Buch luxus!?

Luxus!?, Bild: Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim (Hg.). Esslingen: Hatje Cantz, 2018..
Luxus!?, Bild: Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim (Hg.). Esslingen: Hatje Cantz, 2018..

Was ist heute luxuriös? Wie schaffen es Gestalter, Gebrauchsgegenstände in Must have-Produkte zu verwandeln? Wo wird Konsum zum Wahn? Wann wird aus einem Mehr-ist-mehr ein Weniger-ist-mehr? Luxus bedeutet die Abweichung vom Normalen und dieses Buch stellt ein Füllhorn von Ideen, Produkten und Haltungen zum Thema dar – und her. Ist Luxus eine Maschine, die nur zum Spaß gebaut wurde? Der Fair-Trade-Anbau von Safran? Oder ein Safe mit Diamanten?

Die Höhepunkte der Arbeit der Fakultät für Gestaltung finden sich in dieser Publikation versammelt. Zu Wort kommen Impulsgeber aus Design, Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft, unteren anderen: Die Kultur-Theoretiker Wolfgang Ullrich und Lambert Wiesing erörtern den Luxus-Begriff in einem Briefwechsel; Montblancs Kreativdirektor Zaim Kamal benennt Zukunftsstrategien. Einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln fordert der Berliner Konsumkritiker und Autor Raphael Fellmer. Der Künstler Jonathan Meese trägt mit einem exklusiv für diesen Band verfassten Gold-Manifest bei. Die Askese des Luxus sucht Bazon Brock, Denker im Dienst, im Konvent der Asketen. Über die Kernwerte Freigeist und Mut der Marke „Iris von Arnim“ spricht Valentin von Arnim. Die Journalistin und Autorin Greta Taubert findet unter Zeitmillionären einen anderen Reichtum.

Wir leben in einer Welt von Dingen, die sich so ähnlich sind, dass nur noch das Marketing sie unterscheidet. Beschleunigte Produktionszyklen – wie in der Mode – und Wegwerfartikel verändern die DNA luxuriöser Dinge. Wie sehen künftige Kostbarkeiten aus? Das zeigen in diesem Buch Design-Studierende wie Mode-Studentin Victoria Reize, die mit ihrer Kollektion dem Luxus puren Trotz entgegensetzt. Denn Design befasst sich nicht nur mit der „Schaffung des Teuersten“. Luxus ist Limitierung und Langlebigkeit, Verknappung und Veredelung, Sehnsucht und Sinnlichkeit.

Erschienen
2017

Herausgeber
Eikmeyer, Robert | Hensel, Thomas | Meyer, Birgit | Of, Jan | Throm, Michael

Verlag
Hatje Cantz

Erscheinungsort
Esslingen

ISBN
978-3-947563-20-3

Umfang
243 S.

Einband
Softcover

Seite S. 163 im Original

Askese des Luxus seit 1980

Der Konvent der Asketen des Luxus wurde gegründet von Bazon Brock, Stephanie Senge und Wolfgang Ullrich am 28. April 2007 in der Rathausgalerie München, im Rahmen der Konsumprozession und der Ausstellung Der glückliche Konsument.

Der Konvent versammelt Künstler, Vermittler, Wissenschaftler, gelehrte Geschäftsfrauen und Hausmänner, also Jedermann und jede Frau, die Liebe als Strategie der Nachhaltigkeit praktizieren – die also zu sozialer Passion fähig sind. Diese Formen der Nachhaltigkeit lassen sich generalisieren: Die historisch nachweislich erfolgreichste Form ökologischer, ökonomischer, hygienischer und ästhetischer Sorge und Fürsorge, kurz, Nachhaltigkeit, ist durch Luxurieren als Ausdruck der Askese zu erreichen.

