„Hubert, was tust du?“; „Du lieber Gott, was treibt den Hubert, sich für die Auflagensteigerung der alten Bunte und des neuen M bis zur Erschöpfung abzustrampeln? Ein einzelner Text wie seine Dissertation über den Ruinenmaler Hubert Robert ist doch mehr wert als alles, was je über die Publikumsrenner erreicht werden kann! Mit ein paar gelungenen Gedichten hat man doch eine größere Chance, sich dem kulturellen Gedächtnis einzuschreiben als mit Hunderttausenden von Magazinseiten.“
Auf derartige Vorhaltungen gab Hubert Burda allen, die ihm Ende der 60er Jahre bei den Treffen in der Wohnung Schackstraße zusetzten, stets verbindlich aber entschieden zu verstehen, daß sie noch nicht kapiert hätten, was im Zeitalter der Massenmedien Wirksamkeit bedeute.
Zwar war es das erklärte Ziel aller 68er-Aktivisten, „massenhaft“ wirksam zu werden, die Massen zu erfassen – zugleich aber standen sie in radikaler Opposition zu den Massenmedien, die durch die Springerpresse repräsentiert wurden. Die Einheit in dieser Entgegensetzung sprach das weitverbreitete Argument an, Wirkung auf die Massen auszuüben sei nur dann erlaubt, wenn man das richtige, fortschrittliche, sozialistische Bewußtsein damit zur Geltung bringe. Andererseits galt: nur die Vorgaben des verblendeten Bewußtseins (privatistischer Lebensgenuß in kleinbürgerlicher Abgeschiedenheit; Selbstgewißheit in der fraglosen Überlegenheit der eigenen Kultur; Ausbeutung der Unterlegenen als Entwicklungshilfe) könnten überhaupt massenwirksam werden: Was massenwirksam ist, sei damit von vornherein vom falschen Bewußtsein oder von der Gegenaufklärung im kapitalistischen Verwertungsinteresse getragen.
Noch bemerkenswerter: die Aktivisten legitimierten ihre Kampagnen mit der Behauptung, sie sprächen im wahren Interesse der vorübergehend noch verblendeten Zeitgenossen.
Künstler, Literaten, Dramatiker, Filmemacher adressierten nicht ihresgleichen, sondern diejenigen, die als Verblendete natürlicherweise kein Interesse an der Arbeit der Aufklärer haben konnten. Wie dachte man, aus diesen Widersprüchen herauszukommen? Der Schlachtruf: „Bürger, laßt das Gaffen sein, kommt herunter, reiht Euch ein“ wies die Richtung. Es galt, die anonymen Mitglieder der grauen Masse zu individualisieren, also als Bürger anzusprechen, um sie als entfaltete Individuen zu befähigen, sich freiwillig zum Kollektiv zu assoziieren.
Der Maßstab für die Entfaltung der Persönlichkeit bestand in der Fähigkeit des Einzelnen, sich mit anderen zusammenzuschließen, also: in seiner sozialen Bindungsfähigkeit. Dieses Vorgehen wurde auf das Paradox zugespitzt, aufgeklärte Massen seien Gemeinschaften der Einzelgänger.
Als solche vorbildlichen Gemeinschaften akzeptierte man damals die Kommunen um Rainer Langhans und Fritz Teufel, die von Prem und Fischer initiierte Künstlergruppe Spur oder die Gruppe Cobra um Karel Appel bzw. die Aktionsgemeinschaft der Fluxus-Künstler von Maciunas. In der Schackstraße formierten sich die Petrarcisten, die ab 1975 jährlich im Juni auf Huberts Einladung eine kleine Canetti’sche Feiermasse bildeten. Zunächst glaubten die Beteiligten, die Wirksamkeit ihres Tuns (Gedichte lesen, Petrarca huldigen, kunst- und kulturgeschichtliche Causerien bei vorzüglichem Speisen und Trinken) durch Einladung von Feuilleton-Redakteuren der führenden Zeitungen zu sichern. Aber nach der dritten oder vierten Petrarca-Reise wurden Journalisten offiziell nicht mehr eingeladen. Warum? Was hatte sich geändert in der Auffassung von Wirksamkeit?
