Im Mai 1996 veröffentlichte Eduard Beaucamp in der FAZ eine Rezension zur damaligen Ausstellung Markus Lüpertz – Gemälde, Skulpturen in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Beaucamps Behauptungen am Schluß seines Artikels Rastloser Totenkult provozierten heftige Reaktionen.
Die interessanteste ist die von Lüpertz selbst, die er als Maler in seinen Bildern vorgetragen hat. Die Ausstellung Vanitas präsentiert diese Argumentation.
Beaucamp schrieb: „Am Ende kehrt der malende Schlemihl und pathetische Adaptions- und Vermittlungsvirtuose zur einst bekämpften Nachkriegsabstraktion und den fünfziger Jahren zurück, mithin an die Schwelle seiner eigenen Anfänge. Heute versöhnt er die Ecole de Paris und das New Yorker Action painting. Vor dem letzten Schritt scheut er zurück, nämlich, sich nun auch selber zu paraphrasieren und auszubeuten; dafür zapft er unverkennbar den späteren Baselitz an, der seinerseits heute vehement zu den abstrakten Fünfzigern zurückdrängt. Die vielen Einflüsse und Zitate zu sortieren, hat wenig Sinn. Lüpertz erklärt den Eklektizismus, die Malerei über Malerei zum Programm. Doch die neuen Synthesen wirken unschlüssig und retortenhaft, die Wiederbelebungsversuche und Metamorphosen gelingen nicht. Lüpertz’ Nachinszenierungen geraten zu Gedenkritualen mit ranzigem Beigeschmack, ja mit Spuren von Nekrophilie.“
Das sind starke Behauptungen, die sich gerade deshalb in Frage stellen. Besonders fragwürdig ist die Annahme, daß Abstraktion ein historisches Epochenphänomen sei (Nachkrieg, fünfziger Jahre), weshalb Beaucamp die späteren Demonstrationen von Abstraktion als bloße Wiederbelebungsversuche, gar als Nekrophilie, glaubt bewerten zu müssen. Mit dieser Einschränkung der Abstraktion aufs historische Zeitphänomen beweist er eine erschreckende Blindheit in der Bildwahrnehmung aller Zeiten. Er scheint den journalistischen Begriffsmoden, die er im Werk von Lüpertz aufzudecken behauptet, selber zum Opfer gefallen zu sein; denn die Abstraktion war und ist eine jedem Wahrnehmenden und jedem Bildermacher auch dann abverlangte Leistung, wenn sie sich auf die Vorgabe oder Wahrnehmung von Figuren und Gegenständen konzentrieren.
Die programmatisch sogenannte abstrakte Kunst unseres Jahrhunderts machte diese Voraussetzung nur in besonderer Weise zum Thema. Heraus kam dabei, daß auch die abstrakte Kunst auf Anschauungsbegriffe zurückgreifen muß (es macht keinen Unterschied, ob man sich auf eine Kuh, wie etwa Franz Marc, oder auf ein schwarzes Quadrat, wie etwa Malewitsch, bezieht). Auch die abstrakte Malerei ist auf eine Ikonographie angewiesen und jede Beschäftigung der Maler mit der Repräsentation von Figuren und Gegenständen, erst recht mit der des Raumes, bleibt auf Formabstraktion verpflichtet.
Die Kunsthistoriker entsprechen dieser Einsicht, indem sie alle historische Malerei auch formgeschichtlich, also mit Blick auf Abstraktionsleistungen, zu qualifizieren lernten. Die Neurophysiologen entsprechen dieser Einsicht durch Herausarbeiten der Muster- und Gestaltwahrnehmung als einer abstrakten Verrechnungsleistung „des Gehirns“. Die Kunst- und Kulturwissenschaftler entdeckten den Vorrang von Bildkonzeptionen und Vorstellungen vor ihrer jeweiligen historischen Realisierung in Bildern und Objekten (das Kunstwollen). Die Ästhetiker und Kunstphilosophen schließlich bestimmten das Verhältnis von intrapsychischen Leistungen (vor allem den Kognitionen) und jeder Art sprachlicher Repräsentation (in Worten, Bildern, Objekten, Gesten, Mimik und Verhalten) als paradoxale Wechselwirkung von Bewußtsein und Kommunikation.
