Vortrag / Rede „Aktionsmetaphern“ von Anna und Bernhard Johannes Blume

Vernissage der Ausstellung

Buchmann Galerie / Charlottenstr. 13 / 10969 Berlin

(4. November 2011 - 14. Januar 2012)

12 Bilder und 33 Farbstiftzeichnungen von Anna und Bernhard Johannes Blume

Termin
04.11.2011, 19:00 Uhr

Veranstaltungsort
Berlin, Deutschland

Veranstalter
Buchmann Galerie, Berlin

Innerweltliche Transzendenz

Bilderdienst von A.+ B. J. Blume gegen die Verhexung des Verstandes

Einleitung:
Zunächst möchte ich Sie ganz herzlich begrüßen heute Abend in der Ausstellung von Anna und B.J. Blume. Ich möchte Sie bitten, näher zu treten, weil wir gleich eine wunderbare Einführung zu dem Werk hören werden von Herrn Bazon Brock, den ich auch ganz herzlich begrüßen möchte. Aber mein erster und inniger Dank geht an Anna Blume. Ich möchte dir ganz herzlich danken für diese Ausstellung. Es ist eine sehr schwere Situation im Moment und ich bin sehr glücklich, dass du die Kraft hattest, diese Ausstellung heute für uns zu machen.

Anna Blume:
Ich danke .... (unverständlich/Applaus)

Bazon Brock:
Liebe Anna, verehrte Gesellung. Die Vorgabe, die die beiden – Anna und Bernhard Johannes – über 40 Jahre geboten haben, können Sie eigentlich bei Theweleit nachlesen. Im Buch der Könige gibt es lange Aussagen über die Productive Couples, Zusammenschlüsse von Paaren, um eine bestimmte Wirkungsintention zu entwickeln. Die Wirkungsintention bei den beiden war eigentlich vorgegeben dadurch, dass sie Lehrer waren. Und das ist ihr großes Glück gewesen. Hätten sie auch als bloße Bohème-Künstler begonnen, wären Sie heute im Mülleimer der Geschichte gelandet. Man muss sich vorstellen, dass die tatsächlichen Durchsetzungen von Intention des Wirkenwollens im 20. Jh. in diesem merkwürdigen Zwischenbereich ... Die wirkliche Intention lässt sich nicht mehr in der Absicht Künstler sein zu wollen realisieren. Das ist eine Form der Entfaltung von Aussagen, Ansprüchen, die sozial nicht mehr repräsentiert werden kann. Also das berühmte Prinzip Autorität durch Autorschaft – jemand der ausschließlich sich selbst einen Geltungsanspruch erhebt. Sie wissen, dass der Markt längst das Regime übernommen hat. Es kann einer noch so intelligente Aussagen, Ansprüche erheben – hat er am Markt keinen Erfolg, stehen hinter ihm keine Parteien, Sammler, Professoren etc., dann kriegt er auch keine Aufmerksamkeit. Das heißt, das Alleinstellungsmerkmal für die Moderne in Europa seit dem 14. Jh. ist abgewirtschaftet. So sehr man natürlich auf der anderen Seite auch sagt: Wenn es überhaupt ein Alleinstellungsmerkmal in Europa geben soll, dann wäre das Autorität durch Autorschaft. Also nicht Autorität durch Markt, nicht Autorität durch die Presse, nicht Autorität durch die Sammler, nicht Autorität durch die Museen etc., sondern ausschließlich durch Autorschaft. Das halten nur ganz wenige durch. Weswegen im 20. Jh. – denken Sie nur an die Bauhauspathetik ab 1919, aber vorher Deutscher Werkbund – die größte Anzahl der intelligenten Leute mit Anspruch auf Aussagen, Urheberschaft und Wirkung in den Bereich der Pädagogik gegangen sind. Deutscher Werkbund – Pädagogik. Bauhaus – Pädagogik. So ging das eigentlich durch. Pädagogik heißt jetzt ganz etwas anderes als der Feuilleton-Journalismus das wahrhaben will. Denn es ist nicht Führung aus der Position dessen, der Vorbild ist. Das können Sie im ganzen 20. Jh. nirgends finden. Sondern aus dem Geiste dessen, der Beispiel gibt. Vorbild kann keiner sein. Aber Beispielgeber schon sehr wohl. Das heißt, schon die pädagogische Wirkungsabsicht ist, jemanden zu befähigen, selbst ein Beispiel zu geben für die Bearbeitung von Themen, für die Orientierung auf Sachverhalten, die eben von allgemeinen oder von – in diesem Falle – einzelkünstlerischem Interesse ist. Und in dieser Hinsicht haben die beiden aus der Tatsache, dass sie Lehrer am Gymnasium waren, ungeheuren Vorteil gezogen, weil sie durch ihre Arbeit immer gezwungen waren, ein Beispiel zu geben – nämlich für alle Schüler, ohne dass sie jetzt ihrerseits sagten: Macht es so nach, dann kommt ihr zu einem Resultat. Oder: Nehmt das Patentrezept auf, dann habt ihr eine Chance, eigenständige Urheber zu werden. Es war nichts als pure Beispielhaftigkeit. Man hat immer gestaunt, wenn ihr Unterricht machtet, dass es nicht im Sinne der frontalen Orientierung auf die Schüler war, sondern ihr habt eigentlich in einer anderen Ebene vor euch hin gearbeitet. Und das sahen die anderen mit großen Augen und haben sich durch diese Art der Beispielhaftigkeit dann auf das zentrale Thema orientiert.
Was ist das zentrale Thema? Ich habe hier bei Buchmann eben dankenswerterweise die drei natürlich vergriffenen Bände gefunden. Transzendentaler Konstruktivismus und den Großband und dann eines der bedeutendsten Bücher der gesamten Künstlergeschichte – Annas Reine Empfindung. In allen stehen natürlich lange, ausführliche Darstellungen meinerseits drin. Das ist aber nicht das Bedeutende, sondern dass die in der Sache genau angeben, was die Beispielhaftigkeit der Exemplifizierung war – das Beispiel, Exempel zu geben. Und zwar nicht, indem man anderen etwas mitteilt, sondern indem man es tatsächlich exemplifiziert, also Gestalt werden lässt auf der Ebene, auf der das Thema jeweils bearbeitet werden kann. Das Generalthema wiegt von Anna hier in ihrem Bande wie aber auch bei den beiden Zusammenarbeitskonzepten klar. Jeweils ein Zitat, mehrere Zitate, hier z.B. 50 Zitate, die aus der Geschichte dieser Beispielhaftigkeit angesprochen werden. Hier z.B. Malewitsch 1922: Für den neuen Künstler erwächst die Aufgabe, alles das, was bisher mit Natur bezeichnet wurde, in Gegenstandslosigkeit zu verwandeln. Nochmal? Für den neuen Künstler erwächst die Aufgabe, alles das, was bisher mit Natur bezeichnet wurde, in Gegenstandslosigkeit aufzuheben. Jede Seite ist ein Volltreffer im Hinblick auf eure Kenntnis. Man staunt als jemand, der sich von Berufswegen damit beschäftigen muss, wie ungeheuer präzise ihr die einzelnen beispielhaften Zitate gefunden habt.