Intelligenz der Einpassung
Ab Mitte der 70er Jahre war man allgemein gezwungen, sich zu erklären, wieso ausgerechnet die Leserschaft der BILD-Zeitung Willy Brandt zum Kanzleramt verholfen hatte; galt denn nicht für die breite Masse wie für die Aktivisten, BILD-Zeitung-kaufen und -lesen sei gleichbedeutend mit der Akzeptanz der dort propagierten Auffassungen?
Auch sah man sich inzwischen der Zumutung ausgesetzt, daß einige der Radikal-Kritiker der Bewußtseins-Industrie nun selber Positionen in Werbeagenturen, Funk und Fernsehen besetzten – noch heute fällt es vielen schwer, die augenscheinliche Wandlung des linken RAF-Anwalts Mahler zum Repräsentanten der Ultra-Rechten oder ähnliche Karrieren nachzuvollziehen; umgekehrt hat heute die geläuterte RAFistin Silke Maier-Witt Schwierigkeiten, in der Rolle der Friedenshelferin angenommen zu werden; ähnliche Probleme stellen sich pazifistischen Grünen als NATO-Kriegern.
Worin erwies sich also Wirksamkeit? Offensichtlich nicht in der Macht, seine eigenen Auffassungen oder die für richtig gehaltenen Programmatiken ein für allemal durchsetzen zu können. Vielmehr traute man denjenigen Kraft und Stärke zu, die es sich leisten konnten, ihre Auffassungen zu ändern, ihre Positionen aufzugeben, sich in Konkurrenz mit alternativen Vorgaben zu setzen. Am Markt galt nicht mehr als erfolgreich, wer sein Produkt so dominant plazierte, daß die Konkurrenz bankrott ging, sondern der, dem es gelang, sich in den Vergleich zu anderen zu stellen und gerade in der Aufrechterhaltung der Konkurrenz sein Angebot glaubwürdig auszuzeichnen (es hat 20 Jahre gedauert, bis auch in der Bundesrepublik vergleichende Werbung, also eine zeitgemäße Auffassung von Marktwirksamkeit, rechtlich zugelassen wurde). Wie weitgehend Hubert dies – uns allen voraus – verstanden hatte, zeigte sich bei der Plazierung von FOCUS im Zeitschriftenmarkt. Alle vorherigen Versuche, ein neues Nachrichtenmagazin zu etablieren, waren gescheitert, weil man dessen Erfolg nur als Mißerfolg des SPIEGEL, als Versuch, den SPIEGEL zu ruinieren, planen zu können glaubte. FOCUS hingegen konnte von vornherein nur in dem Maße erfolgreich sein, wie es sich ausdrücklich als alternative Konkurrenz auf eben diesen SPIEGEL bezog. „Ohne SPIEGEL kein FOCUS“, wußte Hubert – und nicht „FOCUS statt SPIEGEL“.
Die Gegenstrategie des SPIEGEL zeigt die Wirksamkeit von FOCUS: in dem Maße, in dem sich die SPIEGEL-Redakteure aller Ebenen arrogant, gönnerhaft oder bloß borniert von dem vermeintlichen „Häppchen-und-Bildchen-Journalismus“ distanzieren, beeilen sie sich, ihr eigenes Blatt dem FOCUS immer ähnlicher werden zu lassen. Dadurch wiederum könnte FOCUS gezwungen werden, verstärkt den alten SPIEGEL-Journalismus ins Spiel zu bringen: FOCUS rettet den SPIEGEL, den die SPIEGEL-Redakteure, um die Herausforderung durch FOCUS zu bestehen, längst aufgegeben haben.
Auch aus einer ganz anderen Richtung wurde man spätestens in den 70er Jahren angehalten, die Wirksamkeit eigener kultureller, politischer oder sonstiger Handlungen einzuschätzen.
Wer in den 60er Jahren noch im Happening-Ulk die rote Mao-Bibel vorgewiesen hatte, mußte mit deren strategischer Umsetzung durch den Sieg des Vietkong die Macht der Ohnmacht anerkennen. Zugleich wurde die Ohnmacht der USA-Weltmacht zum Thema für alle, die sich in Wirtschaft, Politik und Kultur fragten, was ihnen Wirksamkeit in Aussicht stellte.