Abstraktion und Einfühlung
Vor 90 Jahren erschien die Dissertation des 27-jährigen Studenten der Kunstgeschichte, Wilhelm Worringer aus Aachen, unter dem Titel Abstraktion und Einfühlung. Obwohl sich Worringer, wie der zweite „praktische Teil“ der Dissertation betont, fast ausschließlich auf vormoderne Kunstpraktiken für seine Argumentation stützte, lasen die Zeitgenossen das Werk wie eine Untersuchung zur damals aktuellen Diskussion über die Positionen der Kubisten, der Brücke-Expressionisten, der Theosophen um Kandinsky. Das spontane Echo auf die Schrift Worringers war so unvergleichlich, weil es ihm gelang, die beiden bis dato vorherrschenden und grundlegenden Konzeptionen beziehungsweise Methoden der Kunstwissenschaft zusammenzufassen.
Das war zum einen die Einfühlungslehre des Ästhetikers Theodor Lipps und zum anderen die Stilfrage des Wiener Kunsthistorikers Alois Riegl. Lipps beschrieb mit dem Begriff Einfühlung/Empathie die Art und Weise, wie ein strukturiertes Wahrnehmungsangebot im Betrachter zur Wirkung kommt. Mit besonderem Interesse wurde die Frage verfolgt, wie ein psychisches System mit einem anderen in Verbindung steht, also kommuniziert. Die fremdpsychische Wahrnehmung von Freude, Angst, Verzweiflung u.a. gelingt offensichtlich immer nur als Selbstwahrnehmung. Der Beweis dafür lag etwa in der Erfahrung, daß es einem Betrachter, der selbst mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, beim Anblick eines auf hohem Dachfirst Balancierenden schwindelt; oder in der Erfahrung, daß einem völlig Unverletzten beim Anblick eines Verletzten schlecht wird. Der Wahrnehmungsanlaß erzeugt also im Wahrnehmenden eine analoge Befindlichkeit, die erst in der Selbstwahrnehmung wirksam wird.
Für die ästhetische Gewichtung eines Wahrnehmungsanlasses gilt, wie Worringer mit Bezug auf Lipps immer wieder betont: „Ästhetischer Genuß ist objektivierter Selbstgenuß“ – das heißt; jede Wirkung, vor allem die der von Künstlern gestalteten Wahrnehmungsangebote wie Bilder oder Skulpturen, realisiert sich als Selbstwahrnehmung des Betrachters. Solche Erfahrung der eigenen psychischen und körperlichen Lebendigkeit scheint dann das Bild oder Objekt zu verlebendigen, obwohl es selbst nur eine Ansammlung von leblosem Stoff ist. Das Objekt der Wahrnehmung wird beseelt, worauf bis heute der Begriff Animation verweist. Die Einfühlung oder empathische Übertragung initiiert also eine Parallelaktion im Wahrnehmenden zum Gestalt- und Ausdruckspotential der Bilder und Objekte. Mit Übertragung ist demnach nicht ein Transport gemeint, sondern eine Wechselwirkung von Fremd- und Selbstwahrnehmung.
Worringer weiß bereits, daß wir solche Einfühlung unserer Grundkonstitution verdanken – so funktioniert nun einmal die Beziehung des lebenden Menschen zu seiner Umwelt und zu sich selbst. Worringer nennt diese von Lipps herausgestellte neurophysiologische Grundkonstante den einen Pol des alltäglichen wie künstlerischen Gestaltens. Den anderen Pol bestimmt er als ebenso vorgegebene und deshalb unvermeidbare Leistung der Abstraktion. Jede Hinwendung auf eine Gegebenheit in der Außenwelt verlangt die Isolierung einer Einzelheit, zum Beispiel einer Pflanze oder eines Tieres aus dem immer schon gegebenen Zusammenhang mit anderen im prinzipiell unbeschränkten Wahrnehmungsfeld.
