Festschrift Hubert Burda. Kunst und Medien.

Festschrift zum 9. Februar 2000

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Die Autoren des Buches sind Freunde, Kollegen sowie Konkurrenten, Unternehmer und Wissenschaftler, Dichter und Denker. Darunter sind Helmut Markwort, Rudolf Augstein, Reinhold Messner, Willy Bogner, Steven Spielberg, Leo Kirch, Lord Weidenfeld, Rachel Salamander, Christoph Ingenhoven, Bazon Brock, Klaus Mangold , Peter Hamm, Peter Handke, Peter Glotz und andere..

Das Buch die Darstellung eines Stückes Zeitgeschichte. Reich bebildert mit vielen Fotos aus Hubert Burdas Leben.

Erschienen
1999

Herausgeber
Betzler, Judith

Intelligenz der Einpassung

Ab Mitte der 70er Jahre war man allgemein gezwungen, sich zu erklären, wieso ausgerechnet die Leserschaft der BILD-Zeitung Willy Brandt zum Kanzleramt verholfen hatte; galt denn nicht für die breite Masse wie für die Aktivisten, BILD-Zeitung-kaufen und -lesen sei gleichbedeutend mit der Akzeptanz der dort propagierten Auffassungen?
Auch sah man sich inzwischen der Zumutung ausgesetzt, daß einige der Radikal-Kritiker der Bewußtseins-Industrie nun selber Positionen in Werbeagenturen, Funk und Fernsehen besetzten – noch heute fällt es vielen schwer, die augenscheinliche Wandlung des linken RAF-Anwalts Mahler zum Repräsentanten der Ultra-Rechten oder ähnliche Karrieren nachzuvollziehen; umgekehrt hat heute die geläuterte RAFistin Silke Maier-Witt Schwierigkeiten, in der Rolle der Friedenshelferin angenommen zu werden; ähnliche Probleme stellen sich pazifistischen Grünen als NATO-Kriegern.

Worin erwies sich also Wirksamkeit? Offensichtlich nicht in der Macht, seine eigenen Auffassungen oder die für richtig gehaltenen Programmatiken ein für allemal durchsetzen zu können. Vielmehr traute man denjenigen Kraft und Stärke zu, die es sich leisten konnten, ihre Auffassungen zu ändern, ihre Positionen aufzugeben, sich in Konkurrenz mit alternativen Vorgaben zu setzen.
Am Markt galt nicht mehr als erfolgreich, wer sein Produkt so dominant plazierte, daß die Konkurrenz bankrott ging, sondern der, dem es gelang, sich in den Vergleich zu anderen zu stellen und gerade in der Aufrechterhaltung der Konkurrenz sein Angebot glaubwürdig auszuzeichnen (es hat 20 Jahre gedauert, bis auch in der Bundesrepublik vergleichende Werbung, also eine zeitgemäße Auffassung von Marktwirksamkeit, rechtlich zugelassen wurde).
Wie weitgehend Hubert dies – uns allen voraus – verstanden hatte, zeigte sich bei der Plazierung von FOCUS im Zeitschriftenmarkt. Alle vorherigen Versuche, ein neues Nachrichtenmagazin zu etablieren, waren gescheitert, weil man dessen Erfolg nur als Mißerfolg des SPIEGEL, als Versuch, den SPIEGEL zu ruinieren, planen zu können glaubte. FOCUS hingegen konnte von vornherein nur in dem Maße erfolgreich sein, wie es sich ausdrücklich als alternative Konkurrenz auf eben diesen SPIEGEL bezog. "Ohne SPIEGEL kein FOCUS", wußte Hubert – und nicht "FOCUS statt SPIEGEL".
Die Gegenstrategie des SPIEGEL zeigt die Wirksamkeit von FOCUS: in dem Maße, in dem sich die SPIEGEL-Redakteure aller Ebenen arrogant, gönnerhaft oder bloß borniert von dem vermeintlichen "Häppchen-und-Bildchen-Journalismus" distanzieren, beeilen sie sich, ihr eigenes Blatt dem FOCUS immer ähnlicher werden zu lassen. Dadurch wiederum könnte FOCUS gezwungen werden, verstärkt den alten SPIEGEL-Journalismus ins Spiel zu bringen: FOCUS rettet den SPIEGEL, den die SPIEGEL-Redakteure, um die Herausforderung durch FOCUS zu bestehen, längst aufgegeben haben.

Auch aus einer ganz anderen Richtung wurde man spätestens in den 70er Jahren angehalten, die Wirksamkeit eigener kultureller, politischer oder sonstiger Handlungen einzuschätzen.
Wer in den 60er Jahren noch im Happening-Ulk die rote Mao-Bibel vorgewiesen hatte, mußte mit deren strategischer Umsetzung durch den Sieg des Vietkong die Macht der Ohnmacht anerkennen. Zugleich wurde die Ohnmacht der USA-Weltmacht zum Thema für alle, die sich in Wirtschaft, Politik und Kultur fragten, was ihnen Wirksamkeit in Aussicht stellte.