BAZON BROCK (der Philosoph)
PFINGSTPREDIGT (Gott und Publikum)
Der Philosoph zieht eine geräuschlos rollende Landschaft durch die Großstadt: theatralisch aufbereiteter Hintergrund von der Art eines locus amoenus. Ein prächtig pastellierter Prospect gibt den Hintergrund für 8 × 8m saftigen Rasens, hügelig und bestanden mit einer deutschen Eiche, Buschwerk und zierlicher Gartenbank.
Der Rasen ist seitwärts als Teppich aufgeklappt, um dem Bühnenwagen volle Beweglichkeit zu lassen.
Der Philosoph prüft an Frankfurter Häuserzeilen den Himmel und die Windrichtung, die Fassadenreklame und die verkehrsfreien Quadratmeter, um alsbald zum Volke zu sprechen.
Während er die Ortschaft der kommenden Gedanken befestigt, den Rasen entrollt, sich nach der Art eines Schäfers um 1730 - die wiederum die Art eines unbeteiligten römischen Bürgers aus 'Quo vadis' zu sein scheint - einkleidet, animiert er das Volk zum Stehenbleiben durch den folgenden Prolog.
Besonders ist darauf zu achten, daß der Philosoph auch weiterspricht, während er bei der Aufbauarbeit den Kopf nach unten trägt, auf dem Rücken liegt oder das Hemd wechselt.
DER PHILOSOPH Das Erste und Entscheidende für jemanden, der spricht, ist, sich des Zusammenhangs zu versichern, in dem er spricht.
Ich wollte mich auf zweierlei Weise des Zusammenhangs versichern.
Einmal des Zusammenhangs mit der Naturgeschichte und einmal des Zusammenhangs mit der Gesellschaftsgeschichte.
Des Zusammenhangs mit der Naturgeschichte wegen bin ich in den Zoo gegangen - das real life theatre der Evolution.
Ich habe mich hinter einen Esel gestellt und ihn angesprochen.
Daraufhin drehte der Esel sich um, bewegte ein Ohr um 90 Grad. Einige Millionen Jahre Intention der Naturgeschichte, ausgedrückt in einer Ohrbewegung um 90 Grad.
Ein guter Zusammenhang für einen Sprecher.
Und ich wollte mich des Zusammenhangs mit der Gesellschaftsgeschichte versichern.
Er imaginiert den Aufenthalt in der Prospektlandschaft, er zeigt ausdauernd in die Ferne.
DER PHILOSOPH Und ich sah dort hinten über'm Berge Krakaus Marienkirche.
Vom Turm dieser Kirche schallt heute wie seit Jahrhunderten jede Stunde ein Alarmsignal, das mittendrin abbricht - zur Erinnerung an jenen Trompeter, der im 13. Jahrhundert während des Alarmsignalblasens von einem Mongolenpfeil getötet wurde.
Der Philosoph scheint sich plötzlich der Mißverständlichkeit der Erzählung bewußt zu werden.
Er mustert das Publikum auf Waffentragende hin; dabei reißt er mehrfach die Arme in die Höhe, sie spreizend, um jedesmal eine Schautafel zu entrollen, auf der deutlich Menschen zu sehen sind, die in irgendeiner alltäglichen und profanen Verrichtung (wie Trompeteblasen) vom Tod getroffen werden. (Anschauungsmaterial von Pompeji bis Hiroschima steht ja reichlich zur Verfügung.)
Der Philosoph reproduziert zu jedem Bild die entsprechenden Geräusche, O-Ton:
Schreie, die abbrechen; Worte, die nicht zu Ende gesprochen werden; Stöhnen, das von lustvoller Zweideutigkeit zu schmerzlicher Eindeutigkeit wechselt.
Nachdem sich auf diese weithin sichtbare - da von der erhöhten Gartenbank vorgenommenen - Demonstration manches Volk angesammelt hat, tritt ein Helfer vor, deutet auf die Szene und unterrichtet das Volk darüber, daß es augenblicklich und leibhaft einen Philosophen in Aktion sehen werde; einen professionellen Denker, der hier auf den Markt käme, um seine Gedanken zum Gebrauch anzubieten, wie andere ihre Tomaten und Strickwesten zum Gebrauch anbieten.
Er bittet, sich rege zu bedienen nach Zahlung eines angemessenen Betrages, was ja bei Ingebrauchnahme von Tomaten und Strickwesten ohnehin üblich sei.