Die Vermittlung zwischen der Vielheit und der Einzelheit wird durch Abstraktion geleistet, „eine Denknotwendigkeit, (…) um in der Unklarheit und in der Verworrenheit der Erscheinungen Orientierung zu bieten“. Die Orientierung an der durch Abstraktion wahrnehmbaren Form beschreibt Worringer als Voraussetzung für die Empfindung von Glück oder Schönheit in der überwältigenden Willkür des organischen Lebens. Nietzsche hatte das als Notwendigkeit des beschränkten Horizonts, Husserl als Abschattung oder Ausgrenzung gekennzeichnet. Für Worringer entspringt „dieser Abstraktionsdrang dem Bestreben, Ruhepunkte zu schaffen innerhalb der Flucht der Erscheinungen, eine Notwendigkeit, innerhalb des Willkürlichen Erlösung von der Qual des Relativen zu erreichen“.
Jeder konkreten Hinwendung auf die Natur geht die Abstraktion als Emanzipation von Zufälligkeiten und Beliebigkeiten voraus. Es sei irrig, „vom naiven sinnlichen Einssein des Menschen mit der Natur“ auszugehen; primär ist vielmehr „ein Furchtverhältnis zwischen Mensch und Welt, eine ihm abverlangte Skepsis gegenüber den Oberflächen und dem Anschein der Dinge“; ohne den „tiefen Instinkt für die Problematik aller Erscheinungen“ wären Menschen einem gefährlichen Risiko in der Konfrontation mit der Natur ausgesetzt.
Weil nicht ein sinnlich naives Verhältnis zur Welt für die erfolgreiche Orientierung grundlegend ist, sondern der Zweifel an der Verläßlichkeit der eigenen Wahrnehmung durch Erfahrung der Täuschbarkeit, kommt es darauf an, mit welchen Strategien die von Natur aus auf Gemeinschaft verpflichteten Menschen in der Welt operieren. Diese Strategien hatte Alois Riegl unter den Begriff des Kunstwollens gefaßt. An zahlreichen historischen Beispielen, vor allem an der spätrömischen Kunstindustrie, war ihm aufgefallen, daß nicht objektiv technisches Können die menschlichen Gestaltungskonzepte bestimmt, sondern die in Weltbildern, Kulten, Ritualen, Verfassungen immer erneut vergegenwärtigten Vorstellungen des kollektiven Willens, des Geistes der Gemeinschaften und Gesellschaften.
Diese Strategien des sozialen Handelns dominieren alle objektiven Gegebenheiten wie Klima und Naturformation, Verfügung über Rohstoffe oder technisch/methodisches Entwickeln von Instrumenten, Geräten, Kultobjekten etc. Die ordnende, also Weltbilder ermöglichende Wahrnehmung der Natur durch Abstraktion bezeichnet Worringer als den anderen Pol des Kunstschaffens. Da Menschen sich notwendig zwischen beiden Polen bewegen, ist jedes schaffende Gestalten gleichermaßen von Abstraktions- wie von Einfühlungsleistungen abhängig. Wann immer es in historischen Zeiten so erscheint, als würden sich die jeweiligen Zeitgenossen stärker vom Pol der Einfühlung und der naturalistischen Gestaltung angezogen fühlen, so bedarf es nur eines zeitlich umfassenderen und sachlich genaueren Blicks, um dennoch die Wirkung des anderen Attraktors ausfindig zu machen.
Von der Stärke des Kunstpols Abstraktion hängt die Deutlichkeit ab, mit der gegen die naturalistische Einfühlung die stilistische Ausprägung gelingt: „Der Stil besteht in einem dekorativen Veräußerlichen und schematisierenden Abstrahieren der Gestalt zu einem Flächenornament“, hatte schon der Ästhetiker Robert Vischer konstatiert. Worringer pointiert diese Vorgabe mit einer Schlußfolgerung, die bis heute nicht recht gewürdigt wird. Denn Worringer belegt, gestützt auf Riegl, daß kunst- und kulturgeschichtlich die höchste Ausprägung, die absolute Abstraktion, jeweils im ornamentalen Gestalten zu sehen ist.
