Geld gegen Aufgabe
Zum Selbstverständnis moderner Künstler scheint es zu gehören, sich nur noch selber Aufgaben zu stellen; ihnen von außen Probleme vorzugeben, empfinden sie als Eingriff in ihre künstlerische Autonomie und die Freiheit der Kunst. So haben die Künstler wesentlichen Anteil am Aussterben der Mäzene. Sie können sich als letzte darüber beschweren, keine mäzenatische Unterstützung zu finden.
Aus: Mäzene. Schießbudenfiguren des Kulturbetriebs? In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Perspektivenwechsel
Aber der Paarlauf zwischen uns und unserem Willen wird nicht gelingen, wenn wir wie bisher nur glauben, uns mit den Opfern identifizieren zu müssen, anstatt mit den Tätern. Das unersättliche Sehen muß zum unerbittlichen werden, das Sehen zum Gesehenwerden, das Opfer selbst zum Täter und zwar nicht nur, weil es ein grausamer Psychomechanismus zwingt, sich mit dem Täter identifizieren, um überhaupt überleben zu können.
Aus: Einer für Alle. Selbsterregung der Täter. Eine rhetorische Oper zur Erzwingung der Gefühle. TV Jürgens und Schiebener. Köln 1991.
Homonisierung statt Humanisierung
Diesem inneren Totalitarismus unserer Epochen müssen wir in dem Konzept einer anderen Moderne vorrangig begegnen, eben durch die Einsicht, uns zunächst als homo sapiens besser kennezulernen, bevor wir ins Pathos seiner Überwindung durch Humanisierung wieder einstimmen können.
Aus: Uchronische Moderne. Zeitform der Dauer. Berlin 2001.
Verbohrert
Das Problem liegt beim Mangel an intellektueller Selbstkontrolle, im Heroismus der aus Schwäche Gnadenlosen und in dem Versuch der Rhetoriker, endlich wieder, nachdem ihnen lange nichts mehr eingefallen ist, eine auffällige Rolle zu spielen. (...) Solche Bedeutungslosigkeit empfinden die Rhetoren als Beleidigung ihrere intellektuellen Fähigkeiten. Auch Angebote von Professuren scheinen für den gekränkten Intellekt keine hinreichende Kompensation zu bieten, da die Studenten angeblich doch bloß labern. Da desavouieren die Herren sich schon lieber selbst, um wenigstens radikal schick zu sein und um vom lahmen Pegasus auf einen apokalyptischen Gaul umsteigen zu können.
Aus: Ein Gleichnis vom verlorenen Intellektuellen. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Nicht-Tun statt Sabotage
Aber wir müssen nun endlich mit dem Nicht-Tun als Verhindern anfangen und zwar vorschriftsmäßig, sonst werden Sabotage oder subversive Aktionen für manchen zu den einzig noch praktizierbaren Formen der relativ risikofreien Verhinderung von Katastrophen.
Aus: Risikogesellschaft. Verhalten nach Vorschrift, aber wehe, wenn man sich daran hält. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Selbsterfahrung
Kein Faschist ist nur, wer in konkreten Situationen erfahren hat, daß er durchaus einer sein könnte. Nur wer seine eigenen fundamentalistischen Verführbarkeiten kennt, vermag sich von ihnen abzusetzen. Erst wer die selbstvergessene Hingabe an die Wonnen der gewöhnlichen Unterhaltung hinreichend lange genossen hat, wird Ekel und Angst vor dieser Selbstaufgabe zu spüren vermögen.
Aus: Das Einzige, was Menschen in Zukunft gemeinsam haben werden, sind Probleme. In: die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Aus der Welt bringen
In wissenschaftlicher Hinsicht stellt die Musealisierung eine der wenigen völlig unschädlichen Formen des „Aus der Welt Bringens“ dar; allgemein liefert ja die Kunst ein Paradigma für menschliches Tun ohne Folgen, und nach diesem Typus des Handelns besteht ja gegenwärtig große Nachfrage. Wo bisher alle Anstrengungen darauf gerichtet waren zu produzieren, und auch das Konsumieren nur wiederum als Produktion von Abfall bemerkenswert wurde, liefert die Musealisierung ein Beispiel für das Aus der Welt Bringen, das zumindest so kontrolliert stattfindet, wie das In die Welt Bringen durch schöpferische Produktion.
Aus: Museen sind Schöpfer von Zeit. In Peter Noever: Das diskursive Museum. Berlin 2001.