Ausstellung Hugo Ball: Fuga Saeculi
Ausstellung/dadasophisches Projekt vom 14.09.2007 – 29.02.2008
Vernissage 13.09.2007 um 23:00
cabaret voltaire Spiegelgasse 1, 8001 Zürich
Kuratiert von Adrian Notz
Programm von Bazon Brock, Adrian Notz und Thomas Zacharias.
Hugo Ball’s Krypta designed by Ludwig, Maisano, Maisano, Matter.
«Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt. Wie wird man berühmt? Indem man Dada sagt. Mit edlem Gestus und mit feinem Anstand. Bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit.» [Hugo Ball, Eröffnungs-Manifest, 1. Dada Abend, Zürich, 14. Juli 1916]
Im Zentrum steht Hugo Balls Schlüsselwerk «Die Flucht aus der Zeit» (lat. fuga saeculi), in welchem seine ursprünglichsten Ideen für das Cabaret Voltaire und die mystisch religiösen Dimensionen von Dada sichtbar werden. Im Geiste des Asketen Ball entwickelt das Projekt «HUGO BALL: FUGA SAECULI» eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Cabaret Voltaire und mit Dada, bevor es zu einem „Ismus“ und global als Marke verbreitet wurde. Auf diesem Weg zum Ursprung des Cabaret Voltaire und zu Dada führt Bazon Brock, ein Künstler ohne Werk.
Die kirchlich sakrale Ausstellung «HUGO BALL: FUGA SAECULI» präsentiert in der Hugo Ball Krypta Originaldokumente von Hugo Ball (adoratio), eine Kammer für das Werk «Die Flucht aus der Zeit» (devotio), und die Hugo-Ball-Fan-Booth (participio).
Zusätzlich werden - 50 Jahre nach Harald Szeemanns dreitägiger Hommage an Hugo Ball in der Kramgasse 6 zu Bern – seine Dokumente aus der Fabbrica in Maggia als Hommage an Harald Szeemann und seinen Enthusiasmus für Hugo Ball im Cabaret Voltaire in Zürich re-präsentiert. Ab dem 18. November 2007 wird Johannes Gees Hugo Balls Krypta mit einer sublimen Installation bespielen.
Das dadasophische Programm «HUGO BALL: FUGA SAECULI», welches von und mit Bazon Brock konzipiert wurde, markiert in fünf Theoremen Positionen der Debatte und eine Auseinandersetzung mit Dada im 21. Jahrhundert.
Der Reader «HUGO BALL: FUGA SAECULI» ergänzt oder dokumentiert mit Beiträgen von: Hugo Ball, Bazon Brock, Christian Bauer, Bice Curiger, Patrick Hahn, Harald Falckenberg, Julia Kissina, Jonathan Meese, Joseph Ratzinger, Adrian Notz, Werner Oechslin, Christoph Schlingensief, Harald Szeemann, Peter Weibel, Franz West, Thomas Zacharias und anderen.
Das Programm gliedert sich in fünf Theoreme, denen entsprechende Choreographien zugeordnet sind, welche in der Regel um 20.00 Uhr beginnen:
1. Vatikan des Synkretismus: Ekstatik der Vernunft (13.09.2007)
2. Passion der Funktionalität (25.10. -31.10.2007)
3. Pathos der Analogiebildung (1.11.2007)
4. Deus ex machina: Regeln für den Maschinenpark (Januar 2008)
5. Der Sonne und die Tod (22.02.-29.02.2008)
Das Programm
1 Vatikan des Synkretismus – Ekstatik der Vernunft
September 2007
Zur Vernissage der Ausstellung »HUGO BALL: FUGA SAECULI wurde der 80ste Todestag von Hugo Ball, der 14. September 2007, feierlich begangen und das Fest der Kreuzerhöhung als Nachtwache gestaltet. Nach der Erläuterung der fünf Theoreme durch Bazon Brock und der Einweihung der Krypta rezitierten Alicia Aumüller und Martin Horn Exzerpte aus Hugo Balls Die Flucht aus der Zeit, welche Bazon Brock kommentierte.