Der Helfer begibt sich ins Publikum, wobei er damit beginnt, die Gedankensteuern einzuziehen mittels eines Gerätes, wie es Schaffner in der Straßenbahn benutzen.
Der Philosoph räuspert sich, schneuzt und kratzt sich ausführlich, probt mehrfach Stellungen innerhalb des Ereignisortes, um sich mit den zahlreichen, ihn beobachtenden Fernsehteams zu verständigen, und beginnt in der Art BAZON BROCK's zu sprechen:
Es war Pfingsten - 120 Mann versammelt auf dem Platze - sind weisheitsbegierig - wollen was hören - wollen Handlungsanweisungen - Leute, die gewohnt sind, stets etwas noch nie Dagewesenes zu vernehmen, etwas Einmaliges, Unvergleichliches.
Aber der, der ihnen das sonst bietet, erscheint nicht.
Der Urheber ist auf Himmelfahrt gegangen; sein Werk als Autor ist abgeschlossen; von ihm ist nichts mehr zu erwarten.
Alle wissen das und begreifen allmählich die Konsequenzen.
Woher nehmen sie jetzt ihren Text? Wer wird sie mit Botschaften versorgen?
Mit zitierbaren, spielbaren Sätzen? Mit verbindlichen Aussagen?
In einer für solche Situation typischen Interdependenz von Einsicht in die Ausweglosigkeit und der Bereitschaft, auf jegliche Einsicht zu verzichten, überlassen sich die 120 einem gerade einsetzenden Unwetter als von höherer Hand inszenierten Ereignis.
Und wahrlich - die Ausschüttung des Heiligen Geistes ist eine Jahrhundertinszenierung mit den prächtigsten Synchronisationen von Windblasen und Himmelsverdüsterung, partial aufreißenden Wolkendecken, durch die einzelne Sonnenstrahlenbündel fabrikneu und fast senkrecht herabstechen.
Das machte Eindruck; rieselte über den Rücken und ließ die Leute zum Mitspielen schreiten.
Sie fingen an, die ihnen bekannten Texte wieder und wieder beschwörend und angstabwehrend, lautstark und doch beruhigend vor sich hinzusprechen.
Sie hatten das Gefühl, sich nahe zu sein; ja sich zu verstehen – was ja wohl kein Kunststück ist, wenn alle das gleiche reden, die gleichen Sätze wiederkäuen.
Das war die Ausschüttung des Heiligen Geistes; etwas für damalige Verhältnisse recht Normales, eine übliche Veröffentlichungsform, denn die Leute steckten sich ja kein beschriebenes Papier gegenseitig in den Briefkasten. Was es zu sagen gab, ließ sich tatsächlich nur sagen. Was es zu verstehen gab, ließ sich tatsächlich nur verstehen, indem man das Gesagte nachsprach.
Allerdings war es vor der Ausschüttung des HG wohl kaum je zu einer solchen massenhaften Ansammlung von Leuten gekommen, die alle das gleiche vor sich hinmurmelten oder verzückt einander zuschrien.
Nicht alle Teilnehmer verfielen dieser ziemlich banalen Haltung.
Es gab da einige Herren, die sich kritisch äußerten - ja, auch ein wenig herablassend, die - wie Petrus - das Getue als bloßes Zungenreden abqualifizierten; als ein formales, auswendiges Daherleiern eines vorgegebenen Textes; als einen Gebrauch des Wortes in seiner äußerlichen, oberflächlichen Abstraktheit.
Petrus und seine Kollegen hatten gut reden. Waren sie doch in ihrer Besserwisserei legitimiert durch ihre Zeugenschaft am Schicksal des Urhebers.
Sie kannten gleichsam seine Produktionsgeheimnisse. Sie wußten, wie man eine ernsthafte Aussage - eine Botschaft - produziert.
Sie mußten nicht annehmen, daß Botschaften etwas Vom-Himmel-Gefallenes seien.
Sie konnten die Frage beantworten, woher der Autor seinen Text nimmt.
Und Petrus ließ das durchblicken, als er - der Selbsttäuschung seiner Kundschaft überdrüssig - die erste Pfingstpredigt gegen das Zungenreden - recht professoral und geistesheroisch - hielt.
Während dieses Teils seiner Ausführung bewegt sich der Philosoph mit einem grauen Bühnenmodellkästchen vor der ersten Reihe seiner Zuhörer auf und ab, um am Modell jene Erscheinung vorzuführen, die er als das Pfingstereignis bespricht.
Die Demonstration sollte nach Möglichkeit verlaufen wie die eines physikalischen Experimentes in der Schulklasse.
