Buch Bildersturm und stramme Haltung

Texte 1968 bis 1996

Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite
Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite

Bazon Brock steht mit seinem Denken und Schreiben für die Erhaltung des Momentums der Moderne in postmoderner Zeit ein, in unübersichtlichen Lagen, in dekonstruierten Räumen. Moderne ist dabei in des Wortes striktester Bedeutung zu fassen, als radikale Entfernung tradierter Wurzeltriebe ohne funktionalen Wert. Dazu gehört in erster Linie die Verabschiedung von der Würdeformel Kunst als unangreifbarer Kategorie des theologisch Transzendenten, mindestens des bewundert Erhabenen; das umfaßt aber auch die Einbindung eines jeden ästhetischen Gegenstands in das Schreiben , und sein er noch so banal und alltäglich. Schon die Differenzierung der beiden letzten Begriffe – daß das Banale nicht unbedingt alltäglich und das Alltägliche schon gar nicht banal sei – formt ein Perpetuum mobile unter vielen im Brockschen Denken.

Erschienen
2001

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Sachse, Rolf

Verlag
Verl. der Kunst, Philo Fine Arts

Erscheinungsort
Dresden, Deutschland

ISBN
3364003955

Umfang
223 S. ; 17 cm

Einband
Pp. : EUR 15.00

2.2.2..2.2.2 Der Bilderkampf unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Einheit als der Basis des Oströmischen Reiches

Von einer Reihe von Autoren wird die These vertreten, daß der Übergang von der Kultur der späten Kaiserzeit zur Entfaltung der byzantinischen Hoch-Zeit durch den Verfall handwerklicher Fähigkeiten und künstlerischer Traditionen gekennzeichnet sei. Das ist eine nur mangelhaft begründbare Annahme. Historisch-materialistisch läßt sich zwar mit Recht konstatieren, daß die von Laienkünstlern für subkulturell lebende Christensekten gestalteten Sakralräume den Beginn des byzantinischen Stils darstellen. Die Tatsache aber, daß bei der Entwicklung des Stils nicht die fähigsten, bekanntesten und geschätztesten Künstler beteiligt waren, sagt nicht, daß nicht in der hochkulturellen Sphäre die Traditionen der späten Kaiserzeit voll gewahrt blieben. Es ist tatsächlich nicht anzunehmen, daß bereits in der konstantinischen Zeit diese hochkulturellen Äußerungsformen vergessen waren (was sollte in diesem Zusammenhang 'Vergessen' heißen können?). KONSTANTIN erkannte bereits die Chance, durch die Ausbildung des Christentums zur Staatskirche eine politische Klammer für die Reichseinheit zu finden. Gerade deswegen wäre die Arbeit der befähigtsten Künstler für die Ausbildung der allgemein verständlichen und allgemein verbindlichen Kommunikationsmittel wünschenswert gewesen und sie ist tatsächlich auch genutzt worden. Die Entwicklung der entscheidenden Formen byzantinischer Kunst hat durchaus nicht unter den erschwerten Bedingungen des Traditionszerfalls und der subkulturellen Abdrängung gestanden. Meiner Ansicht nach sind das hohe Abstraktionsniveau und demzufolge die Betonung der Rezeption als Bedingung der Bildkonstitution, die für die byzantinische Kunst in ihrer höchsten Entfaltung wesentlich sind, bereits das Resultat einer Weiterentwicklung der Kultur der späten Kaiserzeit. Nicht Verfall, sonden konsequente Entwicklung begründet die Form byzantinischer Hochkultur. Mit anderen Worten, der Bilderkrieg des 8. Jahrhunderts ist für diesen Teil der Begründung eine Konsequenz auch aus der immanenten Entwicklung der byzantinischen Kultur. Der christologische Streit hat diese Entwicklung entscheidend befördert und hat schon im 4. Jahrhundert konkret nachweisbaren Einfluß auf den Formenkanon und die Darstellungsweise im Bereich der bildenden Kunst. Das läßt sich am eindeutigsten für die Entwicklung der Frontalität im Bild zeigen.

