Zeitung Frankfurter Rundschau

Kolumne „Bruderküsse“

Frankfurter Rundschau, Bild: Bruderküsse.
Frankfurter Rundschau, Bild: Bruderküsse.

Erschienen
24.09.1994

Erscheinungsort
Frankfurt am Main, Deutschland

Issue
24.09.1994

Alles Banane?

Sein Motto: "Wer in der Öffentlichkeit Kegel schiebt, muß sich nachzählen lassen, wieviel er getroffen hat."
Voll daneben. Denn zu seinem 60. Geburtstag ließ er in seinem Amte einen Staatsakt zelebrieren, wie er bisher nur für Bonzen und Despoten des roten Ostens möglich war. Über diese Herren konnten wir uns nicht genug ereifern, ihre Schamlosigkeit und Unverfrorenheit nahmen wir mit Zyne und Häme. Jetzt aber sollten und wollten sich der Bundeskanzler, Ministerpräsidenten und weitere Spitzen von Staat und Gesellschaft zu einer ZDF-Feiergemeinschaft einfinden, um dem "Philosophen, Humanisten, Visionär, Treuhänder, Historiker und Steuermann zu huldigen" (es ist Wahlzeit!).
Was in aller Welt hat ein Datum der privaten Biographie eines ZDF-Intendanten mit dessen Amt zu tun? Wodurch rechtfertigt sich für einen privaten Anlaß die Verschwendung von Rundfunk- und Fernsehgebühren? Wieso findet es der staatstragende Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats angebracht, kraft seines Amtes in den erwartungsgemäß peinlichen Jubelchor mit orchestraler Begleitung einzustimmen?
Nun bekennt der Gefeierte als seinen größten Fehler übertriebene Genauigkeit. Also wollen auch wir nicht pingelig sein, erst recht nicht, wenn uns ein großer Kunstfreund vormachte, wie man heute einen Geburtstag feiert, um sich bei denen zu bedanken, die ihm wert und teuer sind. Auch ist nichts dagegen einzuwenden, daß Staat und Gesellschaft zur Inauguration oder zum Abschied eines Amtsträgers bekunden, wie wichtig das Amt, wie hoch die Maßstäbe seiner Führung gesetzt wurden. Wenn man von jemandem sagen kann, er werde diesen Maßstäben genügen, ja, er habe ihnen tatsächlich in seiner Amtszeit entsprochen, dann ist das höchste Ehrung, wie sie eine Demokratie überhaupt nur zu verleihen hat.
Hier ging es aber nicht um einen glanzvollen privaten Festakt, sondern um neofeudalistisches Gepränge im Berlusconi-Zeitalter. Da tröstet es nicht, daß wir bei den ZDF-Abendnachrichten aus der ersten Reihe auf dieses bedeutende historische Ereignis schauen durften, um es durch millionenfachen Nickblick zu sanktionieren. Denn die Jubelvorlage wurde gründlich versaut durch die Mitteilung, nun dürften auch in Haiti die "Besitzer" öffentlicher Ämter straffrei behaupten, ihre privaten Interessen hätten denen des Staates entsprochen; statt Strafverfolgung für Machtgebaren, Ehrung als anerkannte Verhandlungspartner, die bloß treuhänderisch ihres Amtes gewalteten.
Hatte nicht Brüssel den Preis fur Bananen erhöht, um aus gegebenem Anlaß den Begriff der Bananenrepublik aufzuwerten? Denn Bananenrepubliken gibt es offensichtlich auf jedem Niveau. Den Preis zahlen die Reisenden.