"Ihr schlimmen drei! Ach, lockts euch nicht, Die Stunde hinzuträumen? / Erzählen? Wo mein Atem sich / Fast selber möcht versäumen? / Und doch – vor solcher Übermacht / Muß ich das Feld wohl räumen. / Schon ordnet Prima hoheitsvoll / Mir an: doch zu beginnen! Auch Unsinn, hofft Sekunda drauf, / Kommt doch wohl vor darinnen? / Und Tertia läßt nicht einen Satz / Ohne 'Wieso?' ver-rinnen. / Doch bald wird's still, und alles lauscht, / Wie's mit dem Kinde war, / Das träumend durch ein Land gestreift, / Gar neu und wunderbar, / Und freundlich mit den Tieren sprach - / Am Ende ist es wahr? / Und wenn die Phantasie versiegt / An sonderbarer Kunde / Und müd der Dichter mehr verspricht / Zu einer andern Stunde - / 'Stunde ist schon anders!' heißts / Dann wie aus einem Munde. / So trat das Wunderland gemach / Ans Tageslicht heraus. / Ward Stück für Stück euch vorgestellt: / Nun ist das Märchen aus, / Und fröhlich schaukelt jetzt das Boot / Im Abendlicht Haus.“ (Lewis Carroll) Als „die schlimmen drei" wollten sich die Künstler Stephan Balkenhol, Claudia Pegel und Rüdiger Schöttle zu erkennen geben, indem sie Alice in den Teppich als Wunderland versetzten. Das Wunderland ist blau, wie alle Sehnsuchtsländer hinter blauen Bergen oder blauen spanischen Augen. Das Paradies zu rastern, löst Alicens Grundproblem, einen Maßstab für ihre jeweilige Verkleinerung oder Vergrößerung zu finden. Spiele werden definiert durch Spielfelder. Also bringen ,,die schlimmen drei“ vier Motive von Alicens Aufenthalt im Wunderland in fest definierte quadratische Spielfelder ein. In den Felddiagonalen wird jeweils Motiv spiegelt. Aus dem Spiel heraus zu finden, ist nur möglich, wenn man sich bewußt wird, daß man spielt oder, während man träumt, erkennt, daß man träumt. Dann erlaubt man sein blaues Wunder.
Zitate:
„Alice öffnete die Tür und sah, daß sie in einen engen Gang führte, nicht viel höher als ein Mausloch. Sie kniete nieder, und als sie hineinschaute, fiel ihr Blick in den schönsten Garten, den ihr euch denken könnt. Da hätte sie freilich gern den düstern Saal hinter sich gelassen und sich zwischen den bunten Blumenbeeten und den kühlen Springbrunnen getummelt; aber nicht einmal den Kopf bekam sie durch die Tür. (Lewis Carroll, aus: Alice im Wunderland, 1865)
Abbildungen:
S.166: Flower Edition [Vorwerk], Michael Graves, 1998.
Der Teppichboden von Michael Graves entlehnt Lotusblüte und Rutenbündel Tapetenentwürfen des 18.Jahrhunderts.
S.166/67: „How she longed to get out...“ Teppichentwurf, Stephan Balkenhol, Claudia Pegel und Rüdiger Schöttle, 1989, Kunstverein München.
S.167: Blaue Blumen Teppichentwurf [Vorwerk Classic], Richard Riemerschmid, um 1900, Wiener Werkstätten.
Richard Riemerschmid: Blaue Blumen aus den Wiener Werkstätten, die wie Kornblumen im Mohnteppich stehen.