Buch Szenenwechsel. German Design goes Rocky Mountain High.

Szenenwechsel. German Design Goes Rocky Mountain High, Bild: IDCA 1996. Hrsg. vom Design-Zentrum München / Hans Hermann Wetcke. Frankfurt am Main: Verl. Form, 1997..
Szenenwechsel. German Design Goes Rocky Mountain High, Bild: IDCA 1996. Hrsg. vom Design-Zentrum München / Hans Hermann Wetcke. Frankfurt am Main: Verl. Form, 1997..

[die Grundlage des vorliegenden Buches bilden Ablauf und Referate der International Design Conference in Aspen, IDCA 1996]

Erschienen
1996

Herausgeber
Design Zentrum München, | Wetcke, Hans Hermann

Verlag
Verlag form

Erscheinungsort
Frankfurt am Main, Deutschland

ISBN
3-931317-37-4

Umfang
294 S. : zahlr Ill..

Einband
broschiert

Das Deutschsein des deutschen Designs.

Nachdem bereits Nikolaus Pevsner in Aspen/Colorado einen berühmten Vortrag über the Englishness of English Art gehalten hat, scheint es nicht mehr nur eine typisch deutsche Narrheit zu sein, sich mit dem Deutschsein zu beschäftigen. Nicht zuletzt diskutierte Leonard Bernstein eine ähnliche Frage mit seinem action teaching "was ist das Amerikanische an der amerikanischen Musik?", so daß wir Bernstein und Pevsner als Paten dieser Thematik beschwören können.

Die kürzeste Kennzeichnung des Deutschseins bekundet wohl das Verlangen der Deutschen, von allen geliebt zu werden. Und wenn wir alle sagen, meinen wir damit die ganze Menschheit!

Das Prinzip des Deutschseins definiert sich über den Term "deutscher Radikalismus". Radikalismus bzw. Radikalität beziehen sich auf das lateinische Wort radix (= Wurzel), und wer die Redewendung "zurück zu den Wurzeln" im Mund führt, spielt damit immer auch auf "entwurzeln" oder "ausrotten" an. Das muß man wörtlich nehmen, denn eine weitere Voraussetzung des Deutschseins sind Buchwissen und Buchstäblichkeit. Die Deutschen glauben nämlich, daß das real ist, was sie benennen können; daß in der Wirklichkeit existiert, was einen Namen hat, auch wenn es eigentlich ein abstrakter Begriff ist.

Mit anderen Worten: whatever people believe to be real is real in its consequences oder auf deutsch: was Leute für real halten, zeitigt reale Folgen! Wenn Sie versuchen, jemanden zu beruhigen, der sich vor Gespenstern fürchtet, indem Sie ihm sagen "Geister gibt’s doch gar nicht", ändert das vermutlich nichts daran, daß derjenige vorsichtshalber doch die Fenster mit Brettern vernagelt – in dieser Hinsicht sind dann sogar die Bretter vor dem Kopf real! Bei solchen "Realismus"-Vorstellungen hatte die Aufklärung natürlich keine Chance.
Das Deutschsein wird also erfahren als Suche nach den Wurzeln, den Ursprüngen, um sie auszureißen, und als unverbesserlicher Glaube an das wortwörtliche Verständnis von Aussagen.

Design als Domestikation
Der Design-Gedanke setzte sich zunächst vollständig in der agrikulturellen Veredelung durch: Zuchtwahl.
Zu den Design-Produkten aus Deutschland gehören deshalb Rassepferde aus Holstein, Niedersachen und Ostpreußen oder Schweine aus Pommern und Bayern.
Wir demonstrieren kurz dieses rassige Design an Rassehunden, die sich deutsche Führer und Intellektuelle als Attribut-Tier erwählten: Schopenhauer kraulte seinen Pudel wie Goethes Faust den tierischen Mephisto. Kanzler Bismarck ließ sich stets mit mächtigen deutschen Doggen, die in anderen Weltteilen "Schlachterhunde" genannt werden, sehen. Kaiser Wilhelm II. legte in seinem männlichen Freundeskreis auf die Anwesenheit seiner Dackel großen Wert. Kanzler und Führer Adolf Hitler stellte sich als wachsamer Hirte der deutschen Herde dar, indem er sich dem Deutschen Schäferhund als einzigem verläßlichen Freund zugeneigt zeigte.
Es ist bemerkenswert, daß die Nachkriegskanzler (und Politiker im allgemeinen) in keinem Falle auf den treuesten Begleiter des Menschen als Sympathieträger zurückgriffen, selbst grüne Politiker nicht, die unter Tierfreunden und Heimatschützern ihre Klientel rekrutierten.
Deutsche Kommunikationsdesigner an die Front! Wir möchten Joschka Fischer im Bundestag eine Siamkatze kraulen sehen!

