Buch Achim Duchow. Arbeiten für Arme

= Kunst Spiegel 5/93

Publikation anlässlich der Ausstellung im Kunstverein Lippstadt, 16.5.-27.6.1993. Mit je einem Text von Bazon Brock und Tayfun Belgin sowie zahlreichen, teils ganzseitigen Abbildungen.

Erschienen
01.01.1993

Verlag
Art Publishing

Erscheinungsort
Dublin

Seite 1 im Original

Selig sind die Armen, denn ihrer ist das Reich der Kunst

Wir unterscheiden gut biblisch die Armen im Geiste und die Armen an Hab und Gut. Erstere sind selig, weil naiv-heiteren Gemüts, ohne ständig zersetzend zu kritisieren, nörglerisch alles besser zu wissen und angstvoll mit der Zukunft zu spekulieren. Diese Armen lieben einfach die Kunst und verehren sie reinen Glaubens.

Die Kontoarmen hingegen würden sich nur zu gerne an der Spekulation beteiligen (steigender Wertzuwachs der Meisterwerke!). Aber stattdessen nörgeln sie, dem zeitgenössischen Künstler fiele nichts mehr ein und kritisieren, Kunst sei nur noch marktgängiges Geschäft. Denn mit dieser Maulerei halten sich alle die schadlos, die sich keine Kunst im Privatbesitz leisten können: Kunstkritiker allen voran. Nur wer Bilder für sich kauft, ist davor gefeit, den Marktsumpf der Kunstmafia lauthals zu verbellen. Wer kauft, braucht keine Argumente und ist niemandem Rechenschaft schuldig, warum er irgendein Werkchen gut oder schlecht findet. Im Umkehrschluß ließe sich vermuten, daß die geistig Armen, da sie nicht gegen die Kunst polemisieren, Privatbesitzer von Kunstwerken seien. Sie sind selig, weil ihres das Reich der Kunst ist.

Gegenwärtig werden von allen Seiten Vorschläge gemacht, wie die Stagnation der Kunstentwicklung aufzuhalten sei. Diese Förderung müßte aber ihrerseits schon als künstlerische Aktion in Erscheinung treten, so wie die Förderung der Bauern bereits Ausdruck der Bauernschläue ist: Man läßt sich für die Stillegung von Ackerfläche bezahlen und nennt dieses Brachliegenlassen Landschaftspflege.

Analog zu diesem EG-weit erfolgreichen Rezept legt Achim Duchow künstlerisches Innovationspotential brach und erkennt darin die Förderung der Geisteslandschaft. Wie das? Mit seinen Picassos, Lichtensteins, Picabias und Polkes für Arme ermöglicht er die aktive Beteiligung aller an der Aneignung von großer Kunst unseres Jahrhunderts - und zwar von originalen Einzelwerken höchster malerischer Qualität und von konzeptueller Brülljanz. Sein Beitrag zur seligmachenden Ehrlichkeit von angeblichen Kunstkennern und Liebhabern ist enorm; denn normalerweise loben diese Leute Kunstwerke so lange in höchsten Tönen, wie sie ihr Urteil nicht durch große finanzielle Opfer für den Ankauf beglaubigen müssen. Duchows Meisterwerke für Arme zerstören die wohlfeile Ausrede, man sei leider zu arm, um sich diese künstlerischen Offenbarungen an die eigene Wand hängen zu können.

Vor Duchows Werk sind alle Kunstliebhaber gleich, die armen und die reichen, mit großen oder kleinen Hängeflächen. Im Unterschied zu den Appropriateuren und den Fälschern, die Gutes und Teures aus fremdem Pinsel bieten, gibt es bei Duchow Besseres als die Meister selbst zu erkennen vermochten (Duchow ist polkesker und picabiesker als Polke und Picabia selbst.). Statt eines Oeuvres entwickelt er gleich ein Dutzend, statt einzelner Werke malt er gleich die Kunstgeschichte. Die ist, wie wir alle wissen, ohnehin nur Fiktion oder zeitgeistlicher gesagt, eine Simulation. Duchow simuliert die Simulation, während die Fälscher nur das Originäre simulieren. Damit erweist sich Duchow als moderner Aufklärer, der nicht mehr das bißchen eigene Künstlerfett anderen als gestalterische Wahrheit offeriert; oder - wie es Duchows wundervoller Künstlerfreund Bazon Brock formulierte: "Nur das Falsche ist als solches noch wahr." Wahre, große, lebendige Kunst äußert sich darin, ihre eigene Bedeutungslosigkeit, Verlogenheit, Flüchtigkeit und Anerkennungsgeilheit zum Thema zu erheben. - Das aber auf höchstem künstlerischen Niveau, sozusagen auf Duchow´schen Niveau.
"Danke, setzen. Sehr gut!", Heinz Mack, Studienrat.