Bei den entsprechenden Stichworten läßt ein zweiter Helfer über den Prospekthimmel Spielzeugflugzeuge brummen, die als Schleppfahne hinter sich Kernsätze des Philosophen-Vortrages wie "Woher nimmt der Autor seinen Text?" herziehen.
Ist der Himmel abgekurvt, verteilt der Helfer die Satzzettel an das Publikum, so daß die Umstehenden bald eine Reihe von Basistexten in den Taschen haben.
Der Philosoph fährt fort, diesmal sich mehr der reservierten, leicht arrogant wirkenden Haltung des jüngeren BROCK - zur Zeit der Entwicklung seiner Philosophie des JA - angleichend:
DER PHILOSOPH Unter der Voraussetzung, daß mehr oder weniger alle historischen Formen der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und sich selbst das gleiche Schicksal zu haben scheinen, ist es für uns jammernde Kunstfans lehrreich zu beobachten, wie die Glaubensbrüder von einst mit der Situation der Verlassenheit und der Abgeschnittenheit vom Ursprung fertig geworden sind.
Es kann mit Grund vermutet werden, daß die Künste als eine Form der Daseinsäußerung von Menschen kaum andere Lösungen werden anbieten können als die Religionen. Das historische Schicksal der Religionen scheint besiegelt zu sein.
Vom Ende der Kunst wird schon gemunkelt. Wer jetzt aufpaßt, hat bessere Überlebenschancen.
Dennoch soll nicht behauptet werden, die historischen Gestalten der Künste ließen sich in Analogie zu denen der Religionen erkennen.
Wir sind nicht auf die Wiederholung eines Gleichen angewiesen, aber ein Beispiel wird gegeben.
Pfingsten und seine Folgen als Beispiel für uns und unsere Folgenlosigkeit, wenn wir es nicht doch noch schaffen, die Zungenredner, die Nachplapperer auflaufen zu lassen; wenn es uns nicht doch noch gelingt, Petrus vom Propheten zum Professor zu befördern; d.h. wenn es uns nicht gelingt, das gegenwärtige bloß formale, das rituelle und desorientierte Zungenreden in inhaltliches Sprechen - in das Produzieren von Sinn - zu überführen.
Das Jammern um den verlorenen Sinn wie das nachgerade besinnungslose Wiederholen einstmaliger Botschaften, die beide ihre gläubigen Gemeinschaften, die ihr Publikum finden, müssen erkrümelt werden.
Das ist nicht leicht, da diese Gemeinden mächtig sind in der Unermüdlichkeit ihrer falschen Hoffnungen.
Immerhin ist solches permanentes Erlösungsverlangen eine Leistung der Gemeinde, mit der man - wie das Beispiel der Kirche zeigt - Jahrhunderte überdauern kann. Doch werden so - wie wir alle aus der Geschichte der Flagellantenbewegung; dem Pietismus; aus dem Mitspielen; aus dem Happening; aus der do-it-yourself-Bewegung wissen - die fehlenden Texte nicht ersetzt; das authentische Material nicht nachgeliefert.
Texte, die das Publikum liefert, sind nur Wiederholungen, die mit operettenhafter Zeitlosigkeit ausgestattet werden, damit ihre jeweils aktuelle Dürftigkeit weniger desillusionierend wirkt.
Wie fragwürdig solche Autorenschaft des Publikums geworden ist, zeigt seine Äußerungsform. Es kennt nur Klatschen und Pfeifen, bewußtlose Hingabe und gleichermaßen bewußtlose Zerstörung.
Daß man auf die Gemeinde nicht zählen kann; daß das Volk sich selbst nichts zumuten darf, gilt um so nachdrücklicher, als mit den Kirchen auch jene Gemeinden im bekannten Schicksal untergingen, die sich nicht aus dem legitimierten, was als ursprünglicher Text und Zeugnis vorlag, sondern auch jene, die aus der Erwartung auf etwas Neues lebten; auf das ganz Andere; auf das, worauf man endlich hinaus will.
Die Gemeinden unter der Fuchtel des offenbarten Heils zerfielen wie die; die dem Stern kommender Erlösung folgten.
Daraus läßt sich auf die gegenwärtige Situation einiges schließen.
Wenn nämlich Gemeinschaftsbildung in erster Linie aus dem rituell praktizierten, rein formal ausgebildeten Zusammenhang der Einzelnen besteht, dürfte die Kunst nur so lange ein Publikum haben, als sie Anlaß zum Vollzug der gemeinschaftsbezeichnenden Begründungen schafft.