Anna Blume:
Ich habe die Bücher alle durchgesehen ...

Bazon Brock:
Das sieht man auch. Das merkt man hier dran.
Das Abstrakte bleibt der gestaltete Ausdruck in Funktion des Universellen. Das Abstrakte bleibt der gestaltete Ausdruck des Universellen. Das klingt uns heute, als sei es apokryph. Ist aber nichts desto weniger der Punkt, an dem die moderne Entwicklung sowohl wissenschaftlich wie künstlerisch in die Übereinstimmung laufen, etwa, wenn Sie an Fröhlingers(?) Komplementaritätsfunktionen denken oder Einstein-Formulierungen über die Relativität, die ja alles andere heißt, als dass etwas relativ sei – und so fort. Und zwar so, dass man tatsächlich die Geschichte, die man an der beispielhaften Durcharbeit an euch sehen kann. Das beginnt ja mit dem Universalienstreit, der um die Frage geht, ob die Universalie, also die allgemeinen Begriffe Liebe, Freiheit, Freundschaft, Gerechtigkeit, Gleichheit und so weiter, reale Gegebenheiten seien oder bloßer Flazes-Flozes, also nur Gestammel, aus der Hilflosigkeit zu kommunizieren. Der Universalienstreit hat das gesamte Mittelalter geprägt und ist der Übergang aus einer weitgehend theologisch gestimmten Argumentation in die wissenschaftlich und künstlerisch ... Künstler gibt es und Wissenschaftler erst seit dem 14. Jh. Vorher hat es das nicht gegeben. Weder in Griechenland noch in Rom noch in China noch in Indien. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für Europa und zwar im Hinblick auf dieses Grundproblem des Universalienstreits. Man sieht lauter rote Dinge. Da hat es einen roten Schal, der hat einen roten Pullover und einen roten Schal, die hat eine rote Tasche. Die Frage ist: Ist das von dieser Gegebenheit der Eigenschaft der Dinge abstrahierte Rotsein oder die Röte auf gleiche Weise gegeben wie die roten Dinge? Man sieht Menschen, die miteinander freundschaftlich umgehen. Ist die Freundschaft auf gleich Weise gegeben wie das freundschaftliche Miteinanderumgehen? Man sieht Leute im Verhalten – das nennt man lieben. Ist die Liebe auf die gleiche Weise real gegeben oder ist das nur eine Denkkrücke, eine lässliche Verständigung ohne eigene Substanz? Das ist der Kern des gesamten Problems, der hier untersucht wird und zwar wirklich mit dem angemessenen Mittel. Denn in der mittelalterlichen Theologie wurde es ja von bildenden Künstlern etwa im Hinblick auf die Darstellung der Heiligen, auf die Darstellung von Jesus, auf die Darstellung der heilsgeschichtlichen Mittel, der Heilsmittel, dargestellt. Und das habt ihr wieder systematisch aufgerufen und zwar durchgehend vom 14. Jh. bis in die Gegenwart.