Am Deutschen Design soll sich die Welt erfreu’n

Warum siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und nicht den Balken im eigenen Auge? (Matthäus 7,3)

Die Deutschen sind blind für eine wirkliche Erfahrung der Welt aufgrund der Balken in ihren Augen. Diese Balken lassen sich emblematisch darstellen mithilfe von zwei Pfählen, sogenannten Thementotems, die mit Objekten bestückt sind, die das Deutschsein des Deutschen Designs veranschaulichen.
Beide Balken sind in charakteristischer Weise bekrönt, der eine mit einem Totenschädel, der andere mit einem Narrendiadem.
Der Schädel ist ein berühmtes deutsches Emblem, mit dem z.B. die Uniformen der deutschen Widerständler im Kampf gegen Napoleon in den Jahren nach 1806 versehen waren. Totenkopf und die schwarze Farbe dieser Truppenbekleidung wurden später übrigens von der SS übernommen.
Der Schädel ist mit einer Pickelhaube behelmt, einer Kopfbedeckung, die uns heute die Schamröte der Peinlichkeit ins Gesicht treibt, denn sie diente dazu, die Sterblichkeit ihrer Träger, das Endziel deutscher Politik und Kultur zu verschleiern. Man darf sich an die Tarnkappen erinnert fühlen, die die Helden Wagnerscher Opern trugen, Helden, die namhafte Schwerter schwangen – vielleicht kein Zufall, daß zur gleichen Zeit, in der Wagner seine Werke wirksam auf die Bühnen brachte, der Solinger Stahl Weltgeltung erlangte, ebenfalls ein berüchtigtes Design-Objekt deutscher Herkunft.
Der andere Balken trägt eine Narrenkrone. Aus der kulturgeschichtlichen Tradition des Narren, der unter dem Schutz der Schellenmütze Freiheit der Meinungsäußerung genoß, sind bekannt: Hans Wurst, Eulenspiegel oder Simplicissimus oder ich, Bazon Brock! Nur der Narr durfte zu allen Zeiten die Wahrheit sagen, weil man ihm unterstellte, daß er sowieso nur Heu und Stroh im Kopf habe, welches, wenn es angezündet, prachtvoll himmelwärts lodert – wie die Strahlenbündel Speerscher Lichtdome!

