Buch Die Welt zu Deinen Füßen

Den Boden im Blick: Naturwerk - Kunstwerk - Vorwerk

Die Welt zu Deinen Füßen, Bild: Titelseite. + 6 Bilder
Die Welt zu Deinen Füßen, Bild: Titelseite.

Den Boden im Blick
Warum küßt der Papst den Boden?
Warum werden rote Teppiche ausgerollt und Blumen gestreut? Wurden Sie auch schon mal ermahnt, hübsch auf dem Teppich zu bleiben oder hat man Ihnen bereits die Welt zu Füßen gelegt.

Offensichtlich hatte der Boden, auf dem wir stehen, immer schon eine elementare kulturelle Bedeutung. In Antike und Mittelalter bildete man kosmische Ordnungsvorstellungen, Weltmodelle und die Ornamente der Schöpfung auf dem Boden ab. Die Aufmerksamkeit für den Boden schwand gerade dadurch, daß man ihn in den modernen Zivilisationen von Unrat und Unebenheiten befreite, ihn betonierte und aphaltierte. Die zivilisatorische Uniformierung unserer Böden hat inzwischen eine Gegenbewegung hervorgerufen.
In Architektur und Design richtet sich heute der Blick wieder auf den Boden.

Zu den Trendsettern in diesem Bereich gehört der Teppichbodenhersteller Vorwerk, der mit Künstlern wie Robert Wilson, Rosemarie Trockel und Jeff Koons völlig neue Wege in der Bodengestaltung beschreitet.

Der bekannte Alltagsästhetiker Bazon Brock nimmt in zwölf Kapiteln je einen Entwurf aus Vorwerks Flower Edition zum Anlaß, um an Beispielen aus der Kunstgeschichte, der Architektur und Kultivierung der Natur die Welt zu unseren Füßen zu thematisieren.

Erschienen
01.01.1999

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Vorwerk-Teppichwerke in Hameln

Verlag
DuMont

Erscheinungsort
Köln, Deutschland

ISBN
3-7701-4483-X

Umfang
239 S. : überw. Ill. ; 29 cm

Einband
Pp.

Seite 214 im Original

Sanctuarium

„in diesem raum ist die natur frei von menschlichen eingriffen, ein schutzraum für eine freie entwicklung mitten in einem gepflegten park (verdrängter natur). es ist nichts eingesät, nichts angepflanzt. die erde in diesem raum kommt von einer stelle, wo pionierpflanzen die kahle erde mit leben besetzt hatten, und ist deshalb selber erfüllt von leben. jetzt im frühling 1997 ist der raum leer. eine vielversprechende leere. was wird die natur hier tun? etwas wird sie mich tun. die primäre wirklichkeit, natur, ist eine offenbarung. sie hat uns als manifestation alles lebenswichtige zu sagen. der rest - kultur - ist ihr beiwerk. die entscheidung, die ich hier gemacht habe, natur sich frei manifestieren zu lassen und meine formgebung nur auf schutz und präsentation zu beschränken, zeigt meine haltung dieser offenbarung gegenüber. was bin ich? woran bin ich beteiligt? was ist mein leben? in welchem zusammenhang steht mein leben? Diese grundfragen der philosophie, ihre antworten sind alle in dieser primären wirklichkeit, die sich uns offenbart, enthalten. … die kahle erde des sanctuariums langsam bewachsen. … der sanskrit text, der über allen vier augen des sanctuariums angebracht ist, kommt aus Tsá-upanishad und ist ungefähr 2700 jahre alt. die upanishaden gehören seit jahrzehnten zu der mich wesentlich inspirierenden literaur. das zitat drückt am deutlichsten aaus, was ich vermitteln will: „om. dies ist vollkommen. das ist vollkommen. vollkommen kommt von vollkommen. nimm vollkommen von vollkommen, es bleibt vollkommen."... man kann bei der betrachtung des inneren des sancturariums durch jedes auge über einen anderen text meditieren. er ist auch außerhalb des sanctuariums anwendbar auf jede situation unserer primären wirklichkeit, natur. - physik und metaphysik sind eins -“ (de Vries, Herman, aus: Sanctuarium. Beitrag im Katalogbuch Skulptur. Projekte in Münster 1997.)

Abbildung:
S.214: Sanctuarium, Herman de Vries, 1997, Münster.
Ein sanctuarium ist ein respektierter und geschützter raum. das englische sanctuary bedeutet heiligtum und auch naturreservat. sanctuarium kommt vom lateinischen sanctus: geheiligt, heilig, ehrwürdig, unverletzlich, unantastbar, erhaben; sancire: heiligen, als heilig und unverbrüchlich festsetzen, durch gesetz besiegeln. auch dies neue sanctuarium soll ein respektierter und geschützter raum sein.