Buch Bildersturm und stramme Haltung

Texte 1968 bis 1996

Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite
Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite

Bazon Brock steht mit seinem Denken und Schreiben für die Erhaltung des Momentums der Moderne in postmoderner Zeit ein, in unübersichtlichen Lagen, in dekonstruierten Räumen. Moderne ist dabei in des Wortes striktester Bedeutung zu fassen, als radikale Entfernung tradierter Wurzeltriebe ohne funktionalen Wert. Dazu gehört in erster Linie die Verabschiedung von der Würdeformel Kunst als unangreifbarer Kategorie des theologisch Transzendenten, mindestens des bewundert Erhabenen; das umfaßt aber auch die Einbindung eines jeden ästhetischen Gegenstands in das Schreiben , und sein er noch so banal und alltäglich. Schon die Differenzierung der beiden letzten Begriffe – daß das Banale nicht unbedingt alltäglich und das Alltägliche schon gar nicht banal sei – formt ein Perpetuum mobile unter vielen im Brockschen Denken.

Erschienen
2001

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Sachse, Rolf

Verlag
Verl. der Kunst, Philo Fine Arts

Erscheinungsort
Dresden, Deutschland

ISBN
3364003955

Umfang
223 S. ; 17 cm

Einband
Pp. : EUR 15.00

2.2.3..2.3.2 Ideologische Auseinandersetzung

Es ist selbstverständlich, daß auf dem Konzil von 754 der Wortführer der Bilderfreunde, JOHANNES DAMASCENUS, mit dem Bann belegt wurde. JOHANNES hatte den entschiedensten theologischen Widerspruch gegen LEO III. Edikt formuliert. Die Argumentation des JOHANNES, die für das 2. Niceanum von 787 durch Theodor von STUDION weiterentwickelt wurde, verläuft etwa folgendermaßen: "Niemals ist das Bild dem Prototyp, d.h. dem Abgebildeten gleich. Eines ist das Bild, ein anderes das Abgebildete." "Niemand wird dermaßen irrsinnig sein, den Schatten und die Wahrheit, den Archetyp und das von ihm Abgeleitete, die Ursache und das aus ihr Hervorgegangene für der Substanz nach eins zu halten."

JOHANNES weist nach, daß die Menschen ihrer Leiblichkeit wegen auf die sinnliche Anschauung angewiesen sind. Immer könne der Mensch nur von den Erscheinungen der Welt ausgehen, aber es sei seine Pflicht, von der sinnlichen Wahrnehmung der Erscheinungen zur geistigen Schau, zur Theorie, vorzudringen. Dem Bild komme in diesem Prozeß die Funktion eines Mittlers zu. Daraus begründet JOHANNES die Bilderverehrung, denn das Bild drücke zwar nicht die substantielle Einheit von sinnlicher Erscheinung und theoretischer Wesensbestimmung aus, wohl aber verknüpfe es beide miteinander, weshalb das Bild teilhabe an der Wirkungskraft des von ihm Abgebildeten. Diese Auffassung des JOHANNES und des STUDION stellt eine erhebliche Weiterentwicklung der Theologie der Bilderverehrer dar, denn sind Abbild und Abgebildetes zwei voneinander völlig getrennte Wirklichkeiten, so ist nicht zu verstehen, welchen Nutzen die Bilderverehrung für den Gläubigen haben kann. Diese von LEO III. hämisch den Bilderverehrern vorgehaltene Widersprüchlichkeit wird durch JOHANNES' Auffassung von der Methexis des Bildes, seiner Teilhabe an dem von ihm Abgebildeten, ausgeräumt. Zugleich kann JOHANNES in voller Übereinstimmung mit den kanonischen Texten der Christen argumentieren, denen zufolge nicht das Bild, sondern das Wort Fleisch geworden ist. So konnte das Bild selber als Bestandteil der Fleischwerdung des Wortes, also des Zusammenfallens von Wesen und Erscheinung, verstanden werden. Immerhin ist sich JOHANNES darüber im klaren, daß seine theologische Argumentation in der Praxis der Gläubigen kaum berücksichtigt werden würde. Deshalb bestimmt er die Bilderverehrung durch den Gläubigen als eine proskynesis schetike, d.h. zur Verehrung, die aus dem Wirkungszusammenhang von Bild und Prototyp hervorgehe, was bedeutete, daß die Verehrung nicht dem Bild, sondern dem Protoyp gelte. JOHANNES sagt in einer ethymologischen Ableitung von Proskynese aus den griechischen Worten für Begrüßen, Lieben, Herbeibringen und Vortragen, daß das Bild nur die Stellvertretung des Abgebildeten sei, indem das Bild den Gläubigen auf den Prototyp hinweise und erinnere.

Für das 2. Niceanum vereindeutigt STUDION diese Auffassung, indem er sagt, "die Schöpfung der Bilder ist nicht eine Erfindung des Malers, sondern der katholischen Kirche (und damit der gläubigen Bildbetrachter) … Der Maler schafft allein die techne, die formalen Mittel des Bildermachens." Die Kunst sei die Magd der Theologie, wie das Bild Magd des Bildbetrachters sei.

Diese Auffassung der Bilderfreunde macht sie zu den eigentlichen Bilderverächtern, weil das vom Künstler geschaffene Bild keine selbständige Wirklichkeit in Anspruch nehmen könne. Deshalb verhalten sich die Bilderfreunde auch höchst reserviert gegenüber der weltlichen Kunst. Wenn der Anteil des Rezipienten am Bild so hoch ist, dann kommt es entschieden darauf an, für welchen Zweck Bilder verwendet werden. Im Sinn der Kirche liege es, die Bilder im wesentlichen auf den sakralen Bereich zu beschränken, weil nur dort die bildschöpfende spirituelle Kraft des Betrachters auf wünschenswerte Inhalte gelenkt werden könne.

Auffallend ist, daß während des Konzils von 787 der Künstler vornehmlich als 'zographos' benannt wird. Zoon ist das lebendige Wesen, der zographos wäre demnach der Gestalter der lebendigen Wesen. Die zographie vermittelt zwischen den lebendigen Wesen und ihrer erkennbaren Gestalt, d.h. der theoretischen Schau ihres Wesens. Dem Künstler kommt insofern nur die untergeordnete Rolle eines Machers zu, als er immer nur mit seinem Bild auf das Wesen der Erscheinungen verweisen könne. Die Kunst ist nur Mittel der Erkenntnis. Damit antwortet das Konzil direkt auf die Argumentation der Bilderfeinde, die in der Darstellung des lebendigen Wesens zugleich die Erschaffung von dessen Numen, Seele, Lebensodem sieht. "Wer ein Bild herstellt, den wird Gott dereinst so lange Qualen leiden lassen, bis er dem Bild Lebensodem einhaucht. Er wird dem Bild aber niemals welchen einhauchen können." Der Künstler wäre nach Auffassung der Ikonoklasten nur dann gerechtfertigt, wenn er "lebendig macht, was er erschaffen hat". Für die Ikonoklasten kann der Künstler nur 'hylegraphos' sein, nämlich Gestalter der toten Materie. Die ikonoklastische Praxis, den dargestellten Lebewesen zuerst den Kopf abzuschlagen, geht von der medizinischen Erkenntnis aus, daß ohne Kopf ein Organismus nicht leben kann.