Buch Bildersturm und stramme Haltung

Texte 1968 bis 1996

Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite
Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite

Bazon Brock steht mit seinem Denken und Schreiben für die Erhaltung des Momentums der Moderne in postmoderner Zeit ein, in unübersichtlichen Lagen, in dekonstruierten Räumen. Moderne ist dabei in des Wortes striktester Bedeutung zu fassen, als radikale Entfernung tradierter Wurzeltriebe ohne funktionalen Wert. Dazu gehört in erster Linie die Verabschiedung von der Würdeformel Kunst als unangreifbarer Kategorie des theologisch Transzendenten, mindestens des bewundert Erhabenen; das umfaßt aber auch die Einbindung eines jeden ästhetischen Gegenstands in das Schreiben , und sein er noch so banal und alltäglich. Schon die Differenzierung der beiden letzten Begriffe – daß das Banale nicht unbedingt alltäglich und das Alltägliche schon gar nicht banal sei – formt ein Perpetuum mobile unter vielen im Brockschen Denken.

Erschienen
2001

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Sachse, Rolf

Verlag
Verl. der Kunst, Philo Fine Arts

Erscheinungsort
Dresden, Deutschland

ISBN
3364003955

Umfang
223 S. ; 17 cm

Einband
Pp. : EUR 15.00

4.4 Die Brust als Organ der Anpassung

Das Einverleiben durch den Mund ist die erste der intensiven Einverleibungstechniken, die der Mensch ausbildet. Als erstes Angebot dafür kommt nur die mütterliche Brust in Frage. Weitgehend wird hier schon bestimmt, in welcher Form sich das Kind später den Zugriff auf die Welt erwirbt. Eine erste und auch fatale Konditionierung des Kindes findet beim Aneignen von Welt durch den Mund auf dem Wege der Nahrungsaufnahme statt. Jede Unebenheit, jedes Verzögern, jedes Zubeißen, jedes Festsaugen wird durch Entzug der Brust geahndet, bis das Kind lernt, sich den Bedingungen anzubequemen, um ungestört, angepaßt leben zu können. Bei solcher Passivität dann kann es allerdings alles von einer Situation erwarten, wird die Hingabe belohnt.

Es sei erinnert, daß sich die Karikaturisten der Konsequenzen solchen frühen Anpassens häufig so annehmen: sie zeigen ein gewaltiges Weib, dessen Gatte mit zehengestreckten Beinchen seinen Mund gerade in die Höhe der Gattinbrüste zu bringen versteht.

In der Tat leitet sich heute eine große Zahl von intersubjektiven Beziehungen aus den Beziehungen der Babys zu den Brüsten ihrer Mütter ab (Phänomene des Mamitums in USA, ablesbar am Volumen der wöchentlich neu publizierten Pin-up-Girls).

Für das Kind ist gewährte Nahrungsaufnahme immer die Lösung einer von Unlust begleiteten Situation. Die Reaktionen des erwachsenen Mannes werden sich deshalb häufig zurückwenden auf eine analoge Möglichkeit. Statistisch ist nachzuweisen, daß die in Karikaturen gemeinten Männer tatsächlich Frauen haben, die mit überdurchschnittlich großen Brüsten ausgestattet sind.