Wer der Ritualisierung des Verhaltens eines Publikums erfolgreich widerspricht, hat sein Publikum verloren.
In diesem Augenblick verliert der Philosoph beiläufig seinen aufgeklebten Bart, wodurch bereits angedeutet wird, daß sich der Philosoph bis zum Ende seines Vortrages sukzessiv durch Ablegen und Umwandeln einiger Stücke seines Kostüms in einen sehr normal gekleideten, wohlgestalteten, intelligent aussehenden Mann mittleren Alters transformiert, dem man auf den ersten Blick ansieht, daß er sich in der Geschichte nicht aufhält, um in die Anschaulichkeit des Vergangenen zu fliehen; daß er den Gedanken nicht vorgibt, um der Anforderung praktischer Notwendigkeit zu entgehen.
Für die Wiederaufführung dieses Stückes gilt, daß der Philosoph hier wie allgemein nur von einer überaus eindrucksvollen - ja, titelbild-markanten und sexuell attraktiven Persönlichkeit dargestellt werden darf.
DER PHILOSOPH Professor Petrus' erstes Fazit lautet: der Autor hat sich definitiv verabschiedet; neue Botschaften sind nicht zu erwarten; weder vom aufgeblasenen Ersatzautor noch von als Original ausgegebenen Fälschungen oder unterschobenen Textvarianten.
Das Publikum kommt als Neuschöpfer ebenfalls nicht in Frage; es kann bestenfalls gegenüber den schon bekannten Verheißungen neue Erwartungen formulieren.
Mit schöner Konsequenz kann sich Petrus demnach sich selbst und seinesgleichen als potentiellen Problemlösern zuwenden.
In der Tat: sie sind ausgezeichnet als Angehörige des ersten Mitarbeiterstabes des Urhebers, denen zwar die Legitimation durch genetische Abkommenschaft fehlt, die jedoch den Urheber per rechtskräftigem Testament beerben.
Sie verwalten die Hinterlassenschaft im Sinne des Erblassers. Sie legen den rechten Sinn fest.
Wer die Festlegung der Rechtmäßigkeit des Gebrauchs urheberrechtlich geschützter Worte für sich reklamieren kann, hat Macht sowohl über Worte wie über die, die sie gebrauchen.
Die Macht: die Macht des Vermittelns. Der Vermittler wird sich seinerseits nicht mit dem Urheber gleichsetzen oder sich an seine Stelle setzen wollen, da er aus der definitiven Festlegung der Unwiederholbarkeit der urheberrechtlichen Produkte die Wahrheit der von ihm verwalteten und vermittelten Aussagen herleitet.
Er gewinnt sogar größere Macht als der Urheber durch die Tatsache, daß er nach beiden Seiten - dem Urheber und der Gemeinde; dem Produzenten und dem Rezipienten - verbindlich ist.
Allerdings setzt diese Ableitung der Bedeutung des Vermittelns einen Sinnbegriff voraus, der nicht mehr zeitgemäß ist.
Der Philosoph baut auf seinem Wagen ein Anschauungsmodell der Beziehung zwischen Sender - Medium - Empfänger; Produzenten - Markt - Verbraucher; Götter - Kirche - Gemeinde; Künstler - Kritiker - Publikum auf.
Er demonstriert die nachfolgenden Sätze im jeweiligen Beispielsbereich durch Verschieben von Klötzen, Bananen, Menschen, Texten und gestisch-mimischen Ausdruck auf Fotografien.
Der Philosoph steht am einen Ende seiner Bühnenlandschaft - ein Helfer am anderen - beide telefonieren, so daß die umstehenden Leute die Differenz zwischen der ins Telefon gegebenen Aussage des Senders und der Wiederholung der Botschaft durch den Empfänger gewärtig werden.
Muster: Studenten sitzen - Enten flitzen.
DER PHILOSOPH In diesem Modell des Zusammenhangs zwischen Sender und Empfänger; Produzent und Konsument; Gott und Gemeinde; Kunst und Publikum wird das Medium, die Kritik, der Markt zur materiellen und substantiellen Form der Beziehung. Soweit durch die Vermittlung garantiert wird, daß die Botschaft beim Empfänger, das Produkt beim Konsumenten, die Kunst beim Publikum ankommt, und zwar als identische - wie es diese Auffassung des Prozesses uns glauben machen will.