Wie sieht die Situation heute aus? Wenn man das jetzt von der wissenschaftlichen, künstlerischen Seite gleichermaßen durchgeht ... unser ganzes Leben besteht im Hinblick auf Demokratietheorie, auf die Kunsttheorie aus lauter universalen Begriffen – Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit als Paradebeispiel für das moderne Demokratieverständnis. Existiert so etwas überhaupt real als Gegebenheit wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Oder sind das Papierformen – Flazes-Flozes – das heißt eigentlich Fürze – Gedanken-Fürze und nichts anders. Wie weit können wir denn unser Vertrauen auf die Bindung aneinander über den Begriff der Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit überhaupt setzen? Wie stark ist das Vertrauen, wenn das, worauf wir setzen – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – nichts anderes als ein Wort-Furz ist, aber keine Gegebenheiten, wie das reale Verhalten der Menschen? In den Vorgaben, die die beiden untersuchen, geht es jetzt um die Frage – und hier der klassische Ansatz aus den 70er Jahren –, wie weit sich etwas Abstraktes – das nennen wir normalerweise Kognition oder Geistiges – in der gleichen Weise überhaupt bildlich darstellbar oder begrifflich im Sinne der wortsprachlichen Fassung darstellbar ist, wie die realen Dinge, um deren Darstellung wir uns stilistisch oder in sonstigen Hinsichten einig sind, dass man sie repräsentieren kann. Wie kann man abstrakte Begriffe repräsentieren, im Unterschied zu den Tischen und den Stühlen und den Mädchen und den blauen Blumen und den roten Blumen und den Bergen und dem Moos und etc.

Sie sehen wir das geht – und zwar lange, bevor Luhmann mit seinen Übertragungen aus der Mathematik populär wurde im Hinblick auf die Zwei-Seiten-Form. Hier haben Sie ja Paradebeispiele dafür immer in der Konfrontation zwischen zwei Profilen. Da ist die Frage, was ist die Form, wenn sie aus der Psychologie kennen, dass das hier, also die gebildete Form, durch das einbeziehen dieser beiden inneren Formungen, das hier die eigentlich entscheidende Formgebung ist. Denn das andere ist ja nichts anderes als eine Repräsentation von etwas real Gegebenen – zwei Menschenköpfen. Aber das, was die miteinander in dieser Konfrontation bilden – in der Psychologie ist das sprichwörtlich, das können Sie in jedem Psychologielehrbuch sehen, wie die zwei Köpfe aneinanderhalten und die bilden dann so ein Stil-Profil. Da ist die Frage: Kann man hier, das sogenannte Zwischenraumgespenst – so hat Klee das genannt – die Zwei-Seiten-Form, so nennen es die Mathematiker. Die eine Form ist das Profil und das, was geformt ist, ist der Kopf. Das andere ist das, was durch die Profilgebung des Kopfes nach außen hin, nach der anderen Seite, gebildet wird. Sie sind ein Körper. Ich bin ein Körper. Das, was uns ausmacht, ist hier die Konturlinie, mit der wir uns umgrenzen. Dadurch, dass wir uns umgrenzen, bilden wir zwischen einander wieder einen neuen Körper – nämlich den Zwischenraum. Das, was real nur durch die Konfrontation des Gestaltenden steht. Das macht er immer sichtbar, in dem er, wo Sie auch hingucken, auf jeder Einheit – dies ist nun wesentlich Bernhard Johannes, es trifft aber genau so auf die Anna zu –, in dem er die andere Seite des nicht mehr materiell-physisch repräsentierten als Gegebenheiten durch die Gegebenheiten. Und das nennt man Komplementarität – in der Mathematik, in der heutigen Diskussion.
Wie kommt das? Was hat das für eine Bedeutung? Im Mittelalter ging es darum: Sind Universalien, also abstrakte Begriffe, real oder Wort-Fürze? Und die Antwort war: Wenn ich glaube, es sind nur Wort-Fürze, dann bin ich Nominalist. Ich halte es für bloße namentliche Gegebenheiten. Halte ich die aber für real gegeben, dann bin ich Realist. Sie merken schon, was passiert. Wenn wir den deutschen Idealismus angucken und hier den transzendentalen Idealismus, auf den sie anspielen – denn die beiden haben ja Philosophie studiert –, dann ist es genau umgekehrt. Dann würden wir sagen: Die Idealisten, die also an die realen Gegebenheiten von begrifflichen Einheiten jenseits des Wirklichen denken, also an die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und nicht an Menschen, die sich Freiheit, Gleichheit und ... (14:35) beleben, dann würden wir das, was wir als einen Nominalismus bezeichnen ... und die Realisten, denn die leugnen, dass es so eine abstrakte Einheit geben kann.

Es hat sich da etwas verändert, und zwar aus der inneren Dynamik heraus, die das Ganze darstellt. Das ist eben das Problem der Komplementaritäten – nicht mehr dialektische Vermittlung, nicht mehr Entgegensetzung von Schwarz und Weiß, von Diesseits und Jenseits, von menschlich und göttlich von irdisch und himmlisch oder was auch immer. Auch keine dialektische Vermittlung, sondern ein ganz einfacher Gedanke. Das ist in der Kunstgeschichte die systematische Durcharbeitung dieser ungeheuren Anstrengung der wesentlichen Geister im 20. Jh., nachdem im Mittelalter die Problemstellung entwickelt worden ist. Nämlich wenn ... (Unterbrechung)

