Buch Die Welt zu Deinen Füßen

Den Boden im Blick: Naturwerk - Kunstwerk - Vorwerk

Die Welt zu Deinen Füßen, Bild: Titelseite. + 6 Bilder
Die Welt zu Deinen Füßen, Bild: Titelseite.

Den Boden im Blick
Warum küßt der Papst den Boden?
Warum werden rote Teppiche ausgerollt und Blumen gestreut? Wurden Sie auch schon mal ermahnt, hübsch auf dem Teppich zu bleiben oder hat man Ihnen bereits die Welt zu Füßen gelegt.

Offensichtlich hatte der Boden, auf dem wir stehen, immer schon eine elementare kulturelle Bedeutung. In Antike und Mittelalter bildete man kosmische Ordnungsvorstellungen, Weltmodelle und die Ornamente der Schöpfung auf dem Boden ab. Die Aufmerksamkeit für den Boden schwand gerade dadurch, daß man ihn in den modernen Zivilisationen von Unrat und Unebenheiten befreite, ihn betonierte und aphaltierte. Die zivilisatorische Uniformierung unserer Böden hat inzwischen eine Gegenbewegung hervorgerufen.
In Architektur und Design richtet sich heute der Blick wieder auf den Boden.

Zu den Trendsettern in diesem Bereich gehört der Teppichbodenhersteller Vorwerk, der mit Künstlern wie Robert Wilson, Rosemarie Trockel und Jeff Koons völlig neue Wege in der Bodengestaltung beschreitet.

Der bekannte Alltagsästhetiker Bazon Brock nimmt in zwölf Kapiteln je einen Entwurf aus Vorwerks Flower Edition zum Anlaß, um an Beispielen aus der Kunstgeschichte, der Architektur und Kultivierung der Natur die Welt zu unseren Füßen zu thematisieren.

Erschienen
01.01.1999

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Vorwerk-Teppichwerke in Hameln

Verlag
DuMont

Erscheinungsort
Köln, Deutschland

ISBN
3-7701-4483-X

Umfang
239 S. : überw. Ill. ; 29 cm

Einband
Pp.

Seite 220 im Original

[Luftschiffe]

„Himmel! Du müßtest jetzt aufstampfen vor Lust darüber, wie das Luftschiff dahinsauset und zehn Winde hinterdrein und wie die Wolken an beiden Seiten als Marsch-Säulen und Nebel-Türme langsam wandeln und wie drunten hundert Berge, in eine Riesenschlange zusammengewachsen, mit dem Gifte ihrer Lavaströme und Lawinen zornig zwischen den Ameisen-Kongressen der Menschen liegen - und wie man oben in der stillen heiligen Region nichts merkt, was drunten quäkt und schwillt. ... Dabei hält mich mein Leder-Würfel, der auf allen 6 Seiten Fenster hat, auch auf dem Fußboden, hier im obern Dezember (der Juni drunten liegt über 3000 Fuß tief) ganz warm, wie eine zerbrochene Bouteille einen Gurkenstengel. ... Der gleichzeitige Marsch und Kontremarsch der Wolken hat es dir längst gesagt, daß fast immer entgegengesetzte Winde in verschiedenen Höhen streichen. Zwischen zwei feindseligen Stömen hält nun nach den hydrostatischen Gesetzen durchaus eine neutrale ruhige Luftschicht still. Und in dieser schlaf' ich gemeiniglich. ... Da ich vorgestern über ein Dutzend Marktflecken und ein halbes kleiner Städte wegging und durch meinen gläsernen Fußboden ... herunterguckte in die Gärten und Gassen und an die Fenster mitten unter die Visiten-Komödien mit Chören hinein: so sagt ich: ihr armen Sünder allzumal, wollte Gott, ich wäre ein Platzregen! ... Ich sah in 22 Gärten von mehreren Zwergstädten auf einmal das Knicksen, Zappeln, Hunds-, Pfauen-, Fuchsschwänzen, Lorgnieren, Raillieren und Raffinieren von unzähligen Zwergstädtern, alle ... mit den Ansprüchen, Kleidern, Servicen, Möbeln der Großstädter. ... Der halbe Mond stand mitten auf der Himmelsmoschee wie ein türkischer. Das Paar sah sich nicht um, sondern nur nach dem Mond, der wie ein Juwelenschmuck über dessen Haaren stand. ... Vor allen Dingen sucht' ich mehrere Bannstrahlen aus meinem Souffleurloch auf das mäuschenstille Paar hinunterzuschleudern, eh' es davonlief ... Ich glitt warm angeweht auf einem unabsehlichen silbernen, aus den zu zartem Schaum geschlagenen Sternen zusammenwallenden Meere weiter - ein Meer, weich und weiß wie Schneenebel, wie Lichtduft ... Ich schiffte in dem über die Nachterde hingedeckten Wolkenhimmel, in dessen Flut der aufgegangne Mond wie ein Schwan mit seinem Glanzgefieder alle Wogen durchstrahlend stand, eh' er herausflog ins Blaue.” ( Paul, Jean; aus: Des Luftschiffers Gianozzo Seebuch (= „Komischer Anhang“ zum „Titan“), 1801)

Abbildung:
S.221: Fotografien aus einem Fesselballon, Paul Nadar, 1868.
Man stieg in die Höhe, um auf Erden das große Sterngefüge um den Arc de Triomphe (l'Etoile) zu sehen. Im Zentrum strahlt die Glorie der Grand Armée. Stadtplaner Haussmann erweiterte die Strahlen zu Sonnenbahnen, deren Aura noch heute auf den Champs Elysées zu spüren ist.