Am 10. Februar jenes Jahres (754) trat im kaiserlichen Palast von Hieraia (kleinasiatische Seite des Bosporus) eine Versammlung von 338 Bischöfen zusammen. Kaiser KONSTANTIN V., ein Sohn LEO III. (741-775), hatte persönlich die Vorbereitungen des Konzils überwacht und einen großen Teil der wissenschaftlichen Arbeit selber geleistet. Denn KONSTANTIN war wie sein Vater selber in der Lage, auf der Höhe der theologischen Wissenschaft zu argumentieren, was er in 13 Abhandlungen unter Beweis gestellt hat. Die Begriffsbestimmungen des Kaisers (horoi) bildeten sogar den unumstößlichen Argumentationsrahmen des Konzils, was insofern nicht Wunder nimmt, als alle 338 Bischöfe sich wie der Kaiser als Bilderfeinde verstanden. KONSTANTIN hatte das Konzil einberufen, an dem selbstredend weder Vertreter des Papstes noch die orientalischen Patriarchen teilnahmen, um den Bilderkrieg in seine entscheidende Phase auszuweiten. Der Kaiser hat sich absichtlich in Verfolgung seiner Ziele zum "Bluthund der Bewegung" gemacht. Die programmatischen Schriften des Kaisers zum Problem des Konzils drückten folgende Positionen aus:
- In der Frage des christologischen Streits kann weder die monophysitische noch die dyophysitische, nestorianische Lehre von den Bilderfreunden in Anspruch genommen werden, um die Bilderverehrung zu verteidigen. Der Kaiser setzte mit höchster Akkuratesse und forensischem Selbstgenuß des überlegenen Wissenschaftlers auseinander, daß die Bilderfreunde in jedem Fall der Häresie verfielen. Wenn die Bilderfreunde behaupteten, in den Bildern würde nur die menschliche Natur Christi dargestellt, verstießen sie gegen die monophysitische Lehre der untrennbaren Naturen Christi. Oder aber sie behaupteten zwar, nur die menschliche Natur Christi darzustellen, würden der monophysitischen Lehre zufolge aber ungewollt auch die göttliche Natur darstellen und sich somit gegen die Nichtdarstellbarkeit Gottes versündigen.
- Folgten die Bilderfreunde der nestorianischen Behauptung, daß die beiden Naturen Christi nichts miteinander zu tun haben, so verfielen sie ohnehin der Häresie, weil sie das Dogma von der Menschwerdung Christi leugneten.
KONSTANTINs Position leitet sich von der LEO I. ab, die er aber auf das Problem des Bildes überträgt. Zwar gab es im Bild die zwei Wirklichkeitsebenen, eben Abbild und Abgebildetes (Bild und Prototyp), da sie aber beide Bestandteil des einen Bildes seien, würden Bild und Abgebildetes wesensgleich. Damit hatte der Kaiser bewiesen, daß die Bilderfreunde sich auch dem verbotenen Götzendienst unterwürfen, wenn sie behaupteten, ihre Verehrung gelte nicht dem Bild, sondern dem Abgebildeten. Denn das Abgebildete sei eben wesensgleicher Bestandteil des Bildes.
Wie konsequent der Kaiser mit diesen horoi operierte, zeigt am allerdeutlichsten, daß für die Ikonoklasten das Bilderverbot ausschließlich im sakralen Bereich galt. Die weltliche Kunst konnte aus eben demselben Grunde in besonderem Maße gefördert und nützlich eingesetzt werden. So ließ denn auch der Kaiser infolge des Konzilsbeschlusses in den Kulträumen die religiösen Bilder durch weltliche Darstellungen ersetzen, vornehmlich durch Jagdszenen, Naturdarstellungen und ornamentalen Schmuck. Am entschiedensten nutzte der Kaiser seine Auffassung vom Wesen des Bildes, indem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit sich selbst darstellen ließ. Wenn Abgebildetes und Abbildung als Wirklichkeitsebenen des einen Bildes wesensgleich waren, dann konnte die Darstellung des kaiserlichen Portraits dem Kaiser leibliche Präsenz auch dort garantieren, wo er selber nicht anwesend sein konnte. Diese Leistung des Bildes gab dem Kaiser die Möglichkeit, überall im Reich zu gleicher Zeit seine Untertanen mit der verpflichtenden Gegenwärtigkeit der höchsten Entscheidungsinstanz zu überwachen und zu motivieren.