Die westlichen Orientierungen auf die Fragestellung müssen rational begründet werden, dann kann ich Rationalität nur dadurch definieren, dass ich sage, rationale Operationen stehen unter der Einsicht, dass die Einsichten begrenzt sind – sonst ist es nicht rational. Also, die Grenze Transzendentalität – die Grenze bis da hin, wo man vernünftig argumentieren kann und dann hört es auf. Also ist Rationalität die Vorgabe einer Grenze innerhalb derer etwas rational ist oder nicht. Wenn ich aber sage, ich ziehe die Grenze als Bedingung dafür rational ... (?) erzeuge ich das Jenseits der Grenze, also die Rationalität. Ich ziehe ein Profil und einen zweiten Gegenstand und schon erzeuge ich den Zwischenraum – die Differenzbildung – als eine eigenständige Form. Das heißt, wer rational argumentieren will, erzeugt die Orientierung zwangsläufig auf Irrationalität als Funktion des Rationalen und nicht ‚diese Leute sind irrational’ und ‚diese Leute sind rational’. Das sind die Dummen, die Naiven, die Blöden, hier sind die Gelehrten. Völlig falsch. Das, was gezeigt wird, ist, wer auf Rationalität besteht, kann Rationalität nicht anders definieren, als einen vernünftigen Gebrauch. Also, wer eine Kontur bildet, kann das nicht anders tun als durch einen vernünftigen Gebrauch der Abgrenzung gegen das, was nicht in der Form ist. Also erzeugt er das Jenseits der definierten Form als Einheit mit der Form. Wer sagt im Westen, wir müssen alle unsere Handlungen unter ein Kalkül stellen, ein Nutzen-Kosten-Kalkül – jedermann muss das –, dann ist es notwendig zu sagen, was nicht Kalkül ist. Das nannten die Theologen seit der ?-Zeit das Absurde. Hier das rationale Kalkül, da die Absurdität. Die Erkenntnis war aber, dass die Notwendigkeit der Durchsetzung des kalkülhaften Rechnens die Absurdität erzeugt. Da hat Luhmann eine geniale Ableitung gemacht für Liebe als Passion, indem er gezeigt hat: Was theologisch absurd heißt, heißt im modernen Sinne Liebe. Nämlich: Wenn ein Jüngling zu seinen Eltern kommt und sagt, ich will die Luise heiraten, dann sagen die Eltern, bist du verrückt, die hat keine Ausbildung, sie hat keine Familie, sie hat nichts ... kein Holz vor der Hütte. Nix an den Füßen. Kannst du denn nicht verstehen? Man heiratet als soziales Kalkül und nicht aus irgendwelchen anderen Gründen. Dann sagt der Hans: Siehst du, Mutter, wenn du gesagt hast, alle unsere Beziehungen können nicht auf Kalkül beruhen, dann muss es Liebe sein. Das ist seit 200 Jahren durchgehend der Fall. Alle, die sich weigern, ihr Handeln unter ein Kalkül zu stellen, erzeugen damit die Notwendigkeit, Liebende zu sein – oder theologisch absurd an irgendwas zu glauben. Das gilt natürlich für alle Bereiche. Wenn der Focus-Redakteur, Marquardt, besser kann ein Chef-Redakteur gar nicht heißen, Mark-Wort, ... wenn der sich im Fernsehen hinsetzt uns sagt Fakten, Fakten, Fakten, Focus, Fakten, Fakten, dann muss er doch wissen, was nicht faktisch ist, sonst braucht er es doch gar nicht zu sagen. Das Nichtfaktische ist das Kontrafaktische. Indem er auf Faktizität besteht, orientiert er alle auf die Kontrafaktizität, nämlich das, wogegen er sich absetzt – das aber erzeugt gerade durch das Bestehen auf der Faktizität. Also, Fakten, Fakten, Fakten heißt: Hier erzeuge ich notwendige Orientierung auf das Kontra-Fakte. Das ist das beliebige etc. Und wie alle wissen, alle Kulturen leben nicht von der Normativität des Faktischen, sondern von der Normativität – also handlungsbestimmenden Anleitung – des Kontra-faktischen. Sozusagen objektiv gesehen des heiligen Irrsinns, der frommen Lüge. Das sehen Sie heute, wenn die Leute es nicht kapieren ... warum müssen Politiker heute systematisch lügen? Das ist ganz einfach. Wenn der Finanzminister die Wahrheit sagen würde, würde eine Panik ausbrechen, alle liefen zur Bank, holen ihr Geld ab und der Zustand, den man gerade verhindern wollte, würde dadurch, dass man die Wahrheit sagt, eintreten. Also ist er zur Lüge verpflichtet. Pflicht-Lügen. Was bedeutet es aber, wenn wir von vornherein logisch annehmen müssen, alle unsere Künstler, alle unsere Politiker, alle unsere Wissenschaftler und Ärzte vor allem – da weiß man es ja – Pia Fraus, ein Arzt muss fromme Lügen produzieren, er darf dem Kranken nicht sagen: Sie haben Krebs, in 14 Tagen liegen Sie in der Kiste, hauen Sie ab. Das geht nicht. Also muss er zu einer frommen Lüge greifen, wie die Eltern den kleinen Kindern gegenüber. Was bedeutet das aber, wenn wir von vorneherein annehmen müssen, das ist ja alles gefaked, das ist ja alles nur geschauspielert, das ist ja alles nur Behauptung ohne jede Basis? Das sind die Voraussetzungen, unter denen diese Künstler antreten, bzw. im spezifischen Sinne Bernhard und Anna Blume, und zwar systematisch 40 Jahre lang, so dass man dann sagen kann: Im Bereich der bildsprachlichen Äußerung sind die Arbeiten der Blumes auf dem höchsten Niveau der Komplementaritätsuntersuchungen. Das, was die Wissenschaftler in anderen – mathematisch ist es viel einfacher – Sprache oder physikalischen Sprachen machen und was man sonst nur wortsprachlich bei Literaten kennt. Bildsprachlich sind das die einzigen sinnvollen Äquivalente außer den Zeichnungen der Wissenschaftlern in der Psychologie – Wahrnehmungspsychologie beispielsweise –, die diesem Sachverhalt entsprechen. Deswegen lesen Sie dauern Titel wie ‚Transzendentaler Konstruktivismus’ oder ‚Ideoplastik’. Also Begriffe, die genau auf diese Art der Entwicklung des Komplementären in der Festlegung ... also der gestaltete Raum, damit erzeugt man die Nichtgestalteten. Die Seite, auf die hin ich eine Unterscheidung treffe, erzeugt sofort die Seite, auf die hin ich (?, 22:28). Marked space – unmarked space. Ich ziehe eine Linie, schon habe ich das Problem, dass ich die beiden Seiten, das Markierte und das Nicht-Markierte, als Komplementarität erzeugt habe. Also ist es grundfalsch – und das wussten die Künstler seit dem 14. Jh. – zu sagen, man gestaltet das, was man sieht. Z.B. die Florentiner, die sagten: Wir ziehen ganz harte Konturlinien. Seit 1402, seit dem Streit über die Dom-Türen, die Baptisterium-Türen, gilt das da. Wir retten uns, die Florentiner, indem wir ganz harte Konturlinien zeichnen. Alle Figuren sind begrenzt und sozusagen eingefangen. Ich meine die Figur. Dann kommen die Venezianer und sagen: Was? Konturlinie? Weg! Alles Schwachsinn. Gemeint ist ja die Aura, die Sphäre, also das, was rüberwirkt. Also muss ich die Konturen verwischen, also muss ich Sfumato-Flächigkeiten entwickeln, Lichtreflexe etc. Das Bewusstsein für die Problematik war immer da. Es gab nur, weil die Voraussetzungen dafür nicht so günstig waren wie etwa im Lehrfach, keine systematischen Ansätze, das zu untersuchen. Weil sie glücklicherweise Gymnasiallehrer waren, mussten sie sich mit diesen Fragen beschäftigen, um ihren Schülern nicht irgendwelchen Kunstmumpitz – heute hier in jeder Galerie in Berlin hören Sie ontologisches Kunstgewäsch. Das ist ja furchtbar. Das ist Kunst. Es ist Kunst, weil gute Sache ... gute Sache, weil es Kunst ist. Da waren wir schon als Schüler viel weiter. Als wir nämlich 1957 – so eine kleine Truppe – von Alfred Schmeller engagiert wurden in der Düsseldorfer Galerie, hat er gesagt: Passt auf. Kommt einer rein, der so aussieht als ob er bis zehn zählen könnte und auch noch ein paar tausend Mark auf dem Konto hat, dann verwickelt den sofort in ein Gespräch. Und zwar so, dass der, weil er ja finanztüchtig ist, also unternehmerisch rational ist, sofort sagt: Das Geschwätz geht mir auf den Wecker – ich kaufe es. Denn wer kauft, braucht keine Argumente. Geben Sie her, ich kaufe es. Reden Sie nicht so einen Quatsch. Da mussten wir systematisch die potenziellen Käufer sofort dazu veranlassen, sich jedem Kunstgequake zu entziehen, indem sie es kauften. Wer kauft braucht keine Argumente. Das war das Erfolgsrezept von modernen Galeristen. Schmeller, Zwirner, die ganze Bandbreite der erfolgreichen 60er-Jahre-Galeristen, die alle so funktioniert haben. Aber das war sozusagen nur die Ebene, auf der man sich gesellschaftlich-kommunikativ damit beschäftigte. Während diese Pädagogikgeneration – also abgeleitet von Klee als großem systematischen Pädagogen oder Kandinsky oder Malewitsch mit den Berliner Vorlesungen ... Gucken Sie sich das an, 1927 in Berlin, systematisch durchgearbeitet. Alle das, was hier systematisch von euch wieder zusammengestellt wurde, um es zurückzuerobern ... Die Diskussion war ja längst weiter und ist dann 1933 leider komplett abgebrochen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Diskussion überhaupt nicht mehr weiter, weil alle sagten: Es muss ja etwas Großes an dem sein, von dem die Diktatoren fürchteten, dass ganze Staaten zugrunde gehen. Wer also im Dritten Reich als Künstler verfolgt war, muss ein Genie gewesen sein. Denn wenn Hitler oder Stalin sagten, der muss ins KZ, der kriegt Berufsverbot, dann muss ja an der Sache so etwas wirkmächtiges sein, dass ein Diktator sagt, zehntausend Soldaten, also eine Division wird aufgewogen durch eine Fotografie von Lissitzky. Dann muss das ja genial sein, was dahinter steckt. Da steckt gar nichts dahinter. Es ist diese politpsychologische Terrorsituation, die man immer wieder vorfindet.