Dieses Prinzip vergegenwärtigen die goldenen Essstäbchen. Wenn wir Milliarden asiatischer Essstäbchenbenutzer unsere goldenen Essstäbchen überreichen würden, müssten die erhabenen Wipfel südamerikanischer Urwälder nicht dem Holzraub zum Opfer fallen, der zur Fertigung hölzerner Essstäbchen betrieben wird. Also erweist sich hier Luxurieren als tatsächlich erfolgreiches Prinzip ökologischer Sorge, soweit wir mit Gründen vermuten können, dass goldene Essstäbchen nicht umstandslos in den Müll verfrachtet werden, wie das mit hölzernen Stäbchen oder mit Besteck aus Plastik geschieht.

Es lässt sich leicht errechnen, dass die Kosten für ein Paar hochwertiger goldener Essstäbchen pro wässrigem Mund sehr viel geringer sind als die Kosten für die lebenslange tägliche Anschaffung von drei Paar hölzernen Essstäbchen. Durch diese Rechnung erweist sich Luxurieren auch als das ökonomisch sinnvollste Konzept.

Goldene Askese, wussten die Aristokraten des Stammbaums und des Stils immer schon, heißt: Das Kostbare ist das Billigste, wenn es Generationen überdauert und dadurch seinen Wert noch steigert.

Im Ästhetischen bewährt sich Askese durch Luxurieren am Beispiel der goldenen Essstäbchen nach dem Generalmotto der Moderne: Less is more. Die Stäbchen, jeweils von Meistern des Reduktionismus entworfen, verkörpern geradezu die Gestalt des Weniger, auch wenn man als Kritiker der konzeptionellen reduktionistischen Moderne behauptet: Less is less and more is more. Und schließlich nimmt Gold keinen Schmutz an.

Die goldenen Essstäbchen sind das Emblem der Lebensreformmoderne »GeSoLei« – Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen.

Mit der sozialen Fürsorge schließt sich die Gemeinschaft der Liebenden aus sozialer Passion zur Tafelrunde zusammen, an der wir uns üben, das Unterlassen als nachhaltigste Form des Handelns zu verstehen.

Askese heißt Ethik des Unterlassens als anspruchsvollste Form des Tuns.

Dafür steht die phrygische Mütze, das revolutionäre Zeichen überwundener
Kultureselei. Denn König Midas schuf diese Mütze, um die ihm vom Gotte Dionysos verpassten Eselsohren zu bedecken – eine pädagogisch wertvolle Maßnahme, weil der König auf diese Weise ständig daran erinnert wurde, wie armem Geiste und schwachem Charakter der Wunsch von Menschen entspringt, es möge sich alles, womit sie zu tun haben, in Gold verwandeln und jede Unternehmung zur Gewinnmaximierung führen, weil das Maß aller Dinge das finanzamtlich eingeforderte Gewinnstreben sei.

Gegen dieses Diktat der Ökonomisierung von Liebe, Recht, Bildung und sozialer Passion tritt der Konvent der Goldenen Essstäbchen an.

Aus: Bazon Brock: Theoreme – Er lebte, liebte, lehrte und starb. Was hat er sich dabei gedacht? Hrsg. von Marina Sawall, Köln 2017, S. 490.

Asketen des Luxus. Konvent der Goldenen Eßstäbchen
Asketen des Luxus. Konvent der Goldenen Eßstäbchen
Goldene Essstäbchen, theoretisches Objekt nach einem Konzept von Bazon Brock, Bild: Links: Typ „Bambusbauhaus“, gestaltet von Gilda Fucker, Wien 1980; rechts: Typ „Doppelhelix“, gestaltet von Georg Hornemann, Düsseldorf 2013. Foto: Ulrich Klaus.
Goldene Essstäbchen, theoretisches Objekt nach einem Konzept von Bazon Brock, Bild: Links: Typ „Bambusbauhaus“, gestaltet von Gilda Fucker, Wien 1980; rechts: Typ „Doppelhelix“, gestaltet von Georg Hornemann, Düsseldorf 2013. Foto: Ulrich Klaus.

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