Aufgrund dieser kaiserlichen Bild-horoi und der aus ihnen abgeleiteten Praxis kann man sagen, daß die Bilderfeinde die wahren Bilderfreunde sind. Gerade der durchgesetzte Wirklichkeitsanspruch des Bildes in seinen beiden Naturen führt zur Konsequenz des Ikonoklasmus im sakralen Bereich. Dieser Bildersturm ist dann auch im Gefolge des Konzils von 754 mit einer Radikalität betrieben worden, die alles übertraf, was an Brutalität und Grausamkeit in damaliger Zeit zur alltäglichen Begleiterscheinung kriegerischer Auseinandersetzungen gehörte. Alle nur erdenklichen Methoden der Beförderung Lebender zum Tode wurden ausdrücklich vom Konzil als gerechte Strafen bestätigt. In einzelnen Regionen wurden die Mönchsorden vollständig vernichtet, ihre Klöster zerstört oder als Lager und Kasernen benutzt. Die Zerstörung erfaßte nicht nur 'Heiligenbilder', sondern auch die Reliquien. Die Gleichstellung von Bild und Reliquie wird vom Konzil nicht theologisch begründet. Offensichtlich war das nicht nötig, weil sich der Verehrer den Bildern und Reliquien auf gleiche Weise näherte.
766 mußten sogar alle Untertanen einen Reichseid gegen die Proskynese ablegen. Wer den Eid verweigerte, wurde ohne Federlesen liquidiert. Es ist nicht bekannt, ob die Untertanen die andere Seite der Argumentation KONSTANTINs erkannten und demzufolge sein eigenes Bild kultisch verehrten. Der Kaiser selbst lehnte solche Verehrung ab, weil die ihm wünschenswerte Steuerung der Untertanen allein durch seine leibliche Präsenz in Gestalt des Bildes erreicht werden konnte. Der Kaiser wollte vermeiden, daß durch die kultische Verehrung seiner Person 'Gessler-Wut' entstünde. Denn wo er selber die Bilderzerstörung demonstriert hatte, konnte sie leicht von Aufsässigen gegen ihn selbst angewendet werden. Im übrigen ging es dem Kaiser tatsächlich um das Problem des Glaubens und um die Konsequenz der wissenschaftlichen Erkenntnis über das Wesen des Bildes. Bei der vorhin angedeuteten immanenten Entwicklung der byzantinischen Kunst zur Technik hochformalisierter Bilderzeugung bleibt zu erklären, wie die Untertanen aus dem gemalten Kaiserbild die konkrete Leiblichkeit des Kaisers als das Abgebildete entnehmen konnten. Wie ebenfalls bereits angedeutet, war die Konstitution dieser Bildebene für die byzantinische Kunst eine Leistung des Bildbetrachters und seiner spirituellen Kraft und Imagination. Das Bild selber wies die Bildebene des Abgebildeten im wesentlichen nur durch den ins Bild eingebrachten Namen aus. Die wortsprachliche Benennung hat noch bis ins Mittelalter hinein die einzige vom Künstler selber intendierte Realität des Abgebildeten ausgemacht. Wenn auch der Großteil der Untertanen nicht lesen und schreiben konnte, so waren ihnen doch Namenskürzel als Bildzeichen vertraut bzw. konnten mit geringer Schwierigkeit vertraut gemacht werden. Die übliche Auffassung, die Malerei sei die Schrift der Analphabeten, muß insofern ergänzt werden, als die Lesbarkeit des Bildes ohne die Namen nicht gewährleistet werden konnte.
Mit Blick auf das gegenwärtige Realismus-Problem ist diese Abhängigkeit der Konstitution des Bildes von der Leistung des Rezipienten außerordentlich bedeutsam, worauf ich noch zurückkommen werde.