Deswegen waren die Diktatoren immer die großen Stimulierer für den Geniewahnsinn, denn je mehr Ablehnung man erfuhr, desto bedeutender muss das gewesen sein, das Ablehnung erfährt. Wieso kümmert sich jemand ablehnend um die Kunst, wenn es nichts bedeutet? Die Ablehnung ist also ein Ausdruck für die Wirkmächtigkeit dessen, was man ablehnt. Weswegen alle sagten: Können Sie mich ablehnen? Können Sie mich bitte bis zu meinem Tode in der Dachkammer verrotten lassen, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass ich als Genie eines Tages anerkannt werde. Das ist natürlich wirklicher Humbug. Das war die Fehlstellung nach dem Zweiten Weltkrieg. Alles, was politisch verfolgt war, war automatisch maßstabgebend für irgendeinen großen Ansatz der Wirkung. Dagegen haben diese Nachfolger der systematischen Pädagogen Klee und Kandinsky und Malewitsch und Lissitzky etc. gearbeitet. Abgesehen von den ganzen deutschen Werkbündlern, die alle grandiose – nicht alle, aber weitgehend grandiose – Pädagogen gewesen sind, also Leute, die exemplifizierten, die nicht mit Begriffen herumschmissen und sagten: Wovon redest du denn da? Transzendentalität? Was heißt das denn? Was soll das? Was hat das für eine Bedeutung für mich als Maschinenbauer? Wo ist das philosophische Heimspiel? Was soll das? Sagt mir das. Hier, da haben Sie den Beweis. In allen Einzelheiten wird das durchgespielt, auf dieser Ebene, die jetzt hier nur andeutungsweise wiedergegeben ist. Das ist ein letztes Großprojekt, das die beiden noch zusammen geplant hatten und zu dem reale plastische Körper gehören, auf der Ebene des wissenschaftlichen Modellbaus, wird jeweils die Skalierung geändert. Gilt eigentlich noch das Kontinuum der Maßstäblichkeiten? In der Gotik war das kleine Tabernakelhäuschen in der gleichen Weise gestaltet wie die Kathedrale selbst. Einmaßstäblichkeit – vom Kleinsten bis zum Großen. Oder wie die Architekten sagen: Vom Löffel bis zur Stadt. Und wenn Herr Hollein seine Service für die USA-Marine entwickelte, dann sah das Tablett mit dem Tee- und Kaffeedöschen genau wie das Schlachtschiff aus, auf dem es beim Admiral im Zimmer stand. Gehen Sie ins Museum, da können Sie es sehen. Die Frage ist jetzt, gibt es so etwas überhaupt noch im Sinne des Durchgehens von der subatomaren Ebene bis zur Astrophysik? Ist die Welt einmaßstäblich? Hier sehen Sie jetzt die normalen Modellbildungen von subatomaren, biochemischen Untersuchungen, also Aufbau von Molekülen in einer bestimmten Versuchsanordnung, vielleicht medizinisch kontrolliert. Im Hinblick auf das, was dabei an wahrnehmbaren Äußerungen für uns, die wir das selber bauen, oder das selber denken, herauskommen kann. Und nicht nur eine leichenhafte Verzerrung der Physiognomie zur puppenhaften Figur wie bei Pinocchio und anderen historischen Figuren, die das schon einmal durchgespielt haben, Alice in Wonderland oder im 19. Jh. die Kinderfiguren, sondern wirklich im Hinblick auf die Aussage, dass das, worauf sie verweisen, genau das ist, was sie selber ausmacht. Wir sprechen also von subatomaren Gegebenheiten im Hinblick auf die Tatsache, dass wir daraus zusammengesetzt sind. Und wir sprechen vom Astrophysikalischen genau so. Denn das, was herauskommt, die ersten zehn Sekunden des Urknalls zu rekonstruieren, ist nichts anderes als das, was wir selber sind. Jeder von Ihnen ist nichts als Sternenstaub. Nichts ist an Ihnen dran – lauter Sternenstaub, nichts anderes. Nur, wie redet man dann von dem, was man selber ist? Das ist wieder der Fall der Künstler. Ich rede von dem, wovon ich selbst der Fall bin. Also Beispielhaftigkeit. Wiederum, wie das im Ursprung der künstlerischen Arbeit ist. Keine Vorbildlichkeit – Beispielhaftigkeit. Und das nimmt jetzt hier Dimensionen an, in der nicht nur der Vergrößerungseffekt wie heute bei der MRT oder anderen Bildgebungsverfahren – im Durchschnitt weiß jeder was gemeint ist – laufen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen heute zum Arzt. Dann sind Sie für den Arzt der Ausweis einer durch Bildgebungsverfahren repräsentierten Ebene. Die haben Sie als Aufnahme mit. Was er von Ihnen sieht, ist diese Aufnahme. Bei allem Vorbehalt, dass Sie wissen, was ein MRT leisten kann, was ein Echolot leisten kann etc., bis zu den höchsten Formen der heutigen maschinellen Bildgebung, die alle gleichermaßen verwenden. Mit anderen Worten: Jetzt müssen die Wissenschaftler selber wie die Künstler arbeiten und müssen sich genau fragen, was bedeutet es, wenn ich einen realen Sachverhalt repräsentiere durch ein Bildsystem – das ist nicht nur symbolisch –, bei dem tatsächlich die Figur, also der Kranke, den ich vor mir habe, sich auf diese Möglichkeit hin zu thematisieren ... schrumpft kann man gar nicht sagen ... darstellt. Was bedeutet das? Dass wir ewig nur von uns selbst als dem Fall sprechen können, um den es in der Welt geht und zwar im