Netzwerker
Lange, bevor zumindest ich dem Begriff etwas abgewinnen konnte – in jedem Fall nach unserer fünften Petrarca-Reise – präsentierte Hubert Vernetzung bzw. Verknüpfungsdichte als neues Maß für Wirkung. Woher er das hatte? Wahrscheinlich aus der Diskussion um den Luhmannschen Term der Anschlußfähigkeit, verbunden mit damals noch ganz sporadischen und spielerischen Phantasien über das technologische Programm der Vernetzung und unsere Definitionsversuchen zum Kulturbegriff: Kultur ist ein durch Kommunikation gestiftetes Beziehungsgeflecht zwischen Menschen zur Garantie von Verbindlichkeit in ihrem Gruppenzusammenhalt.
Beziehungsgeflecht, Anschlußfähigkeit, Vernetzung gab Hubert vor als Frage, wie man das zu einer Meßgröße für die Folgen eigener Tätigkeit zusammenbringen kann.
Natürlich kannten wir die Verfahren, mit denen man damals die soziale, die kreative und die kommunikative und kognitive Kompetenz von Individuen feststellen zu können behauptete: die sogenannten Intelligenztests mit den Maßzahlen der Intelligenzquotienten.
Zumindest in der Firma hatte sich Hubert mit der Frage herumzuschlagen, wie man die Leistungsfähigkeit von potentiellen Mitarbeitern in Erfahrung bringen könne. Personalchefs begannen, bei Einstellungsverfahren solche elaborierten Tests anzuwenden. Sehr häufig stellte sich aber heraus, daß nicht die Leute mit den höchsten IQs (kreativ, kommunikativ, kognitiv) die effektivsten Mitarbeiter wurden. Wie konnte man dieser Erfahrung entsprechen?
Kind und Werk
In den Diskussionen mit Hubert, dem Psychologen Jens Corsen, dem Literaten und Cheflektor des Hanser-Verlages Michael Krüger, machte ich den Vorschlag, die Meßgröße für Fruchtbarkeit und Folgenreichtum von Tätigkeiten als Generativitätsquotienten auszuweisen. Das knüpfte an die Gewohnheit, ja Programmatik des Senators Burda an, die Mitarbeiter seines Unternehmens als Angehörige der Burda-Familie zu kennzeichnen. Senator Burda übertrug sein Wirksamwerden als Vater auf seine Tätigkeit als Firmenchef. Wer das nicht, wie die 68er, als Ideologie des Patriarchats abtun wollte, mußte überlegen, welche Entsprechungen es zwischen genetischer Fruchtbarkeit und kultureller, also extragenetischer Produktivität gibt (Mitte der 70er Jahre hatte schließlich die Diskussion um die Soziobiologie von Wilson begonnen!).
Wir schauten uns um, auch im ganz eigenen Interesse einer Entscheidung für Familiengründung mit Kinderaufzucht oder für ein Single-Dasein mit Fall-zu- Fall-Gesellung in Produktionsteams (wie sie Theweleit beschrieb).
Ab 1987 rekurrierten wir in unseren Diskussionen häufiger auf Gedanken Heiner Mühlmanns, der dezidiert – wie 1996 im Band Die Natur der Kulturen veröffentlicht – generative Verfahren in Natur und Kultur respektive deren Gesetzmäßigkeiten und Dynamiken miteinander verglich.
In Hinsicht auf genetische Übertragung und Fruchtbarkeit als Zeuger waren viele der Kulturheroen ziemlich erfolglos: Goethe als Vater ein Flop, aber als Werkschöpfer, Minister, Wissenschaftler und zeitgenössischer Kommunikator von größter Wirksamkeit. Dafür hatte Goethe Konzepte und Programme ausgearbeitet, vor allem im Wilhelm Meister, den wir alle, animiert durch den Petrarcisten Peter Handke, stets ins Spiel brachten.
