“Manifest” gegen den Avantgardismus
Es gibt wohl inmitten der Langeweile wenig Langweiligeres, als die krampfhafte Bemühung fortschrittlicher Kreise um den verharmlosten und salonfähig zurechtgestutzten Avantgardismus. Neben den Ahnungslosen rasen die Ewig-Verspäteten von Vernissage zu Konzert und bedienen sich aller Hilfsmittel zur Beseitigung der Verdauungsbeschwerden beim vorsichtigen Geniessen der «modernen Kunst». Brave Staatsangestellte mühen sich mit Filmclubs ab, unscheinbare Wesen mit gutem Leumund stellen in ihre geschmacklose Wohnung modernistische Möbel und verfechten die «gute Form», die Möbelindustrie führt neben der bisherigen Massenware «avantgardistische» Banalitäten ein, Warenhäuser lassen ihre Schaufenster von arrivierten Avantgardisten «gestalten» und feiern die Langeweile und den Alltag als unbekannte Gegenwart, Zahnärzte aus guten Familien veranstalten literarische Teekränzchen und sammeln Ultramodernes, enttäuschte Frauen und Intellektuelle schwingen mit Becketts Bühnenmachinationen eifrig mit.
Die wilde Jagd nach Modernem und Neuem steht dicht neben der radikalen Ablehnung jedes neuen Versuchs. Fast reichen sich die Konservativen und Avantgardisten die Hand im grossen Ausverkauf, sie vertreiben sich die Zeit, jeder auf seine Art, mit Kunst und Künstlern. Der Avantgardist von heute weiss über alles Bescheid, d.h. er hat einen Slogan für alles bei der Hand und liess sich übrigens schon längst von wohl informierter Seite im voraus instruieren, was als Avantgardismus gilt und was nicht.
Erst wenige haben gemerkt, dass mit einem einzigen Relief von Arp der Lebensstil, und das Leben überhaupt, nicht zu ersetzen ist; ein kurzes Tonband von Schwitters verscheucht die Öde des Hauses nicht; ein Max Ernst ist eben doch keine gewöhnliche Wanddekoration; mit Beckett - der Leere selbst - kann man die Leere nicht ausfüllen; ein Möbelstück von Mies van der Rohe inmitten von Ramsch im modernistisch verbauten Haus steht auf verlorenem Posten trotz einer reichen Bibliothek über Bau- und Wohnkultur. Als oberster Leitsatz, an dessen Richtigkeit zu zweifeln als Todsünde gilt, steht: alle Menschen benötigen die moderne Kunst, bzw. die Kunst überhaupt; sie wissen es vielleicht selbst nicht immer, aber sie benötigen sie, mehr als Brot und Bett. Wir aber wagen es, allem Avantgardismus zum Trotz zu behaupten: sie benötigen sie nicht! Wenigstens nicht, so lange der heilige Staat, die heilige "klassenlose Gesellschaft" und der heilige Handel sie als Aushängeschild und kostspieliges Genussmittel benötigen.
Wir distanzieren uns von jeglichen restaurativen Tendenzen, sagen aber den Kampf der avantgardistischen Stagnation an.
Der heutige Avantgardismus ist mit seinem verstaubten Fortschrittsglauben an die Gegenwart gefesselt.
WIR BESCHRÄNKEN UNSERE INTERESSEN AUF DIE ZUKUNFT!
PAN DERMA Basel 1958 März
Carl Laszlo. Yvonne Escher. René Mächler. Onorlo Mansutti. Fritz Billeter. Alexander Herz. Christopber Schmidt. Rolf Fenkart. Robert Phillips. Elio Lurati. Paul Vogel. René Scherrer. Kaspar Sulzbachner. Bruno D. Paresseux. Helmuth Mahrer. Peler Rippstein. Louis Mermet. Dieter Lahme. Bruno Spoerri. Charles Estienne. Edmund Alleyn. Bazon Phoenix Phlebas Brock. K.R.B. Sonderborg. Nina Mayo. Barney Wilen. Kolos-Vary. Victor Brauner. Nicolas Bataille. Pierre Gripari. Alain Glass. Jobannes Teufel, Jacqueline de Jong. Gamil Ratib. Silvano Lora. Christiane Sellheim. Dieter Volkmann. Manfred A. Knorr. Klaus M. Barlach. Edouard Roditi.