Gott mit uns
Zur Erinnerung an die frühesten Denkanstrengungen, die uns als Kinder zugemutet wurden, gehören die Pfarrer und Priester, die bei allen Kriegführenden die Waffen segneten und mit sonorem Amtspathos den Soldaten versicherten, Gott sei mit ihnen. Wie sollte das gehen, fragten wir uns, daß der eine Gott sich an allen Fronten gleichermaßen einmischen sollte, um den Sieg der Seinen zu ermöglichen, wenn doch auf beiden Seiten seine Gläubigen miteinander kämpften?
Der Jesuitenzögling Dr. Goebbels schien einen Ausweg zu bieten, indem er behauptete, die Verlierer hätten eben nicht hinreichend fanatisch geglaubt; der Krieg sei die Prüfung der wahren Glaubensstärke.
Nun hatten wir aber gelernt, der christliche Gott kümmere sich besonders um die armen, schwachen und in Not geratenen Verlierer; denn sie hätten den Glauben am nötigsten. Und so saßen wir dann nach dem Kriege andächtig auf den Kirchenbänken, um seiner Hilfe teilhaftig zu werden, während die Sieger in ihren Gottesdiensten ihm für den strahlenden Sieg über die bösen Feinde aus tiefstem Herzen dankten.
Im Konfirmandenunterricht druckste unser Pastor herum: eines sei der Glaube, etwas ganz anderes die Kirche als weltliche Institution wie die Regierung, das Parlament und die Gerichte. Es sei ein Zeichen von Unaufgeklärtheit, wenn die Kirche politisch, militärisch und wissenschaftlich mit Glaubensvorschriften interveniere. Die Kirche sei als Hort des Glaubens eine geschichtliche Erscheinung, und diese Geschichte sei nun vergangen.
Für diese Haltung unseres Pastors zahlte ich bis heute meine Kirchensteuer erklärtermaßen als eine Geschichtssteuer, mit der die Zeugnisse jener überwundenen Phasen unserer Kulturgeschichte erhalten werden sollten. Die Kirche müßte musealisiert werden, damit sie nicht wieder im Namen heiligster Überzeugungen Unheil befördere, wie wir es erlebt hatten.
Das hat wohl nicht geklappt, denn der Herr Papst und die protestantischen Fundamentalisten mit ihren Fernsehkirchen mischen sich in die weltlichen Angelegenheiten mit Fanatismus und unbarmherziger Radikalität ein, als lebten wir wieder in jenem Mittelalter der Glaubenskriege, die, wie gesagt, schon jeder kindlichen Vernunft Hohn sprechen.
Die Perversion Waffen segnender, Paradies versprechender Kirchenmänner blüht an allen Fronten. Der Papst droht allen mit dem Bannstrahl, die auch nur Verhütungsmittel anwenden, um die "Bombe" des Bevölkerungswachstums doch noch zu entschärfen. In schöner Einmütigkeit versuchen Kirchenführer aller Welt, die Kairoer UN-Bevölkerungskonferenz als teuflische Veranstaltung zu stigmatisieren. Um das Elend der nicht Gezeugten und nicht Geborenen anzuklagen, nehmen sie in Kauf, daß die bereits Lebenden immer elender werden. Gegen diesen Irrsinn zu protestieren, halten sie für eine "Verächtlichmachung religiöser Überzeugungen", die strafrechtlich verfolgt werden müsse.
Wir halten dagegen, daß solche Überzeugungen eine Verachtung jeglicher menschlicher Vernunft und Verantwortlichkeit darstellen. Die in Kairo zu verhandelnden Einschränkungen des Bevölkerungswachstums als das "furchtbarste Massaker der Geschichte" auszugeben, läßt erkennen, was diese Kirchenführer von der Geschichte mitbekommen haben - verständlicherweise, denn sonst hätten sie ihre eigene Beteiligung an den kriegerischen Kulturmissionen als Förderung eben solcher Massaker erkennen müssen.
Angesichts der jetzt demonstrierten kirchlichen Logik der Vernichtung will sich mir die Argumentation eines Reaganschen Innenministers für atomare Aufrüstung geradezu als intellektuelle Aufrichtigkeit aufdrängen. Er meinte, wir müßten doch als gläubige Christen für eine möglichst baldige Apokalypse eintreten, für das Jüngste Gericht, damit die versprochene Wiederkehr Christi nicht endlos hinausgezögert werde.
Quod erat demonstrandum. Diesen grandiosen Beweis wahrer Glaubensstärke wollen die Brüder in Christi jetzt endgültig antreten. Aber wenn der Wahnsinn auch kirchenamtlich ist, muß man ihm ja nicht auch noch Tribut zahlen. Ich trete aus dem Verein der Apokalyptiker aus.