Hinblick auf die Frage: Ist es eine Maßstäblichkeitsfrage, ob ein singuläre Individuum, ein Individuum, oder eine Gruppe oder die ganze Gesellschaft gemeint ist. Und darum wieder existiert eine Gesellschaft auf die gleiche Weise wie eine Versammlung von Individuen. Wir sind ja eine Versammlung von Individuen. Sind wir damit Gesellschaft? Ist Gesellschaft nicht etwas anders wie bei einem MRT? Repräsentation eines subatomaren Geschehens bzw. eines mikroorganismischen Geschehens? Sind wir das, was da repräsentiert wird? Oder sind wir das Bewusstsein der Tatsache, dass das eine Frage der maßstäblichen Übersetzung ist? Was aber leitet dann die Maßstäblichkeit heute? In der Gotik, wie gesagt, Einmaßstäblichkeit – ein fantastisches Konzept. Dann kommt mit der zentralen Perspektive, mit der Bedeutungsperspektive, mit der Sfumato-Perspektive, je eine Umsetzung in andere Maßstäbe. Das ist ein ganz enormer Vorgang. Das wird jetzt Rückabgewickelt, solche Beispiele, die eben das Kleinste, das Kleinteiligste, zum realen Bestand unserer Selbstwahrnehmung in psychischer, seelischer Hinsicht, auch in kognitiver Hinsicht. Man hat gegenüber den Modellen, die man von sich selbst macht, Reaktionen wie Furcht, Terror, Angst, Erschrecken bis hin zur Lähmung. Das bedeutet aber, dass man auf eine andere Weise mit Bildern von sich selbst oder von der Mikroebene oder der Makroebene umgehen muss, als es eben die bisherige sogenannte objektive Wissenschaft tat. Es gibt keinen Wissenschaftler mehr, der sich den ganzen Kram vom Halse halten kann, indem er sagt, das ist ja nur eine Ebene der symbolischen Repräsentanz. Das ist es eben nicht. Jetzt kommt der Witz: Alles, was Sie für einen Neurochirurgen sind, ist repräsentiert durch das Bild, das er sich von Ihnen gemacht hat, mithilfe des MRTs oder Protonen-Emissionstomografie. Aber, das ist jetzt der Witz: Er operiert ja keine Bilder. Er operiert ja Menschen. Wie also kriegen wir die Differenz zwischen dem Bild, das den Kranken repräsentiert und nur anhand dessen er überhaupt eine Operation planen kann, überhaupt weiß, was er da macht und der Tatsache, dass er ja nicht das Bild operiert, sondern dem Menschen, von dem das Bild ist? Was ist aber von dem? Was heißt das? Gibt es überhaupt noch eine Repräsentanz? Ist das nicht eine Zwei- oder Drei-Ebene oder perspektivische Präsenz des Ganzen oder Beispielhaftigkeit der Erfassung des Beispielhaftigen? Auf welche Weise verzerrt sich unsere Selbstwahrnehmung im psychischen inneren Ausdruck – Freude, Hass, Aggressivität, durch diese Art von Unterwerfung unter – und selbst als das Bild von uns selbst. Die Psychologen haben das bisher als Krankheitssymptom in psychiatrischer Hinsicht gewertet. Das weiß man aber, ist falsch. Was hat man davon zu sagen, Sie sind ein Psychopath? Was habe ich davon, ihn Psychopath zu nennen? Das nützt ja nichts. Er bleibt ja der, der er ist und er setzt mir weiter zu und ich kann ihn nicht mit dem Hinweis ... gehen Sie mir vom Hals, Sie Psychopath. Gehen Sie jetzt endlich aus meinem Gesichtsfeld, verehrte Gegebenheiten der Zwischenraumgespenster, denn ich habe es satt, mich ständig auf dieser gespenstischen Ebene der Form, die durch zwei Formen gebildet wird – die Interaktion – ... Angefangen hat das bei Ihrem verehrten Herrn Beuys, der ja nun anfing, diese Zwischenräume mit Unschlitt auszufüllen – also genau das, was hier zu sehen ist. Das ist sozusagen die Re-Inkarnation des Zwischenraums zwischen diesen Strukturen der molekularen Aufbauketten von Eiweißen oder was immer gemeint ist. Sie sehen heute im Hamburger Bahnhof die riesigen Unschlitt-Stücke von ihm. Das sind ausgegossene Zwischenräume. Und wie verändert sich jetzt der Blick, wenn das Gestaltete das ist, was man sonst gar nicht sieht, weil man ja den Menschen sieht, der hier ist und den Menschen, der da ist, aber nicht, was die für eine Zwei-Seiten-Form miteinander bilden. Wie verändert sich das, wenn ich jetzt plötzlich die Welt nicht mehr im Hinblick auf die Gegebenheiten der konkreten Körper, auf die Personen, auf die Bäume, auf die Blumen, sondern auf den Raum, den sie dadurch definieren, anschaue, bzw. interpretiere oder verstehe. Und da gibt es die Möglichkeit, die Kant schon gesehen hat. Das ist die berühmte Gespensterlehre, die bis in die 1770er Jahre Schwedenburg als Kantsche Paradenummer ... Er hat sich ständig auf die Geisterseherei von Schwedenburg bezogen mit seiner Philosophie. Es war sozusagen genau das, was die beiden im 20. Jh. mit Wittgenstein und anderen gemacht haben, was der Kant mit Schwedenburgs Geistersehern gemacht hat. Wie verändert sich das, wenn das Gegebene das ist, was wir gerade nicht abbilden können, sondern sich nur als komplementär zur Abbildung ergibt? Wenn also jedes Blatt – gezeichnetes Papier oder gemalt – nicht das ist, was wir sehen, sondern das, was es als Komplementar in uns erzeugt.