2 Passion der Funktionalität
Oktober 2007
Ein ziemlich dummes Verständnis des Fortschritts stellt die technisch-rationale Funktionalität gegen die sinnlich-affektive Schönheit. Das Elend der Designgeschichte spiegelt diese Auffassung: hier die Funktionalität der Gerätschaften, dort ihr albern aufgepapptes Oberflächenpolish. Umgekehrt wird ein roter Tanzschuh draus: die Schönheit ist die grundlegende Funktion der Dinge im Gebrauch, ihre Technik ist nichts als verwirklichte Theologie. Sehen Sie, das bedeutet Passion der Funktionalität!
Bazon Brock 2007
Pressekonferenz mit Hugo Ball
25. 10. 2007 um 20 Uhr
Die ukrainische Künstlerin Julia Kissina gründete 2006 den »Klub der Toten Künstler«, der in spiritistischen Séancen die Geister berühmter Künstler anruft. Für die Ausstellung »HUGO BALL: FUGA SAECULI« wird Julia Kissina eine Sitzung mit Hugo Ball am Ort seines Wirkens durchführen.
Christoph Schlingensief spricht »Ja«
30. 10. 2007 um 20 Uhr
Eigentlich wäre Christoph Schlingensief gern in der Rolle des Lustpaten Dionysos bei den Eleusischen Spielen aufgetreten. Da die entsprechende Einrichtung wegen durch Frauenemanzipation verursachter Unwirtlichkeit vor 1615 Jahren eingestellt wurde, stimmt er nun freudig zu, im Cabaret Voltaire als Initiant die hohen DADA-Weihen zu erfahren und das DADA-Geheimnis zu erkennen: Ja zu sagen zu dieser Welt. 1916 wurde die Revolution des Ja im Cabaret Voltaire ausgerufen. Auf Russisch heisst ja sagen da. Weil Lenin dem Cabaret Voltaire gegenüber wohnte, hörte er dies emphatische Jaja, Dada. Das ergriff ihn derartig, dass er ein Jahr später in St. Petersburg den universalen Sozialismus als Form rückhaltloser Weltbejahung inszenierte. Diesem Beispiel möchte Schlingensief folgen, indem er im Herbst 2007 das große JA spricht, um Gott und Teufel zu beschämen und die Möglichkeit ahnen zu lassen, dass ein Jahr später jemand dem Beispiel Lenins folgen könnte: am besten ein reines Weib.
DADA – SiSi – sacrificium intellectus
31. 10. 2007 um 20 Uhr
Christian Bauer über Das Opfer des Verstandes in der Gegenwartskunst. Eine Illumination der Werke von Anselm Kiefer, Karlheinz Stockhausen und Botho Strauß samt Hugo Balls Untersuchung zu den Zeitkrankheiten der Künstler und Intellektuellen seit der Romantik. Als Krücken der Kritik dienen Hugo Balls Der Künstler und die Zeitkrankheit und Die religiöse Konversion.
3 Pathos der Analogiebildung
November & Dezember 2007
Alle Analogien von Weltgeschichte und Heilsgeschichte, von Weltzeit und individueller Lebenszeit stammen für das christliche Europa aus der Übertragung innerer Schau, von dunklen Träumen und heller Einsicht auf das weltliche Alltagsgeschehen. Von der Gnosis über die Mystik und Romantik bis zu Hugo Balls Dadasophie hiess das: beim Rühren in der Nudelsuppe die Bewegung unter tausend Sonnensystemen zu imaginieren – Gott kocht das All wie Mutti die Sternchennudelsuppe. In der Apokalypse des Johannes 21 wird der Stiftungsakt solcher Analogien für das europäische Wohnen in der Welt poetisch beschrieben. Die Utopie der Kathedrale als Vorschein des himmlischen Jerusalem entsteht aus dem Geiste der Apokalypse, wie sie die Dadaisten im Ersten Weltkrieg erfuhren. Apokalyptisches Denken ist das Gegenteil zu Untergangsphantasien. Es begründet vielmehr das Pathos des Anfangs: ut initium sit homo panicus creatus est, ante quem nemo fuit (Augustinus). Der apokalyptisch denkende Christ ermöglicht sich das immer erneute Anfangen, da er das Ende schon hinter sich hat. Diese Euphorie des Beginnens durch Vorwegnahme des Endes – dieser Pessimismus, um optimistisch zu sein – prägte die Anthroposophen, die Blauen Reiter, die Suprematisten, die Konstruktivisten und die Dadaisten: sie alle sind Mitglieder des grossen Johannesbauvereins.
