Ich bin nur zu geringen Sublimierungen fähig. Die Regulierung meines Triebhaushalts geschieht zu einem großen Teil durch direkte Triebbefriedigung. Ich bin ein wenig erwachsener Mensch. Bei so geringer Sublimierungsleistung sind natürlich auch nur wenige aus der Sublimierung gewonnene Bestimmungsformen meines Tuns zu erwarten, die vom Prozeß des Lebens abspaltbar wären.
Frühzeitig habe ich mich auf die Verlaufsformen der Triebbefriedigung konzentriert, vor allem dort, wo sie denen der Sublimierung sehr ähnlich waren, dort, wo diese direkteren Formen der Befriedigung simuliert wurden, gespielt wurden. In der Tat kann es ja heute eine Kunst nennen, noch direktere Triebbefriedigung durchsetzen zu können. Insofern ist eine der höchsten Sublimierungsleistungen, die Kunst, doch auch als direkte Befriedigung beschreibbar.
Ob das wohl stimmt?
Ich will etwas anderes sagen. Es gelingt mir nicht überzeugend, meine Handlungen auszurichten auf ein Ziel, wenn zur Erreichung dieses Ziels längere Zeit, etwa mehr als drei Tage verwandt werden müssen. Denn dann verliere ich die Motivation für solches Handeln – die Triebbefriedigung hat nämlich schon auf andere Weise erfolgen können.
Was in dieser Möglichkeit nicht aufgeht, unterwerfe ich anderen nachträglichen Erklärungen. Diese Rationalisierung sieht so aus: da im Bereich der ästhetischen Praxis der Vorgriff auf die befreite Gesellschaft besonders gut möglich ist, läßt sich gerade in diesem Bereich nur sehr schwer die Einhaltung der Geltung des Unfreien, Unwahren, Scheinhaften garantieren. Die Unterwerfung unter den notwendigen Anspruch des notwendigen Falschen gelingt nur zeitweise. Bei mir eben nur etwa drei Tage hintereinander. Durch die Einsicht ins Mögliche läßt sich die Gegenideologie gewinnen: es sei menschenunwürdig, heute noch länger als drei Tage sich dem Schein zu unterwerfen und für mehr als diese Zeit ununterbrochen durch die eigene Handlungsweise die allgemein gesellschaftlichen nachzubilden oder zu repräsentieren.
Deshalb mache ich keine Arbeit, die mich mehr als drei Tage hintereinander in Anspruch nimmt. Ich versuche dann immer noch, dem Anspruch der gesellschaftlichen Realität auf Nachbildung in meiner Arbeit zu entgehen: ich arbeite schludrig, ich korrigiere nicht, mache keine Veränderungen, wo sie in Analogie zur allgemeinen Gesellschaftspraxis angebracht wären. Durch dieses Verfahren haben alle meinen notwendigen Arbeiten deutliche Spuren der Mühsal, die ihr Produzent auf sich nehmen mußte. Der Widerstand gegen diese Arbeiten ist ihnen anzusehen. Man kann sich über ihren Charakter als erzwungene nicht täuschen. Sie sind stillos, kunstlos, denn Stil oder materiale Wohlgestimmtheit und Ordnung wären Täuschung und Verbrechen. Auch die Tatsache daß ich z.B. kein Manuskript mit Durchschlag herstelle, erkläre ich mir in diesem Zusammenhang. Ich möchte wahrscheinlich vermeiden, kontrollierbar und festlegbar zu werden, wenn ich die Rationalisierung durchschaue.
Vielleicht ist das aber alles nur eine Folge, unzureichend gegen mich ausgeübten sozialen Drucks, vielleicht lebe ich als Privilegierter sozial unterbestimmt? Auf mich läßt sich ja nicht einmal die Bestimmung ‚verheiratet‘ oder ‚Vater‘ oder die eines Berufs anwenden. Oder aber ich leide an allzu schlechtem Gedächtnis. Dann läßt sich konstatieren: Kreativität ist eine Funktion des schlechten Gedächtnisses.