Der Ästhetiker Carl Einstein bemerkte als erster, was Worringer mit seiner Auffassung von stilistischer Strategie der Abstraktion indirekt behauptete: daß nämlich die abstrakten Maler unseres Jahrhunderts nahtlos die Traditionen des ornamentalen Gestaltens fortsetzten. Abstrakte Malereien sind im eigentlichen Sinne Dekor. Dieser eicht am Kunstpol der Abstraktion die naturalistische, figürlich/gegenständliche Arbeit, der die Repräsentation von stofflicher Individualität der Dinge weder in der Malerei noch in der Skulptur vollkommen erreichbar sei.
Folgerichtig kann man in den weiten weißen Kuben moderner Ausstellungsgehäuse mit ihren abstrakten Malereien als Ornamenten des Geistes oder denen der Naturgesetze ein Dekorumsystem sehen, das beim Betrachter Vorstellungen der gegenständlichen Anschauungen hervorruft. Das sind die in solchen Ausstellungen nicht sichtbaren naturalistischen Bilder – und umgekehrt ruft eine Ausstellung mit naturalistischen Bildern zwangsläufig die Vorstellung grundlegender Abstraktionsleistungen im Form- und Farbornament wach.
Solche Bewegung in den Attraktorenfeldern zwischen den Kunstpolen Abstraktion und Einfühlung werden auch beim Musizieren und Musikhören oder bei der Rezeption und Produktion literarischer Gestaltung bemerkt, woraus sich für die Moderne die enge Beziehung zwischen bildender Kunst und Musik, resp. Literatur ergibt (von Wagners Gesamtkunstwerk über die Affinität von Kandinsky und Schönberg bis zu Fluxus und Lüpertz, Penck und Immendorff, resp. von Dada über die Surrealisten und John Cage bis zu heutigen Praktiken des Rock und Pop).
„Jede beliebige Form läßt sich als Schauplatz auffassen, auf dem mit namenlosen Kräften sich hin und her zu bewegen ein nachfühlbares Glück zu sein scheint.“
Hermann Lotze
Bereits auf den ersten Blick lassen sich die gewollten Konfrontationen von naturalistischer Gegenständlichkeit und ornamentaler Abstraktion in Lüpertz’ Ausstellungszyklus Vanitas ausmachen. Aber beide Pole werden in ihrer gleichzeitigen Attraktionskraft ausgewiesen. Die Darstellung der Gegenstände Totenschädel, Kienbalken, Kerze, niederrheinische Flußlandschaft, Fische, Blüten, Ähren, Vasen, Akte, Glühlampe gewinnen Deutlichkeit durch Formabstraktion, und die Farbgitter, Farbfelder, Liniengeschlinge rufen die Anschauung von Landschaft, Lattenrosten oder Lichtreflexspuren hervor.
Der Blick des Betrachters wird wechselweise zu Isolierung und Überblendung von Abstraktion und Einfühlung veranlaßt. Mit dem Titel Vanitas wird an zwei historische Genres erinnert, das Stilleben und die Emblematik des 17. Jahrhunderts. Im Stilleben mußte der Betrachter vor den Blumen, Büsten, Früchten, Musikinstrumenten, Stundengläsern die begriffliche Abstraktion von Augenblick, Dauer, Vergänglichkeit, Metamorphose, Geschichte und Zukunft erbringen. Im Emblem wurden den Bildfeldern solche und andere Begriffe eingeschrieben resp. beigegeben, letzteres in literarischer Formulierung als Vers. Lüpertz demonstriert, wie weit sich die Inskriptionen und Subskriptionen im Bild selbst mit bildlichen Mitteln ansprechen lassen. Er zwingt versuchsweise das naturalistische Bild in das wohlverstandene Dekorum. Für sich selbst eicht er den konkreten Vorgang des Malens gleichzeitig an den beiden Polen Abstraktion und Empathie. Für den Betrachter bietet er die Eichung jeder einzelnen Malerei an den Möglichkeiten des Malers, ganz andere Bilder hervorzubringen. Der Betrachter wird also auf das bereits realisierte Werk von Lüpertz verwiesen mit der Frage: Wie geht das zusammen? – und auf die aus der Wahrnehmung des bisherigen Werks sich ergebende Frage: Wie könnte das weitergehen?