Gucken Sie sich die Bilder an. Ich würde sagen: Sofort nach Hause gehen und bei Amazon oder sonst wo sofort sehen, ob Sie das antiquarisch noch irgendwo bekommen – alles, was die veröffentlicht haben –, und dann mal ganz systematisch unter dem Gesichtspunkt, aha, ich nehme das mal hin als eine Anleitung zur Entwicklung von Zeitgemäßheit – das heißt: komplementärem Denken. Nicht das Dargestellte und Gemeinte ist es, sondern das, was dadurch ausgeschlossen ... Oder bei Luhmann: Jedes Bild ist um das zu bereichern, was es selbst unsichtbar macht. Alles was sichtbar macht ist gleichzeitig ... Ein Mann wie Christo hat dann gesagt: Dann mache ich mal die Konsequenz. Ich mache sichtbar durch Unsichtbarmachen. Ich verhülle es, den Reichstag, und mache ihn dadurch in besonderer Weise zum Thema der Wahrnehmung.

Das nützt ja alles nichts. Es ist zwar sehr attraktiv, aber man kommt dem Geheimnis nicht näher. Das nämlich muss man selbst ... Und das ist die Beispielhaftigkeit, wie ein einzelner Mensch im Hinblick auf dieses Gespenstischwerden der Welt durch die Realität des Nicht-gegebenen ... Das ist das, was die beiden Figuren haben. Das ist es. Dieses Gespenstischwerden, das Irrealwerden der Welt durch die materiell-physische Repräsentanz der durch die gegebenen Körper erzeugten komplementären Zwischenraumleere; die Leere, das Nichts oder wie immer die Philosophen es genannt haben. Und dieses Gespenstischwerden der Welt erleben sie ja heute auf allen Ebenen – Finanztheorie, wo die Finanzwissenschaftler nicht merken, weil sie schlechte Philosophen sind ... Ein Nobelpreis ist ja heute gleichzeitig ein Verweis darauf, dass man sich um das Zeug, was der da vertritt, nicht kümmern muss, denn die Preis-Juroren sind nicht in der Lage zu kapieren, was da läuft. Das heißt, wenn heute jemand rational Finanztheorien entwickelt, muss er ja gerade auf der anderen Seite das Komplement des nicht durch rationale theoretische Modelle Abbildbare einbeziehen. Das heißt, ist dann jede Theorie hinfällig? Dann brauch ich ja gar nicht mehr zu theoretisieren. Nein. Ich muss ja gerade dieses konkret Gegebene sehen, um die Gespenstigkeit der Beziehungsgefüge ... Die Gesellschaft ist das, was hier zwischen uns ist und nicht, was wir als addierte Körper sind.

