Buch Bildersturm und stramme Haltung

Texte 1968 bis 1996

Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite
Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite

Bazon Brock steht mit seinem Denken und Schreiben für die Erhaltung des Momentums der Moderne in postmoderner Zeit ein, in unübersichtlichen Lagen, in dekonstruierten Räumen. Moderne ist dabei in des Wortes striktester Bedeutung zu fassen, als radikale Entfernung tradierter Wurzeltriebe ohne funktionalen Wert. Dazu gehört in erster Linie die Verabschiedung von der Würdeformel Kunst als unangreifbarer Kategorie des theologisch Transzendenten, mindestens des bewundert Erhabenen; das umfaßt aber auch die Einbindung eines jeden ästhetischen Gegenstands in das Schreiben , und sein er noch so banal und alltäglich. Schon die Differenzierung der beiden letzten Begriffe – daß das Banale nicht unbedingt alltäglich und das Alltägliche schon gar nicht banal sei – formt ein Perpetuum mobile unter vielen im Brockschen Denken.

Erschienen
2001

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Sachse, Rolf

Verlag
Verl. der Kunst, Philo Fine Arts

Erscheinungsort
Dresden, Deutschland

ISBN
3364003955

Umfang
223 S. ; 17 cm

Einband
Pp. : EUR 15.00

4.5 Brust und Normativität

In der normativen Bestimmung der Brust liegt ein großes Problem. Wir erinnern uns an jenen Bauern aus der Gegend um Posen, der nach Posen kam, beide Arme vor sich gestreckt, ein Geschäft für Miederwaren betrat, um einen Büstenhalter für seine Frau bat und, nach der Größe gefragt, eben seine ausgestreckten Arme mit den jeweils Halbkugeln im Negativ abbildenden Händen als Maß angab. Auf dieser Basis die Größe der Brüste seiner jeweiligen weiblichen Partner anzugeben, würde heute noch jedem so schwerfallen wie dem Bauern aus der Gegend von Posen. Doch mit der Vereinheitlichung der Maße und Gewichte hat sich auch das Maß für solches Ding vereinheitlicht, selbstverständlich nur aus kommerziellen Gründen. Kommerzialisierung ist in Europa immer der stärkste Anreiz zur Rationalisierung gewesen. (Um gleich einen weiteren Gedanken anzubringen: die Rationalisierung etwa im Bereich des kommerzialisierten Sexus ist allerdings immer noch nicht sehr weit gekommen, was man den entsprechenden Angeboten in entsprechenden Gegenden der Großstadt entnehmen kann; dort wird unendlich der Unterschied gepriesen.)

Im allgemeinen, im großen und kleinen werden die Brüste heute auf die Einheitsgrößen 3, 4, 5, 6 und ihre A- und B-Komponenten zurückgeführt. Oder eben vielmehr nicht die Brüste, sondern die Büstenhalter. Die normativen Werte für die Brüste selbst sind wohl mehr an Angaben zur Form und Gestalt festzumachen: allerdings auch hier nur sehr oberflächlich und die Mischformen oder Zwischenlieger nicht berücksichtigend. Man kann sagen, daß es Rundbrüste, Spitzbrüste und Hängebrüste gibt, welche letztere die Tendenz zum zerfließenden Rechteck haben. Um nun das Volumen dieser unterschiedlichen Form zu rationalisieren, sind eben die Büstenhaltergrößen gewählt worden. (Sonst hätte man wohl die Handgrößen der Männer normieren müssen, die als Hohlformen die Größe der Brüste ihrer Frauen anzeigen könnten.)

Nicht zu verschweigen ist, daß sich durch die Festlegung der Büstenhaltergröße auch die Festlegung einer gewissen Minimalgröße, eines Mittelwertes und der Spitzenwerte ausgebildet hat. Sollte zunächst die Größe dessen, was da ist, bestimmbar werden, so wurde nun die Größe dessen bestimmt, was da sein sollte. Die Normen mußten erfüllt werden.