Daher, um die Identität von Botschaft und Empfang zu garantieren, wird die Vermittlung als unparteiische Schiedstelle - als bloß äußerlicher Transport - als objektives Urteil ausgegeben.
Wir wissen's inzwischen besser aus zweierlei Gründen:
Erstens: das Urteil ist durchaus auch subjektiv; das Medium beeinflußt die Botschaft; der Markt macht das Produkt.
Daran schließt zweitens, daß - wie gesagt - der Urheber gar nicht mehr tätig ist; Neues kaum noch gefunden werden kann; der Genius - der Künstler - erschöpft zu sein scheint; von tätigen Göttern sieht man kaum noch etwas; die unendliche Natur ist auf ihre Endlichkeit hin festgelegt.
Viele haben den Versuch unternommen, aus dieser Situation herauszukommen, indem sie die Priester als überflüssig zur Seite schoben; zivilisatorische Vermitteltheit durch 'Zurück-zur-Natur‘-Rufe, durch Waldleben und Rohkostessen ersetzen wollten; indem sie Kritiker als Manipulateure entlarvten und den direkten Kurzschluß von Künstler und Publikum, Konsument und Produzent erzwingen wollten mit dem lutherischen Trotzwort: "Jeder sein eigener Autor, jeder gleich unmittelbar zu Gott."
Doch führt aus dem Vermittlungszusammenhang nicht nur de facto kein Weg hinaus; auch in unseren Wünschen dürfen wir uns nicht aus ihnen hinauskatapultieren lassen.
Daß Vermittlung sich institutionell verselbständigt; daß eben der Kunstmarkt als Vermittlungszusammenhang die Wahrheit des Werkes ausmacht; daß eben die Vermittlungsinstanz Kirche die Wahrheit der Offenbarung feststellt, bedeutet nicht, daß der Zusammenhang nicht verändert werden kann.
Der Einspruch von Petrus gegen die formale Identität der Aussagen - gegen die euphorische Gleichheit im Verstehen der pfingstlichen Zungenredner - weist darauf hin.
Die christlichen Religionen haben das von Petrus Konstatierte nicht hinreichend berücksichtigt: nämlich die Veränderung des Vermittlungszusammenhanges durch seine Erweiterung.
Das Elend des Immer-Gleichen in der Wirklichkeit und in der Vorstellung; im Gegebenen und in der Hoffnung ist wesentlich das Elend der aufgezwungenen Identität; das Elend der Gleichheit mit sich selbst; das Elend der Bedingtheit durch Bedingungslosigkeit.
Petrus' Hinweis geht auf Nicht-Identität - auf wenigstens erzwungene Differenz; auf Offenheit und Unbegründetheit; auf Abweichung; auf Bedingtheit; auf Zeitlichkeit; auf Widerrufbarkeit.
Ihm liegt nicht an peinlicher Unterwerfung unter den normalen vorgegebenen Text; nicht an seiner bloß immer erneuten Auslegung, sondern an einer immer erneuten Hervorbringung der Botschaft - ein Konstituieren von Sinn.
Dies sollte die kerygmatische Funktion des Vermittlungszusammenhangs genannt werden; die kerygmatische Funktion von Kritik und Kirche; Wissenschaft und Markt, die wiederum Erkennen ihrer Bedingtheit - Voraussetzung jedes Beginns einer Aufhebung von zwanghafter Willkür - bedeutet.
In den Künsten und Religionen des Typs identischen Sprechens, und damit der Notwendigkeit von Verstehen, ist eine definitive Intention angenommen, weshalb Glaube und Begeisterung lange Zeit optimale Formen des Verstehens gewesen sind.
Wer sich auf nicht-identisches Sprechen, auf die notwendige Differenz von Botschaft und ihrer Rezeption einläßt, wird ...
Der Philosoph gehorcht an dieser Stelle den Bedingungen seiner Aussage und ermöglicht den Zuhörern die Entwicklung einer von seinen Gedanken abweichenden Konsequenz des angefangenen Satzes, worin sich ausdrückt, daß er seinerseits nicht als Prophet, sondern als Professor in der Nachfolge Petri auf dem Markte erschienen ist.
Er hinterläßt die ausgelegten Rasenstücke unter den Füßen und Hintern des umstehenden und sitzenden Publikums und entfernt sich kraftvoll und gelöst, seinen Landschaftswagen hinter sich herziehend, zu einer ihn bereits freudig erwartenden Zuhörerschaft.
Es ist 13.15 Uhr - die Kinos beginnen mit ihrer ersten Vorstellung des Tages.