Bazon Brock 2007
Plastische Gesten des Verfehlens
1. 11. 2007 um 20 Uhr
Der Gast der Gäste an diesem Allerheiligen sollte Franz West sein, der Grossmeister aller Zwischenraumgespenster (Paul Klee), aller Negativen Theologie und Negativen Ästhetik. Zur Präsentation seiner plastischen Gesten des Verfehlens als wahre »res gestae – Demonstration« der Moderne (res gestae = geschichtliches Tun und Lassen, durch das die Welt Bedeutung erhält).
Vernissage »Zur Stillen Einkehr«
18. 11. 2007 um 19 Uhr
Installation von Johannes Gees in »Hugo Balls Krypta«
Tenderenda der Phantast
7. 12. 2007 um 20 Uhr
Eine akusmatische Vorführung nach Hugo Ball von Marc Matter, Marcus Maeder und Bernd Schurer. Tenderenda ist ein digitales Geisterspiel nach drei mal drei Kapiteln des Phantastenromans von Hugo Ball. Die elektromagnetistische Séance wurde anlässlich der Wiedereröffnung des Cabaret Voltaire 2004 in der Wüste Gobi abgehalten und live vom Schweizer Radio DRS2 übertragen.
Dada und Mystik
20. 12. 2007 um 20 Uhr
27. 12. 2007 um 20 Uhr
Raumgestaltung von »Frosch«, Filmaufnahmen von »Atom«, Live-Dokumentation von »Ast« zum Vortrag und zur Performance von Frank von der blauen Blume. Es geht in echter Mystik vorrangig um Jetzt-Erleben. Somit sind die oben genannten Akteure bemüht, möglichst keine Begrenzungen das Jetzt stören zu lassen. Die Dauer der Veranstaltung variiert von einer bis zu vier Stunden. Frank von der blauen Blume als »echter Mystiker« – seines Zeichens bewusst demütig schöpferischer Geist hinter allen Werken und Performances, die unter dem Signet Lichtpop aus brüderlicher und schwesterlicher Einheitsquelle mit unendlich wechselnden unterschiedlichsten Künstlern das Licht der Welt spiegeln – versucht erstmalig aus gegebenem Anlass auch einem »nicht eingeweihtem Publikum« das »Geheimnis von Liebe, Licht und Weisheit als Essenz echter Mystik« auf seine einmalige Art zu senden. Er schreit, singt, betet Klartext. Mal mit Klavier und Trommel, mal schweigend mit den Anwesenden meditierend. Er stellt sich, dankbar für jeden Widerstand, transparent und verletzbar den unterschiedlichsten Energievampiren dieser Welt als »bejahender Fels« entgegen. Der Ottonormalverbraucher hat all das vergessen – aber das ist Liebe! Es ist das Anliegen aller geistigen Verbündeten, in jeglicher Hinsicht immer ein Gleichgewicht herzustellen. Die Veranstaltung wird bewusst im Jetzt gehalten und darf sich von Veranstaltung zu Veranstaltung angemessen entwickeln. Der Vortragsraum wird so »innig« gestaltet, dass der Zuhörer sich trotz Jetzt-Zeit bequem auf das aktuelle Jetzt einlassen kann.
4 »deus ex machina« – Regeln für den Maschinenpark
Januar 2008
Mit Peter Weibel. Details werden publiziert
»laterna magica« – Regeln für den Medienpark
Januar 2008
Mit Werner Nekes. Details werden publiziert
5 Der Sonne und die Tod
Februar 2008
Hugo Ball – Ein sonderbarer Heiliger?
22. 2. 2008 um 20 Uhr
Mit Bernhard Echte
Sagt Bazon Brock die Wahrheit?
27. 2. 2008 um 20 Uhr
Buchpräsentation von Robert Bernhart
Der Sonne und die Tod
28. 2. 2008
Mit Harald Falckenberg, Jonathan Meese und Peter Sloterdijk (angefragt)
Endymische Hochzeit
29. 2. 2008
Mit Stephanie Senge und Bazon Brock. Details werden publiziert
Poème Symphonique
29. 2. 2008 um 23 Uhr
Patrick Hahn inszeniert ein musikalisches Zeremoniell für einhundert Metronome nach György Ligeti