhand von Fußnoten ablesbar, weil es keinen Sinn machte, Fußnoten zu geben, da die Bücher nicht zur Verfügung standen. Es gab andere Verweisungsstrukturen. Der Kern ist: wer in einer Gesellschaft von Analphabeten schreibt, kann das Sinnhafte seines eigenen Tuns nur dadurch begründen, dass er liest. Die Akademien waren Gesellschaften von Menschen, die sich gegenseitig die Sinnhaftigkeit ihres Tuns als Wissenschaftler, als Schreiber gewährleisteten, indem sie, wenn sie schreiben wollten, wenn sie philosophieren wollten, sich selbst rekrutierten als diejenigen, die durch ihre Fähigkeit zu lesen das Schreiben als sinnvoll erwiesen. Wir leben heute wieder in einer Zeit des völligen Analphabetismus. Es wird sogar von Nature and Science, den führenden naturwissenschaftlichen Publikationsorganen in jeder Nummer beklagt, dass die Artikel dort, die kurz genug sind - denn kaum einer kommt auf mehr als 12 Seiten, so dass man sie also ruckzuck lesen kann - dass selbst diese Artikel kaum noch gelesen werden. Sie werden nur noch patentrechtlich oder im Wettbewerb um Vorrang und Dominanz ausgebeutet, aber nicht mehr gelesen. Also, selbst diese Zeitschriften bestätigen uns, dass wir uns bereits im Zustand eines solchen apokalyptischen Endzeitgebarens befinden. Stellen Sie sich vor: Kein Mensch liest das, was seit - sagen wir `mal - wenigstens tausend Jahren publiziert wurde. Das ist die Apokalypse für jeden, der je schreiben, publizieren oder lehren wollte. In dieser Situation tritt die Initiative, wie Sie sie hier mit Ihrer wissenschaftlichen Gesellung vorhaben in eine entscheidende Phase. Nämlich, dass wir uns, egal ob wir an Professuren hängen oder in anderen Berufen tätig sind, wechselseitig die Sinnhaftigkeit unseres eigenen Tuns bestätigen, indem wir durch den Beitritt zu solch einer Gesellung die Bereitschaft erklären, das, was der andere tut, sinnvoll werden zu lassen, durch die Art, mit der wir seine Arbeit rezepieren. So kann man also den großen Bogen im Hinblick auf die von Kästner formulierte Frage: „Wo bleibt das Positive?“ schließen.
Es gibt eine soziologische Gesetzmäßigkeit, die besagt: Alles was schief laufen kann, läuft schief. Gesetzmäßigkeiten solcher Art gibt es viele, in den Naturwissenschaften natürlich auch. Unter dieser Voraussetzung sagt man: „Wir sind zu radikalsten Kritik verpflichtet, um allmachtswahnsinnige Patentlösungen zu verhindern, die die Situation nur noch erschweren würden. Aber daraus, dass wir in der Lage sind, den Wahnsinn zu kritisieren, die angemaßten Machtstrategien zu kritisieren, die Behauptungen zu durchschauen, die aus welchen Gründen auch immer gemacht werden, sei es aus Populismus, sei es aus der Absicht, sich beim Volke beliebt zu machen, sei es als Politiker oder wie auch immer, dass wir diese Ambitionen durch radikale Kritik, durch radikalen Skeptizismus wie es die Wissenschaftstheoretiker seit ungefähr achtzig Jahren belegt haben, wieder aufgreifen und grade dadurch unseren Optimismus begründet sehen. Wenn man das einmal kapiert hat, weiß man, wie außerordentlich wirksam, aufbauend, stabilisierend, die apokalyptische Denkweise für einen selber sein kann. Man kann sogar Otto Muehl entgegen treten - das habe ich in Wien vor fünfzig Jahren getan - der besagte: „Erschrecke deine Großmutter nicht mit deines Leibes Blöße, sie kennt dergleichen.“ Eine volkstümliche Formulierung des apokalyptischen Denkens, die damals noch nicht so bekannt war. Man hielt nackte Tatsachen noch für interessant. Aber es war auch schon erkennbar, dass das keine Erweiterung des Kunstbegriffs, oder keine Erweiterung der Strategien darstellen konnte, wie es die Aktionisten glaubten. Nun, in ganz ruhigem Tone wollte ich Ihnen etwas nahe legen, was man auch mit Emphase sagen kann, propagandistisch, pädagogisch, oder – wie ich es liebe – polemesophisch darstellen. Wenn es in Griechenland hieß, der Polemos ist der Initiator, der Vater aller Dinge, dann ist das nicht der Krieg, wie dies immer übersetzt wird, sondern tatsächlich die Kritik, d. h. die Fähigkeit in radikalster Weise einen Geltungsanspruch zu bestreiten und zwar im Hinblick auf grundsätzliche Möglichkeiten der Begründung von Wahrheitsansprüchen und dadurch getrost zu werden, dass man nicht das arme Opfer irgendwelcher Über-Mächte, Schicksale, etc. wird.

Zum Abschluss möchte ich Sie daran erinnern, wie überlegen diese Art des Denkens, sagen wir von Johannes auf Patmos an, von Johannes Apokalypse – dem ersten Teil - bis heute dann ist! Dies erinnert daran, wie viel intelligenter es in allen Kulturen gewesen ist, die Götter, oder sagen wir mal das Schicksal für das einem Zugemutete verantwortlich zu machen, wie unglaublich blöd und flach es ist, von der Autorität des Marktes zu sprechen. „Die Märkte wollen nicht, die Märkte tun, der Wille der Märkte!“ So heißt es heute jeden Tag. Wie viel intelligenter war es zu sagen: “Der Wille Gottes!“ Da hatte man wenigstens etwas in der Hand gehabt. Das war etwas, was man sich zuschreiben konnte. Man konnte sagen: „Meine Sündhaftigkeit, meine Verdorbenheit“. Bei den Märkten dagegen kann man nicht sagen: „Meine Verdorbenheit ist dafür verantwortlich, dass die Märkte mich strafen.“ Wenn Sie das einmal richtig durchdenken, dann werden Sie plötzlich finden, dass die Themen, mit denen die Philosophen, die Theologen, die Literaten zu tun haben, in ihrer vermeintlichen historischen Abgestandenheit die ungeheure Aktualität bieten, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Darauf kommt es schließlich an: eine souveräne, selbst bestimmte, autonome Handlung zu begründen. Dankeschön!

siehe auch: