Radiobeitrag Deutschlandradio Kultur

Erschienen
29.04.2005

Station
Deutschlandradio Kultur

Sendung
Kulturinterview

Kunst und Kommerz

Ästhetikprofessor Bazon Brock über Public Private Partnerships

Moderation: Dieter Kassel

Die öffentlich-privaten Partnerschaften in der Kulturlandschaft werden immer wichtiger. Wenn die öffentliche Hand zunehmend versage, bleibe den Kultureinrichtungen nichts anderes übrig, als sich einen starken Partner zu suchen, meint Ästhetikprofessor Bazon Brock. Sollte der Konzern oder der Sammler aber über die Politik des Hauses bestimmen wollen, sei die Grenze der Kooperation überschritten.

Kassel: Werden wir bald in Deutschland Museen betreten, an denen außen noch städtisches oder staatliches Museum dransteht, aber drinnen haben wir dann rechts den Daimler-Chrysler-, den VW- und den Deutsche Bank-Flügel und links haben wir den Müller-, Werner Schmidt-Flügel, benannt nach privaten Sammlern?

Brock: Das kann durchaus so gesehen werden, in den Unis ist es ja ähnlich, wir werden bald eine BMW-, eine Mercedes-, eine Volkswagen-Universität haben, zumal die staatlichen Einrichtungen ja schlappmachen, da bleibt denen ja gar nichts anderes übrig, als sich nach Partnern umzusehen, das heißt dann Public Private Partnership, also öffentlich private Partnerschaft. Die Frage ist, ist es wirklich eine Partnerschaft? Die Gegner sagen, die staatlichen Museen garantieren sozusagen mit ihrem alten Qualitätssiegel die Würde oder auch den Marktwert der Sammlungen, die ihnen überlassen werden und davon hat das Museum eigentlich nichts. Das ist wohl ein übliches Argument. Wenn man sieht, dass die eigentliche Richtung heißt, wenn ihr jetzt den Museen helft, dann wird der Staat sagen, ihnen wird ja geholfen, wir müssen es nicht mehr, die öffentliche Hand wird sich immer weiter zurückziehen und so wird das schließlich ein endloser Lauf zum Ende. Das ist wohl das Argument. Gut, diese Befürchtung kann man akzeptierten, das ist vielleicht ein gut gemeintes Argument, aber die Fakten sind nun mal andere.

Kassel: Wo liegen denn tatsächlich die Nachteile, wenn – und darauf läuft es ja konkret hinaus – teilweise private Sammler und Stiftungen die Kunstwerke ja dann auch aus- und zusammenstellen?

Brock: Darauf, dass man ein altes Argument wieder rausholt: öffentliches Geld ist gutes Geld, privates ist anrüchiges, öffentlich bestallte Kunsthistoriker geben akzeptable Urteile ab, an privaten Institutionen tätige Kunsthistoriker würden wohl mogeln oder nach dem Munde ihrer Herren reden, das ist wohl das alte Argument. Es ist natürlich ein Stückchen Anmaßung der Herren aus den staatlichen Regionen, dass sie die eigentlichen Bestimmer seien, ohne sie und ihren Zuspruch könne niemand anderer ehrlich, redlich, wahrheitsverhaftet argumentieren. Da sitzt natürlich jetzt auch das Argument der Befürworter: Warum sollen nicht redliche Kunsthistoriker in privaten Sammlungen ihrem Gewissen genauso folgen wie unredliche staatliche Angestellte, die ja schließlich auch ihre Karriere im Auge haben und ihre Beförderung in die nächste Rangstufe und so weiter.

Kassel: Das klingt, als ob Sie überhaupt kein Problem damit hätten, wenn die Aufgabe, Kunst zu sammeln und auch zu präsentieren, regelrecht in private Hand übergehen würde.

Brock: Das kann man nicht sagen, komplett in private Hand, so etwas sehen wir an den USA, die Firmen haben wirklich lange Traditionen in derartigem Geschäft, aber es kommt ja nicht nur auf das Sammeln, das Bestandsichern an, sondern auch darauf, was man mit dem Bestand macht. Die Museen haben natürlich neben dem Bewahren und Konservieren immer auch die Hauptaufgabe der Erziehung oder Vermittlung, das heißt, sie sollen auf die Bevölkerung, die Zeitgenossen einwirken in allgemein erzieherischer Hinsicht in der Schärfung des sozialpolitischen Gewissens, aber vor allen Dingen in der Entwicklung von Qualitätsgefühl. Das hat eine lange Tradition. In Deutschland, im deutschsprachigen Raum, konnte man nur die damals weit überlegene englische und französische Konkurrenz der industriellen Anbieter schlagen, weil der österreichische Kaiser zum Beispiel auf die Idee kam, zu sagen, wir entwickeln das Publikum zu einem so geschmackvoll urteilenden Partner, dass es immer höhere Anforderungen an die Produkte stellen wird, dann wird die Industrie immer bessere Produkte schaffen und durch diese werden wir die Engländer und Franzosen schlagen. So ist es auch tatsächlich gekommen. Seither weiß man, wie wichtig es ist, das Publikum ästhetisch zu bilden und erziehen, das hat große Auswirkung auf den Alltag, auf die Wahl von Design bei Autos oder Architekturen, auf die Innenräume, die Mode, Kochkunst, sozusagen auf alles. Und da beginnt dann, die Sache wirklich interessant zu werden. Glaubt man, dass Privatiers das Publikum verbilden werden, in die falsche Richtung lenken, vielleicht wie beim Unterhaltungsfernsehen oder neuerdings Unterschichtenfernsehen genannt, in eine Richtung, die dann das allgemeine Niveau absenkt oder glaubt man, dass es auch in diesem Bereich der Privaten durchaus eine langsame Steigerung des Qualitätsbewusstseins geben kann und damit eben auch eine Steigerung des Produktniveaus. Das ist die Kernfrage.

Kassel: Lassen Sie uns bei der Frage bleiben, welchen Einfluss die Leute, ob es nun private Sammler oder Stiftungen sind, auf die Kunst haben, die sie kaufen, bleiben wir bei dem Beispiel von gestern, diese Schenkung der BMW-Gruppe an das Museum der Bildenden Künste in Leipzig. Das ist sicherlich wertvolle Kunst, da sind bekannte Fotokünstler dabei, nur die Sammlung heißt ja nicht zufällig Autowerke, das waren regelrecht Auftragswerke, da ist den Künstlern gesagt worden, wir brauchen etwas, was zu BMW passt. Ist das nicht die Gefahr, dass immer mehr Auftragskunst produziert wird?

Brock: Sicherlich, aber das erledigt sich von alleine, denn wenn Sie nun von Produktionszweig zu Produktionszweig die Aufträge vergeben und zum Beispiel die Stecknadelhersteller Künstler beauftragen, Stecknadeln darzustellen und die Leute, die eben Kunstdünger herstellen, lassen die Segnungen des Kunstdüngers darstellen, dann wird die Sache bald nicht mehr so attraktiv sein. Das wissen die Produzenten auch, dass sie so nicht vorgehen können. Die Crux liegt wahrscheinlich doch in der Frage, worauf die Aufmerksamkeit des Publikums gelenkt wird. Wir wissen heute, dass die Menschen ins Museum gehen und zwar mehr Menschen ins Museum als in die Fußballstadien oder sonstige Sportveranstaltungseinrichtungen und das nun schon seit 30 Jahren, weil sie in diesem Bereich einer allgemeinen res publica, also einem öffentlich geschuldeten Interesse begegnen, nämlich den großen Vorstellungen der Menschheit von den göttlichen oder auch menschlichen Letztbegründungen für das Leben, den Sinn, die Weltbilder und dergleichen mehr. Und da konnte natürlich auch im staatlichen Auftrag wahnsinniger Humbug getrieben werden, wie wir etwa im dritten Reich oder in sowjetischen Einflussperioden, wo nun die ganzen ideologischen Lügengebäude gerade von den öffentlich bestallten Museen ausgingen. Wie man es auch betrachtet, es ist immer ein Balanceakt und man hat am Ende etwas jeweils Positives und Negatives, was man ernstnehmen muss, aber das kennzeichnet ja eigentlich eine wirkliche Partnerschaft.

Kassel: Aber besteht nicht auch die Gefahr, mache haben sie ja gesehen beim jüngsten Beispiel, auf das ich jetzt kommen möchte, dass große Ausstellungen auch ein purer Teil der Eventkultur werden – ich sage gleich dazu, das muss nicht schlimm sein, kann aber, wenn es nur noch das ist. Alle haben sich gefreut, über die unglaubliche Resonanz, die die Ausstellung mit Werken aus dem Museum Of Modern Art in Berlin hatte, aber war das nun wirklich ein Kunsterlebnis, fragen sich manche, das die Leute da hatten, als sie in der Schlange standen oder war das einfach nur das Event, man muss es gesehen haben? Ist das nicht ein Problem, neigen nicht Stiftungen, gerade private Sammler dazu, doch auch sehr ausgewählte Sensationen haben zu wollen?

Brock: Das war aber längst Druck auch der staatlichen Museen, auch dort hatte man schon den Auftrag, die Publikums- und Durchlaufszahlen zu erhöhen, also Quote zu machen und längst haben, mindestens seit 30 Jahren, die Museen sich schon versucht, zu überbieten mit einer Ausstellungssensation nach der anderen. Auch vor Caspar David Friedrich in Hamburg standen schon vor 30 Jahren die Schlangen drei Blocks um das Gebäude gewickelt und man hatte den Eindruck, hier ging es eigentlich nur noch um das soziale Ereignis. Das ist ein nicht haltbarere Vorwurf; schließlich ist alles Ereignis und Erlebnis ebenfalls und warum soll es nicht ein Erlebnis sein, mit anderen gemeinsam sich auf etwas ein- und auszurichten, etwas wahrzunehmen, zu diskutieren, das ist ja eigentlich gerade die öffentliche Debatte. Ich erlebe mit anderen im sozialen Körper wie zum Beispiel eben der Schlange etwas, ich habe in Berlin daraufhin die Zuschauer betrachtet bei der MOMA-Ausstellung und ich war eigentlich weit über mein Vorurteil hinaus erstaunt, wie versunken, intensiv und konzentriert die Leute waren, ganz im Unterschied zu dem, was sie im Alltag sind. Man hat ihnen eigentlich gar nicht mehr zugetraut, dass sie derartig andächtig, jetzt heißt es also wirklich konzentriert und fast gebethaft in Selbstvergewisserung an die Sache herangehen. Das war ein Erlebnis für sich. Ich war selten so angetan von einem Publikum, selten hätte ich mich so versöhnen können mit einem Publikum wie dem versunkenen dort in Berlin.

Kassel: Das Publikum ist zufrieden, Sie als Beobachter sind zufrieden, aber wie zufrieden können die Museen sein? Klaus Peter Schuster, Generaldirektor der staatlichen Museen Berlin hat vor kurzem sinngemäß gesagt, wir sammeln eigentlich inzwischen keine Bilder mehr, wir sammeln Sammler. Hat er Recht und wo liegt die Gefahr darin, dass die Sammler auch zu viel vorschreiben? Es gibt Fälle, wo Sammler dem Museum vorschreiben wollen, welche Lampe das Bild beleuchtet.

Brock: Da haben Sie natürlich den Kern erwischt. Wenn der Sammler anfängt, in die Politik reinzureden, wenn er sagt, was geht ins Depot, was kommt in den Schauraum oder wenn er sagt, die staatlichen Sammlungsbestände müssen ins Depot, damit meine Sachen im Schauraum stehen, dann ist die Grenze der Kooperation überschritten und das weiß auch jeder. Die Sammler haben natürlich einen großen Einfluss, weil sie ja etwas zu bieten haben, eine Attraktion, sie haben etwas, was das Publikum durchaus sehen will und auch zurecht, weil die Sammler ja einen guten Zugang zu den Künstlern haben und sehr viel höhere Preise zahlen als die Museen, also meistens auch die besseren Werke bekommen. Und wenn man das einhält, jeder auf seiner Seite mit der entsprechenden Zurückhaltung und dem Verständnis für die Aufgaben des Gegenüber, dann ist die private public Partnerschaft erstens gar nicht zu vermeiden und im Übrigen auch wünschenswert. Denn so viel mehr, wie die vielen leidenschaftlichen Sammler an interessanten Dingen aufspüren, würden wir sonst nie zu sehen bekommen, auch wenn die besten Leute in den Museen wären. Es können einfach tausend Sammler unendlich viel besseres und viel mehr heranschaffen als die entsprechenden Leute, die als Kuratoren in den staatlichen Museen sind.