Deutsche Gründlichkeit oder: ist’s Wahnsinn auch, so hat es doch Methode

Der Anfang der deutschen Designgeschichte führt uns noch einmal zurück in die Zeit des Widerstandes gegen Napoleon. Wie uns Tilman Buddensieg lehrte, handelt es sich beim Eisernen Kreuz um die erste große deutsche Designleistung. Karl Friedrich Schinkel hatte es entworfen, auf daß damit diejenigen geehrt würden, die den Kampf im Namen der Nation angetreten haben. So begann die Designgeschichte mit einer Sackgasse, denn wer das Eiserne Kreuz errang, konnte sicher sein, sich in einer Falle der Ausweglosigkeit zu befinden. In dieser Linie folgen weitere Warenwunder, Erfindungen, die im wahrsten Sinne des Wortes siegreich das Deutschsein verkörperten – nämlich Waffen, Raketen, das erste einstrahlige Düsenflugzeug – und dennoch ungepriesen blieben. Denn tragischerweise war ihnen die höchste Auszeichnung für einen gelungenen funktionalen Entwurf, die Prämierung als "die gute Form" vorenthalten: Waffen durften von der Jurierung nicht berücksichtigt werden, ungeachtet der Tatsache, daß sich die besten Designleistungen direkt oder indirekt der Rüstungsindustrie verdanken, vom wirtschaftlichen Erfolg entsprechender Geräte ganz zu schweigen.
Die wirksamsten Designer waren stets Soldaten: innerhalb von Sekunden gestalten sie die Dinge komplett um, wenn es sein muß. Ihnen als den effektivsten Entwerfern ist das Kochgeschirr gewidmet: in den Blechnapf paßte eine Taschenausgabe etwa der Werke von Nietzsche, mit deren Hilfe sich der Soldat über sein Tun, über seine Neuorganisation der Welt orientieren, sich mit Urteilskraft bewaffnen konnte. Im Feld hätte er sich wahrscheinlich eher von seinem Gewehr als von seinem Geschirr getrennt, schließlich gehörte die Blechdose, in der das Essen nicht nur mitgeführt, sondern auch erwärmt wurde und aus der man es direkt verzehrte, zu den hervorragenden deutschen Designleistungen.
Im Namen welcher Kultur der Soldat auch immer kämpfte, der Kulturbeutel, den er selbstverständlich mit sich führte, trug jedenfalls wesentlich zur Zivilisierung der Menschheit bei! Diese brillante deutsche Errungenschaft – sozusagen die Mutter aus der Tasche – erinnerte jeden im Felde Stehenden an seine ersten zivilisatorischen Pflichten: Zähne putzen (oder wenigstens mit Odol gurgeln) und Füße waschen. Daß der sinnreiche Beutel doch nicht nur der Zivilisation, sondern auch der Kultur seinen Tribut zollte, beweisen z.B. das mitgeführte erfrischende Kölnisch Wasser oder ein Tannenbäumchen als Memorierobjekt, um die lebensbestimmenden Rituale im Frieden zu erinnern. Wer sich diese Rituale nur unter Schluchzen vergegenwärtigen konnte, tupfte die Tröpfchen diskret mit einem Tempo-Tuch beiseite. Dieser Einwegartikel ersparte allen Weinenden die Wiederbegegnung mit alten Tränen, man warf das Tempo fort, bevor neue vergossen wurden – denn dazu gab es in der deutschen Geschichte Gelegenheit genug. In hygienischer Hinsicht bewährte sich das Tempo, weil man sich nicht mehr mit den eigenen Schnupfenbazillen infizieren mußte. Universelle Hilfe versprach das Medikament Aspirin, dessen Wiege in Wuppertal stand und das die Lazarettärzte als Allheilmittel verabreichten – man hat gesehen, mit welchem Erfolg! Die amerikanische Armee hat sich jedenfalls klugerweise nicht darauf verlassen.
In diesen Designobjekten manifestierte sich das Deutschsein als Ausdruck des Rationalismus, der Organisationsfähigkeit, der Planung, der Begabung, die definitiven Ziele unserer Handlungen unsichtbar zu machen, sie mit neuen utopischen Ideen der Welt zu verschleiern.