Sicherlich spielten für uns zwei zeitgemäße Erscheinungsformen der Fragestellung eine Rolle: zum einen bemühte sich der Kunstjournalist Willy Bongard, eine jährlich zu aktualisierende Liste der 100 erfolgreichsten bildenden Künstler zu ermitteln; das ließ sich nicht in bloßer Analogie zu den Charts der Schallplattenindustrie oder den Bestseller-Listen für Belletristik und Sachbücher, also am Verkaufserfolg, messen, weil sich die Preise für Kunstwerke nicht an der Quantität des Abverkaufs einzelner Bilder herausbildeten. Bongard hatte Kriterien wie
– Häufigkeit der Beteiligung von Künstlern an überregionalen Gruppenausstellungen,
– Rang der Kuratoren und Galeristen von Einzelausstellungen,
– Zahl, Umfang und Anspruchsniveau von Texten über Künstler und ihre Arbeiten,
– Interesse der nichtspezialisierten Massenmedien
und dgl. entwickelt.
Zum anderen wurde immer häufiger der US-Präsident Reagan in seiner Art von Wirksamwerden (bei relativ schlichter kreativer und kognitiver Intelligenz) als „der große Kommunikator“ angesprochen; in Demokratien verbot sich grundsätzlich die Messung der Wirksamkeit eines Inhabers höchster Ämter an seiner Fähigkeit zur Sicherung der Familiendynastie.
Die letztgenannte Problematik war Hubert als drittem Sohn des Familien- wie Unternehmensdynasten Franz Burda hinreichend vertraut. Im übrigen hatte Hubert schon seit Mitte der 60er Jahre selbst einen Sohn, über den er nicht dynastisch zu verfügen gedachte, ebensowenig wie er bis Anfang der 80er Jahre seine Aufgabe darin sah, ausgerechnet als Kunsthistoriker der Bestandsicherung des Familienunternehmens Burda zu dienen.
Kümmert euch mal um …
Weil Hubert seit Mitte der 60er Jahre ständig mit Literaten, Filmern, Malern, Musikern umging und als Kunsthistoriker ohnehin wußte, daß die Bedeutung des künstlerischen Schaffens nicht an herkömmlichen Parametern festzumachen war, interessierten ihn Fragen der Generativität weit über die Gesichtspunkte hinaus, die seinen Kollegen genügten und denen sie zu genügen hatten: Auflagenstärke, Einschaltquoten, Reichweiten, Besucherzahlen, Verkaufserfolge. Er wußte stets, und hat uns das immer nachdrücklich wissen lassen, daß er als Konkurrent im Medienmarkt derartigen Kriterien der Medienanalyse unterworfen blieb. Aber was am Ende als Bilanz der eigenen Aktivitäten ausgewiesen werden sollte, mußte über diese Meßgrößen hinausgehen.
Den Weg dahin hatte bereits Franz Burda eingeschlagen; informell orientierte er sich nämlich seit den 50er Jahren auf das hin, was man später Sozial- und Ökobilanz von Unternehmen nannte. Darüber hinaus zeichnete aber Hubert als Unternehmer aus, Generativitätspotential bereits auf einer Aktivitätsebene wahrzunehmen, die noch nicht durch Auflagenstärken und große Reichweite beglaubigt waren (Stichwort „Garagenbastler in Silicon Valley“). Von seiner Führungsdynamik fühlten sich manche seiner Mitarbeiter geradezu überrollt, weil er sie ständig mit einer Vielzahl von Hinweisen auf Entwicklungen jenseits konventioneller Wahrnehmungsparameter traktierte. Wenn er einige Male pro Tag den Appell ausgab: „Kümmert euch mal um ...; finden Sie heraus, was in der Sache drinsteckt, was man daraus machen könnte ...“, vermuteten sie, daß er für sich selbst längst verbindliche Schlußfolgerungen gezogen habe, die sie nur nachzuvollziehen hätten. Es fiel ihnen schwer zu glauben, daß Hubert selber seine Generativität durch persönliche Beziehung auf und Anknüpfung an Aktivitäten Dritter potenzierte, die für die aktuelle unternehmerische Entscheidung bis dato keine Rolle spielen konnten.
