Brock-Leser maria reinecke
Querdenker, Buch-Autor, Publizist
Das Leben liegt in den Zwischenräumen.
"...Was uns die (Natur)Wissenschaft an Erklärungsmodellen zur Wirklichkeit liefert, hat Auswirkungen auf unser Denken und Leben, auch wenn uns das nicht bewusst ist. Es macht einen Unterschied, welchen Paradigmen wir insgeheim anhangen. Wie wir denken, so leben und handeln wir.
Die klassische Physik Newtons, die noch immer weitestgehend unser Weltbild prägt, macht z.B. aus der lebendigen Mannigfaltigkeit der Natur einen neutralen, lückenlos ablaufenden Kausalmechanismus, ohne Raum für spontane, unerwartete Entwicklungen; jegliche Wirk- und Zweckverursachung lebendigen Selbstseins bleibt darin unberücksichtigt. Einzelne, isolierte, eindeutig lokalisierbare, quantifizierbare Objekte, Körper, Substanzen und deren Verhalten stehen im Visier.
Die moderne Physik des XX. Jahrhunderts revidiert diese Vorstellung radikal. Es geht nicht mehr vordergründig um determinierte Abläufe neutraler Aktivitäten; nicht mehr um einzelne isolierte Objekte, Körper, Substanzen, Entitäten und deren Verhalten, sondern primär um das, was sich dazwischen, zwischen ihnen ereignet: Energie, Interaktivität, Relationalität, Wechselbeziehung, Veränderung, Abhängigkeit sind die eigentlichen Tatsachen der Welt und bilden die Grundlage für ein neues, erweitertes, hoch komplexes, organisches/organistisches, kreatives, prozessuales Natur- und Wirklichkeitsverständnis. Die interdisziplinären Wissenschaften zeigen uns die Natur, die Welt und den Menschen darin als einen umfassenden Wirkzusammenhang; als ein grenzenloses, wechselseitig sich bewirkendes Energie-Beziehungsgeflecht in notwendiger Relation, Interaktion und Kommunikation zu- und miteinander, mikrologisch und makrologisch...
Alfred North Whitehead und die Zwischenräume
Der englische Mathematiker, Naturwissenschaftler und Philosoph A.N. Whitehead (1861-1947), ist der erste, der die leeren Räume in lebenden Strukturen als Zwischenräume (interstices) bezeichnet. Whitehead misst diesen scheinbar leeren Zwischenräumen eine grundlegende Bedeutung bei, indem er sie mit der physikalischen Feldtheorie und den Wechselwirkungen des elektromagnetischen Feldes in leeren Räumen in Zusammenhang bringt. Bereits 1929 schreibt Whitehead in seinem Hauptwerk Prozess und Realität (stw 690) den bislang kaum beachteten Satz: „Das Leben liegt in den Zwischenräumen jeder lebenden Zelle und in den Zwischenräumen des Gehirns verborgen“; und er meint das nicht metaphorisch, sondern konkret, wirklich.
Whitehead sieht die einzelne lebende Zelle als ein komplexes physikalisches Feld, das durch Moleküle, Atome und Elektronen besetzt ist. Zwischen den besetzten Raum-Zeit-Stellen befinden sich leere Räume voller sog. virtueller Energie; denn leer bedeutet nur: frei von Elektronen, Protonen oder irgendeiner Form elektrischer Ladung. Nun werden physikalische Felder erst verständlich durch die Einflüsse, die von außen auf sie einwirken; d.h. die virtuellen Energieströme in dem physikalischen Feld des leeren Raumes können erst durch die Einflüsse angrenzender besetzter Räume (also Moleküle, Atome, Elektronen) zu wirklichen Geschehnissen werden. Je nach Resonanz und Einflüssen aus der Umgebung gehen also die virtuellen Energieströme in einen spontanen Konkretisierungsprozess ein oder nicht. Das ‚Leben’ wirkt dabei wie eine Art Katalysator; es wird geradezu zu einem Charakteristikum des leeren Raumes mit der kreativen Funktion, Neuheit zu erzeugen; aus Potentialität Wirklichkeit entstehen zu lassen... In den Zwischenräumen finden die eigentlichen Prozesse des Lebens statt - so Whitehead..." (maria reinecke, 2012)
(aus dem Vortrag zum XII. Szenografie-Kolloquium der DASA 2012, Dortmund: 'ZWISCHENRÄUME - Die verborgenen Schauplätze der Wirklichkeit'; www.zwischenraeume-leben.blogspot.de
Gruß aus Berlin, Maria Reinecke, www.maria-reinecke.de
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