Deutsche Gemütlichkeit oder die Geburt des Idealismus am warmen Herde

Dem gegenüber steht die Tradition des Idealismus, der Reformbewegungen, des Wunsches nach Gemütlichkeit.
Der andere Balken trägt Embleme z.B. der deutschen Lebensreform, die sich um 1900 mit weltverbessernder Absicht auf die Socken, oder besser: Latschen machte. Noch heute wandern die Narren heimatlos in der Welt umher, nunmehr in den Nachfolgesandalen aus dem Hause Birkenstock, und wie der Soldat – das zeigt, wie eng die beiden Stränge Rationalismus und Idealismus miteinander verknüpft sind – mit geschultertem Rucksack.
Als Wegzehrung dient seit seiner Erfindung in Hannover der Leibniz-Keks, ein haltbares Nahrungsmittel, das mit dem gleichnamigen Philosophen lediglich durch einen topographischen Zufall verbunden ist. Weitaus bedeutsamer als diese Patronage sind die drei Buchstaben T.E.T. auf jeder Packung, die auf das altägyptische Wort für Ewigkeit zurückgehen. Auf Ägypten bezog man sich natürlich in dem Sinne, daß die pyramidalen Hinterlassenschaften dieser Kultur wie kaum etwas anderes geeignet sind, auf Dauer zu verweisen. Kurz und gut: auf der Rucksackwanderung durch die Welt – sei sie närrisch oder einsichtsvoll – ernährt man sich vom Ausdruck des Immerwährenden, bis er einen verdaut wieder verläßt und bis man selbst wieder zu Fischfutter wird – das ist der ewige Zyklus der Welt.
Sollten Sie auf Ihrer Reise zu den letzten Gründen noch einmal nach dem Weg fragen müssen, wird Ihnen ein Wörterbuch behilflich sein, wie es Gustav Langenscheidt 1854 ersann. So wurde es durch deutsche Gründlichkeit nicht zuletzt den Soldaten ermöglicht, sich mit denen zu verständigen, die sie soeben erschossen hatten.
Neben Radikalität und Buchstabentreue dürfte wohl die Sauberkeit zu den meistgenannten deutschen Eigenschaften gehören, und so wurde konsequenterweise das Reinheitsgebot im Jahre 1516 von einem deutschen Herzog, nämlich Wilhelm V. von Bayern, erlassen. Es legte für alle Zeiten fest, daß Bier nur aus Wasser, Hopfen und Malz bestehen dürfe. Intelligenterweise ersannen Deutsche zur Aufbewahrung dieses Getränks auch gleich eine Flasche mit wiederverwertbarem Verschluß, wohl noch nicht ahnend, daß sich Recycling zu einem wesentlichen Anliegen des Umweltschutzes entwickeln würde.
Um den Umweltschutz haben sich im Wesentlichen die Grünen verdient gemacht, die eine erste parteibildende Thematisierung der Müllvermeidung betrieben und sich eine in der Welt einmalige farbsymbolische Propaganda von hohem Wiedererkennungswert zugelegt haben. Diese formierende Kraft korrespondiert eng mit der deutschen Schöpfung eines speziellen Personenstatus, dem des Beamten. Diese besondere Ausstattung von Staatsdienern mit Unkündbarkeit und lebenslänglicher Versorgung wird durch Artikel 33 des Grundgesetzes garantiert.
Zu den Unentbehrlichkeiten des deutschen Beamten gehört der Aktenordner, zwischen dessen Deckeln die Lebenden und die Toten verwaltet werden und der die papiernen Utopien der Staatengründer schützt. Der Ordner gehört zu den maßgeblichen Designleistungen vor allem aufgrund des markanten, stabilisierten Lochs – nicht nur, weil man ihn damit praktischerweise aus dem Regal ziehen kann, sondern weil das Loch die beste formale Analogie zu dem ist, worauf Deutschtum beruht: auf einem Nichts So, wie die Metallöse das Loch verstärkt, wird dieses Nichts durch Mystizismus und Spiritualität gefaßt, und so ist selbst die rationale Tradition verschwistert und durchflochten mit animistischer Beseelung toter, abstrakter Dinge. Wie anders läßt es sich erklären, daß der auf überaus rationelle Weise gefertigte und vertriebene Volkswagen den Namen Käfer erhielt? Was sonst könnte den Volksglauben erklären, daß die wohldurchdachte, gute Organisation der Einzelhaushalte Heinzelmännchen zugeschrieben wurde, oder daß sich eine deutsche Rundfunkanstalt in Anlehnung an diese personifizierten Erdkräfte in Zwergengestalt durch Mainzelmännchen repräsentieren ließ? Diese Inkorporationen sind Ausdruck der Deutschen für ihr unvergängliches Verlangen, ihre Wünsche auch erfüllt zu sehen, die Befriedigung ihrer Bedürfnisse gesichert wissen zu wollen – ob durch Gnome oder weniger märchenhaft durch Beamte, spielt dabei kaum eine Rolle. In diesem Sinne ist Schneewittchen ungeachtet der glamourösen Disney-Verfilmung in Hollywoodmanier eines der deutschesten Märchen überhaupt!
