Nicht nur Historiker, Archäologen, Theologen, Philologen, die gelernt haben, mit Toten sachgemäß zu kommunizieren, handhaben die Techniken, Dauer durch wieder-holen, zurück-holen zu erreichen; heute bedienen fast schon alle Zeitgenossen sich der Technik des recording in Bild und Ton: sie lassen Clark Gable per Videorecorder auferstehen; sie halten eine Lebensszene per Foto permanent verfügbar und collagieren bei Familienfesten Lebensläufe zu Biographien, in denen souverän Zeiten und Räume ineinander verschachtelt und auseinandergenommen werden – wie es noch vor kurzem bestenfalls Kulturprofis zu tun vermochten. Die Zeitgenossen lernten das vor allem am Beispiel der Künste und der Massenmedien. Inzwischen beklagt das TV-Volk nicht mehr die „ewigen Wiederholungen alter Filme“, sondern partizipiert an den Warholschen Freuden der ständigen Wiederkehr desselben als das Gleiche (Serienglück). Und Friedrich Nietzsche segnet die Sportschaugucker, denen die slow-motion-Wiederholung wichtiger Szenen (dreimal, viermal, immer wieder) zur Qualifikation MT verhilft: Master of Time – Kulturgröße. Das ist technische Theologie: das christliche Wiederauferstehungsversprechen kann von jedermann erfüllt werden, ohne Apokalypse, ohne jüngstes Gericht. Die Massenmedien beweisen täglich, daß wir das Ende schon hinter uns haben. Das ist ihre frohe Botschaft.
Bildende Wissenschaft. Das Glück der Dauer. Reale Virtualität. Imaging Science. – Abschnitt in:
Der Barbar als Kulturheld
Buch · Erschienen: 01.01.2002 · Autor: Brock, Bazon · Herausgeber: Zika, Anna
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stefan m. seydel/sms ;-)
20.11.2011
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