In diesem Sinne, liebe Anna, viele weitere erfolgreiche ... Er hat nämlich zu Hause noch eine große Sammlung gemeinsam entworfener Projekte. Und die sollten einfach von dir jetzt schlicht an die Öffentlichkeit gebracht werden. Sei nicht zu schamhaft, es ist wirklich ...

Anna Blume:
Lieber Bazon. Ich bin dir sehr dankbar für diese verbale Beschreibung unserer Arbeit und unserer Personen. Es fällt mir aber schwer, mich darin wiederzuerkennen, denn ich bin mir selber immer sehr fremd gewesen.

Bazon Brock:
Ja. So ist es. Sehen Sie, wer da lacht, ist schon wieder als Dummer entlarvt, denn ich bin mir selber mein Leben lang fremd gewesen. Das ist erst die Aussage. Ich erkenne mich da nicht wieder. Ha, ha, ha. Der Vortragende hat dummes Zeug geredet. Kommt der Satz: Denn ich bin mir mein Leben lang selbst fremd gewesen, da hört sich die Sache ganz anders an.

Ich wollte nur sagen: Wir möchten dich herausfordern, nicht einfach die Sachen liegen zu lassen, bloß weil der Partner nicht mehr da ist, sondern jetzt alleine die Verantwortung für das gesamte ... Du hast 40 Jahre trainiert. Diese Bücher hier sind Highlights der gesamten Kunstgeschichte. Und wenn ein Paar, productive couple, fünf Bücher geschaffen hat, die Einmaligkeit der Kunstgeschichte sind, dann braucht ihr euch nicht mehr zu fürchten. Das Beispiel ist gegeben.

Anna Blume:
Ich danke dir, dass du mir so viel Mut machst.

Bazon Brock:
Ihnen auch vielen Dank.

„Aktionsmetaphern“ von Anna und Bernhard Johannes Blume
Vernissage der Ausstellung, Buchmann Galerie Berlin, 4.11.2011