Eine weitere Fabelfigur verkörpert das Selbstverständnis der Deutschen, das Image, das sie sich im internationalen Wettbewerb selbst zuschreiben: der Igel. Unter Bezug auf die bekannte Geschichte von Hase und Igel sahen sich die Deutschen nach 1950 angesichts der wirtschaftlichen und politischen Konkurrenz von Engländern, Franzosen und Amerikanern gerne als Igel, der das Rennen gewinnt aufgrund seiner Gewitztheit und Geschicklichkeit. Bekanntermaßen verloren die Deutschen jedes weltgeschichtliche Rennen und wurden in der internationalen Karikatur stets als blamierter Hase (z.B. von Gulbransson mit den Zügen Wilhelms II.) porträtiert.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diesen Verlierern das neue Wappentier zugestanden. Von den Alliierten bekamen sie den Mecki, einen eher unattraktiven Biedermann ohne weitreichenden Handlungsanspruch, zur Identifikation angeboten. Dergestalt die Demütigung zu akzeptieren und Lehren daraus zu ziehen, konnten sich die Deutschen endlich in der langangestrebten Rolle des Igels bestätigt fühlen. Die wirtschaftlichen Erfolge der jungen Bundesrepublik schienen ihnen denn auch Recht zu geben, wobei der Mercedes-Stern in diesem Zusammenhang als herausragendes Symbol der deutschen Kunst- und Designgeschichte genannt werden muß, das diese Logiken impliziert. Kein Geringerer als Erwin Panofsky hat uns über diese Ikonographie belehrt!
Der Begriff Ökonomie (Wirtschaft) leitet sich ab aus dem griechischen Wort oikos (= Herd). Das macht deutlich, daß die Keimzelle aller wirtschaftlichen Betätigung die heimische Kochstelle ist, um die herum sich früher das Familienleben organisierte. In der deutschen Figur der "guten Hausfrau" fließen die rationalistische Tradition der Planung, der Kalkulation und die romantischen Vorstellungen bändigbarer Erdkräfte und guter Geister zusammen; die gute Hausfrau wäre demnach die Schnittstelle zwischen deutschem Beamten und grünem Wandervogel. Daher ist der Bereich der Hauswirtschaft neben der Waffentechnologie das zweite große Betätigungsfeld erfolgreicher deutscher Designer, man denke nur an die weltweit verbreiteten Lebenshilfen Uhu oder Tesa-Film, mit denen sich die Trümmer, die bei der buchstabengetreuen Realisierung deutscher Großmachtphantasien entstanden, mühelos wieder zusammensetzen ließen. Um die Spuren des schöpferischen Eingreifens in die Weltordnung zu beseitigen, bediene man sich eines Wischlappens, wie er in der ehemaligen DDR unter dem Produktnamen Malino erfunden wurde – dieses Reinigungsvließ war eine der wenigen Designleistungen, die während des Bestehens der DDR über ihre gutbewachten Grenzen hinaus auch im Westen weite Verbreitung erlangte. Leider war es den findigen Entwicklern dieses Scheuerteufels nicht gelungen, damit den reichlichen Unrat in ihrem eigenen Staat zu entfernen.
Da die Vermeidung von Rückständen eine so wichtige deutsche Strategie darstellt, wurde selbstverständlich von einer deutschen Hausfrau, Melitta Bentz, der nach ihr benannte Kaffeefilter kreiert – damit gelang es, den Geist des Kaffees aus der Substanzhaftigkeit zu lösen. Kaffee ist nicht nur neben Bier das deutsche Nationalgetränk, sondern vor allem Bestandteil und Ausdruck einer atmosphärischen Stimmung, die wir Gemütlichkeit nennen: so sitzen denn Arm in Arm, die dampfenden Tassen auf dem Schoß, der wandernde Beamte und seine grüne Hausfrau, umgeben von ihren Kindern, die, soeben aus dem Kindergarten heimgekehrt, ganz den Idealvorstellungen der Käthe Kruse entsprechen. Die von ihr entworfenen Puppen waren weniger Ab-, als vielmehr Vorbild des deutschen Kindes, für seine Kleidung und Haartracht, während seine soziale Formationen in den pädagogischen Anstalten vermittelt wurden. Die In-Formation von Kindesbeinen an, ist zwar keine urdeutsche Erfindung, gedieh aber im II. und III. Reich zu höchsten Blüten, von denen Jugendbünde, Gesangs- und Sportvereine noch die harmlosesten Ausprägungen sind.

Die soziale Wärme deutscher Gemütlichkeit ist derart mit Händen zu greifen, daß noch Joseph Beuys seine Plastiken daraus formen konnte, wodurch er zum bedeutendsten Gestalter deutscher Haushalts- und Wirtschaftsstrategien wurde.

Wenn dann noch aus der guten Stube der Kuckucksruf einer Schwarzwalduhr erschallt, kann man sicher sein, die ultimative Repräsentation des Deutschseins vorgeführt zu bekommen: wer nach dem Deutschen ruft, wird von seinem Echo in die Irre geführt!

Das Deutschsein des deutschen Designs

Das Deutschsein des deutschen Designs

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siehe auch:

  • Vortrag / Rede

    Design-Conference in Aspen/Colorado

    Vortrag / Rede · Termin: 05.06.1996 · Veranstaltungsort: Aspen, Colorado, USA · Veranstalter: International Design Conference in Aspen