Dazu ein Vorschlag zur Anwendung der Aussagen im Sozio-Design [– Bazon Brock, 1972]
[...] Wer sich nicht damit begnügt, als Lebensbedingung eben das ganze Leben anzunehmen, und demzufolge die Veränderung der sozialen Verhaltensweisen nicht von der prinzipiellen Veränderung des gesamten Lebens abhängig macht, wird bereit sein, auch in Teilbereichen und mit konkreten Zielen die Veränderung der sozialen Verhaltensweisen für möglich zu halten. Solchen konkreten Veränderungen gilt der zweite Hauptteil der IDZ-Untersuchung im Lernenvironment Mode. Die Techniken dieser Veränderung werden als Sozio-Design bestimmt. Das heißt, wenn die materiale Organisation der sozialen Umgebung auf das soziale Verhalten nachgewiesenermaßen einen Einfluß hat, dann läßt sich auch durch die Veränderung der materialen Bestandteile einer Lebensumgebung soziales Verhalten verändern. Die materiale Bestimmung von Bestandteilen einer Lebensumgebung wird allgemein als Gestaltung bezeichnet, als Design. Mit ihr befassen sich seit langem die eben die Designer. Zumeist aber wird solches Gestalten eben nur auf die materialen Bestandteile von Lebensumgebungen ausgerichtet, nicht auf die in der Konsequenz liegende Veränderung des sozialen Verhaltens (mit einer Ausnahme: dem sogenannten funktionsgerechten Gestalten von Gegenständen der sozialen Umgebung Arbeitsplatz). Design wird zum Sozio-Design, wenn das Ziel der Gestaltung materialer Bestandteile einer Lebensumgebung in einer zielausgerichteten Veränderung sozialer Verhaltensweisen liegt. Um aber solche sinnvollen und wünschbaren Ziele, von denen die Verhaltensänderung abhängig ist, auffinden und ihrer Bedeutung nach aufschließen zu können, bedarf das Sozio-Design einer klaren Bestimmung des Verhältnisses von kurz- und langfristigen Orientierungs- und Verhaltensmustern. Die Bestimmung dieses Verhältnisses wird ehestens noch, will man nicht bloß in allgemeinen und deshalb nicht anwendbaren Aussagen stecken bleiben, im konkreten Bezug auf das Problem der Inszenierung oder Organisation von sozialem Leben der einzelnen Menschen oder kleineren Gruppen möglich sein. Aus diesem Grunde müssen Lebensentwürfe sichtbar gemacht und angeboten werden, die den sozialen Lebenssituationen entsprechend jeweils inszenierend oder organisierend verwirklicht werden. Um solche Lebensentwürfe über die allseits bekannten Berufsrollen und Lebensbilder hinaus den einzelnen demonstrieren und anbieten zu können, wird im Verlauf der IDZ-Ausstellung ein Trainingsseminar zur Lebensinszenierung und Lebensorganisation abgehalten, an dem im wesentlichen Designer teilnehmen sollten. Dieses Trainingsseminar wird, soweit die Umstände und Mittel es zulassen, auch mit ihrem konkreten Fall beschäftigten Privatleuten zugänglich sein, die sich unter Anleitung des Trainingsseminars Entwürfe von Lebensinszenierung und Lebensorganisation skizzieren lassen können. Die Zielsetzung der Ausstellung, die am Untersuchungsgegenstand gewonnenen Aussagen in bestimmbare einzelne Lebensplanung einzubeziehen, wird hoffentlich wenigstens für einige Ausstellungsbesucher tatsächlich gelingen. Es ist daran gedacht, im Seminar ausgeschriebene Entwürfe für Lebensinszenierung und -organisation später allgemein zugänglich zu machen.
Brock, Bazon [u. a.]: Mode – ein Lernenvironment zum Problem der Lebensinszenierung und Lebensorganisation. Dazu ein Vorschlag zur Anwendung der Aussagen im Sozio-Design. In: Internationales Designzentrum Berlin e. V. (Hrsg.): Mode – Das inszenierte Leben. Kleidung und Wohnung als Lernenvironment. Berlin: Internationales Design Zentrum, 1972. S. 11 f. [Ausstellungskatalog.] – Mit Genehmigung von Bazon Brock, Wuppertal.
Abb.: Wohnung Ackermann, aus dem Katalog Mode – Das inszenierte Leben, Berlin: Internationales Design-Zentrum, 1972