Sieht man, wie Beaucamp, die beiden Kunstpole Worringers isoliert und in ein zeitliches Vor- und Nacheinander einpaßt, dann kommt man zu Beaucamps oder ähnlichen Schlußfolgerungen: Das Weiterarbeiten sei ein bloßes Zurückgehen auf den jeweils gerade nicht aktivierten Pol.
Durch die feuilletonistische Propaganda sind wir Zeitgenossen so konditioniert worden, daß wir von der Forderung an Maler ausgehen, sie hätten sich deklarativ im einzelnen Bild für Abstraktion im Flächenornament oder für naturalistische Empathie durch Gegenständlichkeit zu entscheiden. Wie gesagt, das ist Marktgeschrei. Für die tatsächliche Hervorbringung und Rezeption von Malerei und Bildern anderer Technik können und dürfen wir uns der deklarativen Gebrauchsanweisung des Produkts nicht unterwerfen. Merkwürdig: auch Beaucamp bestreitet nicht, daß etwa Lüpertz’ Dithyramben (1964-1974) als außerordentliche Leistungen der Malerei in der zweiten Jahrhunderthälfte zu gelten haben. Mit den Dithyramben aber operierte Lüpertz gerade im Attraktorenfeld formaler Abstraktion und Konkretion der Vorstellung von Spargelbeeten, Eternitwelldächern, Baumstümpfen, Lafetten, Helmen etc. Offenbar ließen sich die Dithyramben-Bilder besser als die der Vanitas-Serie einer naiven Vorstellung der Einheit von Abstraktion und Einfühlung oder gar Form und Inhalt unterwerfen.
In der Tat wollen die neueren Bilder eben nicht die gelungene Vereinheitlichung beider Pole behaupten, sondern ihre spannungsreiche wechselseitige Abstoßung. Beide Pole sind als separierte Bildbestände gleichmäßig positiv, sie stoßen sich ab.
Die einzelnen Gemälde verweisen offensichtlich auf den Zwischenraum, der sich gespenstisch öffnet, wenn der Maler versucht, im selben Bild die Abstraktion und die Empathie durch naturalistische Wahrnehmungsanlässe gegeneinander isoliert zu bearbeiten. Dabei verlieren wir die Geläufigkeit, mit der wir in dem einen Fall Abstraktes ganz und gar ornamental wahrnehmen und im anderen Fall Gegenständliches als vorwiegend naturalistische Wiedergabe klassifizieren.
Fazit: Mit der unversöhnten Konfrontation beider Kunstpole scheint Lüpertz gegen die etablierte, wenn auch uneingestandene Vereinnahmung der abstrakten Malerei in die Geschichte des Ornaments zu protestieren – er läßt das Figurative und Gegenständliche ornamental erscheinen; und andererseits wehrt er sich gegen die ebenso bedenkenlose Beweisführung, die auf Könnerschaft beruhende naturalistische Verbildlichung unserer Weltsicht sei als natürliche grundlegend für Malerei und Skulptur. Mit letzterem Argument wurden und werden kulturpolitische Machtkämpfe bestritten; so reinigt etwa Senator Jesse Helmes die Museen für zeitgenössische Kunst in den USA.
Mit der wohlgefälligen Vereinnahmung der abstrakten Malerei in die Geschichte des Ornaments als bloßer Ausschmückung bedeutungsloser Oberflächen (in seiner wahren Bedeutung für die Gesetze der Abstraktion wissen wir es nicht mehr zu würdigen) entlasten wir uns von der Anstrengung der Begriffsbildung. Wir möchten uns gern mit der Tautologie ein schwarzes Quadrat ist ein schwarzes Quadrat ist ein schwarzes Quadrat amüsieren, weil uns die paradoxale Zumutung nervt, erst im Bild ließen sich Abgebildetes und Abbildung unterscheiden und nicht im Verhältnis von Bild und Nichtbild. So nervt uns auch Lüpertz mit seiner berserkerhaften Formulierung des Gemäldes als Zwischenraum oder als Differenz der beiden Kunstpole.