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Süddeutsche Zeitung Magazin. Heft 18/2021
Süddeutsche Zeitung Magazin. Heft 18/2021

Erschienen
06.05.2021

Erscheinungsort
München, Deutschland

Issue
Heft 18/2021

Seite 8 im Original

»Er konnte gefährlich sein, weil er die Menschen mit sich selbst konfrontierte«

Joseph Beuys veränderte die Kunst für ­immer. Was machte ihn als Menschen aus, und warum wirkt sein Werk bis heute nach – auch ­politisch? Am 12. Mai jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal. Weggefährten und Künstlerinnen ­erinnern sich an eine ganz und gar außergewöhnliche Persönlichkeit.

Protokolle: Thomas Bärnthaler und Gabriela Herpell

[Hier werden nur die Zitate von Bazon Brock wiedergegeben. Der gesamte Beitrag ist zu finden unter: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/kunst/joseph-beuys-100-jahre-90167?]

S. 10:
„Beuys wohnte bei Freunden, den van der Grintens in Kleve. Mutter van der Grinten war eine gute Psychologin. Die hat sofort erkannt, worum es sich handelt, der Konflikt zwischen seiner Befangenheit in der kulturellen Schwärmerei im Dritten Reich und der Einsicht, dass das katastrophal gescheitert ist. Sie hat gesagt, arbeite auf dem Feld wie der normale Mensch, zur Stärkung der Fähigkeit, dich auf deinen Körper verlassen zu können. Du musst den Konflikt annehmen, und die Kunst ist die beste Art, mit prinzipiell unlösbaren Problemen umzugehen.“

„Er hat nie geleugnet, dass er eine hohe Affinität zu dem Sozialverband hatte, in dem er in seiner Jugend integriert war. Aber er ist natürlich kein Nazi gewesen, das ist die völlig falsche Abqualifizierung. Wer sagt, Beuys war ein Nazi, will nur verhindern, dass man sich mit Beuys beschäftigt.“

S. 11:
„Ute Klophaus war eine Fotografin, selber Mitglied der Fluxus-Bewegung, die die Rezeption der Beuys’schen Aktionen durch ihre Art der Fotografie, durch ihren Blick überhaupt erst möglich gemacht hat.“

„Einmal waren Ute Klophaus und ich bei Beuys zu Besuch. Er verabreichte uns einen Tee, japanisches Zeremoniell mit Schaum und Besen. Nach kurzer Zeit hatten wir eine Muskellähmung, mit Ausnahme der Augenlider konnten wir nichts mehr bewegen, nicht sprechen, nichts. Ute Klophaus war der Panik nahe, sehr irritiert, es hatte tiefenpsychologisch eine andere Wirkung auf sie. Ich habe ihn nur weiter angeguckt und gedacht, ich vertraue darauf, dass du weißt, was du tust. Die Wirkung ließ nach einer halben Stunde nach, und wir besprachen das ganz ruhig. Ute Klophaus war so überwältigt, dass sie rechtliche Schritte einleiten wollte, weil sie meinte, das sei eine Art von Vergewaltigung gewesen.“

S. 14:
„Roth-Händle rauchte er, ohne Filter, auch heimlich, seine Frau sollte das nicht sehen. Wenn man ihn fragte, warum rauchst du denn noch, sagte er, ich muss die Balance halten. Am Ende hat er gesagt, einer Kultur anzugehören sei wichtiger als ein individueller Künstler zu sein, soviel der auch geleistet haben mag.“

„Er starb (wie Paul Klee) an Versteinerung, Versteinerung des Lungengewebes. Das verliert die Fähigkeit, sich zu dehnen.“