Ich glaube deshalb, sagen zu können, daß der christologische Streit in der Erscheinungsweise des Bilderkriegs nicht hätte auftreten können, wenn nicht die hochgradige Differenzierung von künstlerischen Mitteln, ja ihre Verselbständigung und Ablösung von dem Dargestellten durch die byzantinische Kunst ermöglicht worden wäre. Das wird deutlich, wenn die Argumentation der Bilderfeinde des 8. Jahrhunderts mit der der Bilderfeinde der römischen Kaiserzeit verglichen wird. So hat 160 n.Chr. TERTULLIAN in seiner Kampfschrift 'De idolatria' den Idolen den Kampf angesagt, weil die schöpferische Kraft des Künstlers "jenem noch in rohen Anfängen befindlichen Treiben menschlichen Elends einen Namen gibt und dessen Fortdauer sichert".

TERTULLIAN folgt noch der jüdischen Tradition, derzufolge das von menschlichen Händen Geschaffene keinen Anspruch auf Dauer erheben darf. TERTULLIAN' sagt, daß die Hand des Künstlers im gleichen Maße schöpferische Kraft habe wie der Schoß der Mutter. Wo aber die Mutter nur wieder sterbliche Menschen erschaffe, versuche der Künstler, etwas hervorzubringen, das etwas anderes als er selber sei. In dieser Fähigkeit des Künstlers, mit seiner Schöpfung über die bloße Reproduktion seiner selbst hinauszugehen, nehmen der Künstler und damit die Menschen für sich Leistungen des göttlichen Schöpfungsaktes in Anspruch. TERTULLIAN erkennt bereits, welche Macht den werteschaffenden Künstlern dadurch zufallen könnte, selbst dann, wenn sie sie nicht in Anspruch nehmen. Aber ihre Geschöpfe bilden sich ihre eigene Priesterschaft, die mit Verweis auf die vom Künstler geschaffenen Werte behaupten könnte, die Menschen bedürften zu ihrer Entwicklung nicht mehr der göttlichen Kraft.

Gerade diese Fähigkeit des werteschaffenden Menschen, das göttliche Numen selber zu erzeugen, feiert Dion CHRYSOSTOMOS 50 Jahre nach TERTULLIANs Schrift in seiner Rede auf den olympischen Zeus des PHIDIAS. Damit wird auch gesagt, daß die griechische Klassik bereits einmal jene Entwicklungshöhe der künstlerischen Bilderzeugung erreicht hatte, die im 8. Jahrhundert zur Auslösung des Bildersturms führte. Daß der Bilderkrieg im 5. Jahrhundert v.Chr. nicht bereits mit den Begründungen eines LEO III. geführt wurde, sondern sich auf die zahmen Philosopheme PLATONs beschränkte, liegt an der explosionsartigen Entwicklung des Hellenismus, dessen naturalistische Kraft das Problem zuschüttete.

Bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts war hingegen aus der byzantinischen Kunst weitgehend solcher Naturalismus eliminiert durch die außerordentlich starke Entwicklung der künstlerischen Mittel der Bilderzeugung. Die Kraft zur Konstruktion geschlossener Bildwelten hatte zugenommen. Diese zur Verfügung stehenden Möglichkeiten konnten nicht instrumentell eingesetzt werden, weil einerseits die Künstler sich weitgehend von der bloßen handwerklichen Gestaltung der profanen Gebrauchsgegenstände zurückzogen. Andererseits konnte das Potential der künstlerischen Bilderzeugung nicht mehr auf die Abbildung der realen Welt angewendet werden, da die künstlerischen Mittel so hochgradig formalisiert waren. Die totale Verselbständigung der künstlerischen Mittel ließ die Produktion zu einer tautologischen Selbstbewegung werden. So boten sich die künstlerischen Bilderzeugungen als Leerformeln den Rezipienten an. Offensichtlich gab es genügend Rezipienten, die in der Lage waren, ein großes Vorstellungspotential zu entwickeln, das den Bildern einen Wirklichkeitsanspruch zugestand, den sie gar nicht haben sollten. Die spirituelle Arbeit des Rezipienten mit den bildnerischen Leerformeln führte dazu, daß erst der Rezipient die zweite wesentliche Wirklichkeitsebene des Bildes, die des Abgebildeten, selber zum Bild hinzufügte. Der Rezipient wurde zum eigentlichen Bildschöpfer. Dadurch verselbständigte sich nun auch die Bildebene des Abgebildeten. Die Rezipienten schufen die abgebildete Welt als Ebene des Bildes mit autonomem Wirklichkeitsanspruch. Das war die Lage der immanenten Kunstentwicklung zu Beginn des Bilderkrieges.