Was bedeutet es, Europäer zu sein?

Corinne M. Flick im Gespräch mit Bazon Brock über Identität

Auszüge aus den Aussagen von Bazon Brock:

Zur Entwicklung der Identität gehört die Vorstellung, dass man sich als Individuum nur behaupten kann, wenn man diejenigen, von denen man sich absetzen und denen man entgegentreten will, anerkennt.

Das heutige Missverständnis ist: Jeder glaubt, Identität sei die Fähigkeit des Individualismus – “ich und sonst nichts”. Doch Individualität hat nicht, wer sich von anderen absetzt, sondern Individualität und Identität hat, wer die Anderen repräsentieren kann.

Kosmopolit ist, wer möglichst viele Identitätsbehauptungen anderer nachvollziehen und entsprechend als begründet anerkennen kann oder als unbegründet abweisen muss.

In den USA hat man gesagt, dass Einheit durch das Einschmelzen der Verschiedenheit entsteht. Europäer ist man aber nur dann, wenn man andere Kulturgeschichten kennt und in der Behauptung der eigenen Individualität in der Lage ist, die Interessen anderer zu vertreten. Das müssen wir für die europäische Entwicklung wieder einfordern.

Kreativität und Erfindungsreichtum sind nur möglich jenseits der kulturellen Autoritäten. Das können nur die Individuen.

Die Kritik an der Fähigkeit eines Menschen, einen anderen überhaupt angemessen zu repräsentieren, führt zu kategorialen Ausschlüssen, zum Beispiel, dass ein Weißer einen Schwarzen überhaupt nicht verstehen kann. Das ist prinzipiell die Eröffnung des Kulturkampfes als Kulturkrieg.

Auf Basis der zivilisatorischen Errungenschaften, die nicht einer Kultur zugerechnet werden, sondern der Gesamtheit menschlicher Lebensformen – wie Medizin, Verkehrs- und Kommunikationstechnologie und kapitalistische Methoden der Warenvermittlung -, können wir hoffentlich die Möglichkeit der Würdigung der Anderen als anders verwirklichen.

Convoco! Podcast: Was bedeutet es ein Europäer zu sein? Gespräch über Identität

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