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(Tages-Anzeiger und Berner Zeitung) Nr. 33, 14./15. August 1992.

Erschienen
1991

Erscheinungsort
Bern, Schweiz

Issue
Nr. 33, 14./15. August 1992.

4. Der Sprachkörper

Für unsere Erfahrung, daß der Körper des Betrachters ein Sprachkörper ist, ein sprechender Körper, der gehört und gelesen werden will, gibt Harald Klingenhöller im Titel seiner Skulptur ‚Alle Metaphern werden wahr‘ ( 1992) geradezu das Motto aus.

Himmelstürmerei ist eine Metapher. Jonathan Borofsky (Man walking to the sky, 1992) nimmt sie wörtlich, macht sie also wahr. Kraftvoll vorwärtsschreitend, zügig, ungehindert, steigt die Figur himmelwärts. Der Himmelstürmer ist nicht nur eine Metapher für den künstlerischen, sondern für den allgemein menschlichen Furor der Welteroberung.

Was meint der Ausdruck "Sprechende Körper", wenn es um Dinge geht, die selbst nicht sprechen? Ulrich Meister (Hommage à Francis Ponge, 1992) übersetzt mit seinen Worten den Körper der Dinge, als hätten sich diese Dinge auch in der Sprache der Menschen selbst geschaffen. Zum Beispiel der Spazierstock: "Auf der Spitze thronend, stieg er senkrecht hoch und bestand darauf, trotz oder gerade wegen seines kühnen Bogens, mit dem er stolz auf sich selbst zeigte, eine vollkommene Gerade zu sein." Zum vollen Papierkorb: "Obwohl sie dichtgedrängt beieinanderlagen, waren sie einander leicht, und es war einem, als ob eines dem anderen entgegenkäme bei der Entfaltung seiner verformten Gestalt."