Solche Führung durch Problematisierung der Entscheidungskriterien ist immer noch selten. Mancher empfindet die Vielzahl von Huberts Interessen und Orientierungen fast als Ideenflucht – eine Auffassung, die andererseits schlecht mit seinem tatsächlichen Erfolg als Unternehmer in Übereinstimmung zu bringen ist.
Ebensowenig läßt sich als persönlicher Geltungsanspruch sein Bemühen abtun, in zahllose formelle und informelle Gruppierungen von Unternehmern, Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern, Vereinen und Initiativen etc. einbezogen zu werden. Daß man ihn einbezieht, gilt ihm nur als Kontrolle seiner tatsächlichen Effektivität als Kommunikator und über seine Fähigkeit zur Einbindung in die Netzwerke der verschiedensten Systeme in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur.
Immer erneut initiiert er Gesten der förmlichen Anerkennung von Zeitgenossen mit hoher Generativität: als Preise für Corporate Culture, für Netzwerker der Kommunikation, für Künstler und Literaten.
Bilanz
Mit drei leiblichen Kindern erreicht Hubert eine genetische Reproduktionsrate weit über dem Durchschnitt von Kulturaktivisten. Seine herausragende extragenetische Wirksamkeit durch horizontale und vertikale Übertragungsleistungen gründet in der Fähigkeit, gleichzeitig die Vorgehensweisen der Künstler wie der Unternehmer und Politiker zu nutzen. Künstler ist, wer auf andere hin wirksam wird, ohne positive oder negative Sanktionsgewalt, ohne Legitimierung durch Markterfolg, Diplome, Auszeichnungen oder Plazierung in Hit-Listen der Anerkennung.
Unternehmer legitimieren ihren Geltungsanspruch durch die Fähigkeit und Bereitschaft zu scheitern, mit allen Konsequenzen, die man natürlicherweise scheut. Aber diese Fähigkeit, Risiken ins Kalkül zu nehmen oder häufig auch Vabanque zu spielen, ist die Voraussetzung für jeden denkbaren Erfolg am Markt.
Politiker basieren ihren Machtanspruch auf Prinzipien der Wahl, der Delegation, der Repräsentation, also im Namen derer zu agieren, deren Zustimmung sie gewiß sind oder deren Zustimmung sie erzwingen zu können glauben.
Nicht erst im Rückblick auf die Jahre unseres Beginnens läßt sich verstehen, was Hubert unseren 60er-Jahre-Genossen entgegenhielt: „Man steigert die Effektivität nicht, indem sich Künstler als Unternehmer, Unternehmer als Politiker und Politiker als Künstler aufführen. Hohe Generativität erreicht, wer Aktivitäten in den verschiedensten Feldern zu verknüpfen vermag, also das dichteste Geflecht an kommunikativen Beziehungen zustande bringt.“
Der alte Name für Generativität heißt „Vergöttlichung“, ein anderer „Geschichtlichwerden“. Das bedeutet: Anwesendsein in der Abwesenheit. Theologisch definiert das die Gegenwart des abwesenden Gottes, nicht nur des verdunkelten oder entschwundenen; selbst Atheisten bleiben in der Negierung der Götter auf sie bezogen.
Politisch definiert das die Vergegenwärtigung des Herrschers an jedem Ort seiner Machtsphäre (in Bildnissen, in Architektur und Kult, in der sozialen Ordnung), obwohl er physisch nicht real präsent ist. Künstlerisch definiert das die Aufnahme der Werke und Tage in die Archive, Bibliotheken und Museen. Unternehmerisch ergibt sich daraus das Handlungsziel, Umsatz und Gewinn zu steigern, um die Fortsetzung des eigenen Handelns über alle absehbare Zeit, also über die Zeit der eigenen physischen Realpräsenz hinaus, zu sichern.
Generativität ist so auch beschreibbar als Schöpfung der Zeitform Zukunft, d.h. der Erwartung, die man an das Wirksamwerden von Individuen wie Kollektiven stellt – und zwar in den verschiedensten Beziehungssystemen, in die sie sich einbinden konnten.