Magazin PARDON 7/1976

Erschienen
01.07.1976

Erscheinungsort
Frankfurt am Main, Deutschland

Issue
07/1976

Asterix bei den Deutschen

– Berufsverbote – oder wie ernst darf man den Ehrendeutschen MITTERAND nehmen?

Von jenseits des Rheins und der Alpen ergeht nach Germanien die friedliche Aufforderung, man möge sich doch endlich jenem Bilde des häßlichen Deutschen anpassen, das man aus der Ferne entwickelt hat. Es scheint sich da um die Umarbeitung einer populären Art von Geschichtsschreibung zu handeln, also Asterix bei den Deutschen oder Mitterrand in der Bundesrepublik.

Aber ein kräftiger Schluck gepanschten Rotweins ersetzt noch keinen Druidentrank.
Die Vision des Teutonicus stincus bringt sicherlich die Wohlgerüche der Selbstbeweihräucherung besser zur Geltung, aber Weihrauch in zu großer Konzentration verdirbt die Nase.

Gern hätte man etwas von Herrn Mitterrand oder Herrn GROSSER vernommen, als unsere Studentin Ulrike SCHATZ voriges Jahr in Paris von der Straße weg verhaftet wurde, um von der die Bürgerrechte so hoch schätzenden französischen Polizei eine Woche lang eingelocht zu werden - ohne die Möglichkeit, zu schlafen oder sich zu waschen, und selbstverständlich ohne die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt oder die deutsche Botschaft zu benachrichtigen. Die anschließende brutale Abschiebung aus Frankreich - mit dem Verbot, sich jemals wieder in Frankreich sehen zu lassen - wurde damit gerechtfertigt, daß gegen Ulrike SCHATZ keinerlei Vorwürfe begründet werden konnten.

Auf diese Art der Wahrung der Bürgerrechte, die Mitterrand als Fortschritt auch in die BRD einführen will, können wir getrost verzichten, weil wir es in jedem Falle vorziehen würden, in deutschen Gefängnissen einzusitzen als in französischen oder italienischen. Zudem hält die Praxis der Rechtsprechung in der BRD - ganz gegen den erweckten Eindruck - der öffentlichen Kritik stand, obwohl die dritte, die richterliche Gewalt sich im Vergleich mit den Machtapparaten der Legislative und Exekutive und vor allem im Vergleich zum Machtapparat der vierten Gewalt, der Öffentlichkeit, geradezu kläglich auszunehmen scheint.

Ganz im Ernst: Übergriffe 'gewisser' Polizeibeamter sind als Angriff auf Bürgerrechte in der BRD sehr viel seltener als Übergriffe der 'gewissen' Presse, die sich pathetisch als Bürgerrechtswahrer sieht. Die Radikalenhysterie wird ja nicht von den Polizeibeamten und Gerichten, sondern von dieser gewissen Presse ausgelöst. So hat beispielsweise der STERN sich an der Kampagne gegen Ulrike SCHATZ beteiligt, obwohl bereits Gerichtsurteile vorlagen, die die Anwürfe gegen sie, eine Terroristin zu sein, als unbegründet zurückwiesen. Die Bigotterie des STERN ging so weit, daß die Redaktion später andere Presseorgane des Übergriffs auf die Bürgerrechte der Ulrike SCHATZ bezichtigte, ohne jedoch den Lesern mitzuteilen, daß der STERN sich selber solcher Übergriffe schuldig gemacht hatte.

Ein schöner Gleichschritt, in dem da die Mitterrands und die Redakteure sich auf den häßlichen Deutschen zubewegen. Jeder Feind muß häßlich sein, damit man ihn erledigen darf. Mit dieser Leistung einer Feindmarkierung verdiente Herr Mitterrand, als Ehrendeutscher ernst genommen zu werden; als solcher wäre er auch berechtigt, sich zur Gefährdung der Bürgerrechte in der BRD zu äußern, ohne seine Kritik durch Vergleich mit dem eigenen Land oder gar mit dem Demokratieverständnis seiner eigenen Partei glaubwürdig machen zu müssen. Bei einem solchen Vergleich sähe Mitterrand schließlich kläglich aus: Hat er doch soeben alle Mitglieder seiner Partei mit dem Ausschluß bedroht, die im Falle der Koalitionspflicht mit der KPF eine andere Auffassung vertreten als die Parteileitung. Eine überraschend radikale Auffassung also von der Wahrung der Bürgerrechte. Dagegen sind wir natürlich schlappe Demokraten, allerdings mit interessanter Vergangenheit: Unseren diesbezüglichen Radikalismus haben wir bereits 1933 ff. absolviert.

Darf man das sagen? Habe ich mich sträflich geirrt? Meinte nicht Mitterrand, mit seinem Verdikt über die Bundesrepublik sein Erstaunen darüber ausdrucken zu müssen, daß in der BRD die Zugehörigkeit zu einer zugelassenen Partei einigen Bürgern bei ihrem Wunsch nach Verbeamtung im Wege steht? In diesem Fall teilen wir sein Erstaunen und seinen Protest. Kein Vertrauen, leider, darf man aber haben in die Fähigkeiten sowohl der Verfechter des radikalen wie des antiradikalen Feindbildes, das Berufsverbot endlich in sinnvoller Weise zu diskutieren:

Für mich heißt Berufsverbot, wörtlich genommen, das Verbot, seinen Beruf auszuüben. Und das ist schließlich nichts Neues und hat kaum etwas mit dem Radikalenerlaß zu tun. Alltäglich, seit eh und je, werden solche Verbote ausgesprochen, weil jemandem das Alter, das Geschlecht, die Nase, die Eigenbrötelei, schön: auch die politische Richtung eines Bewerbers nicht passen. Es ist bisher durch kein Gesetz zu verhindern gewesen, solche Diskriminierungen in Qualifikationsmerkmale umzuformulieren. Denn jede empirische Untersuchung über Selektionsvorgänge, also auch über die Auswahl von Bewerbern, zeigt, daß die Vorgabe von Qualifikationen zumeist Vorwand für nicht hoffähige Diskriminierungen ist.

Da scheinen nun heute gewisse universitäre Gruppen regelrechte Aufklärerarbeit zu leisten, wenn sie rundheraus erklären, sie wollten einen Bewerber seiner Parteizugehörigkeit wegen berufen und nicht wegen fachlicher Qualifikationen, die zumeist doch nicht vorhanden seien. Und fast scheint der Staat sich als Aufklärer verstehen zu wollen, wenn für die Laufbahn seiner Beamten und Angestellten nicht die Leistungen entscheidend sind (Leistung wird diskriminiert), sondern die Nichtzugehörigkeit zu bestimmten Parteien.

Nicht leisten und nicht zugehören scheinen die einzigen Wege zur Vermeidung eines Berufsverbotes zu sein. So gesehen, sind unsere Arbeitslosen Leister und Zugehörer. Endlich ein Weg, aktive Arbeitslosigkeit positiv zu bewerten.

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