Vortrag / Rede Ausstellungseröffnung „Michael Mattern: Das Atelier als Weltzentrum“

Foto: Michael Matttern
Foto: Michael Matttern

Termin
18.06.2023, 11:00 Uhr

Veranstaltungsort
Itzehoe, Deutschland

Veranstalter
Kulturhof Itzehoe

Veranstaltungsort
Kulturhof, Dorfstrasse 4, 25524 Itzehoe

Das Atelier als Weltzentrum

Öffentlichkeit für den Maler Michael Mattern

Es ist schwer vorstellbar, dass irgendein Profi-Künstler oder Wissenschaftler für sein Metier Arbeitsmotive finden könnte, die kein anderer vor ihm gewürdigt hätte. Diese grandiose Leistung ist Michael Mattern tatsächlich gelungen. In 25 Jahren entwickelte er in seinem Itzehoer Atelier, streng konzentriert nur auf seine Arbeit, überraschend den Beweis für die Bildwürdigkeit der unsichtbaren Infrastruktur des Alltäglichen.

Wer hat schon je ein durch Malerei nachhaltig gewordenes Bild seiner Auto- oder Haushaltselektronik, der Funktionsweisen von Prothesen oder medizinischer Diagnostik vor Augen geführt bekommen? Blumengebilde, Portraits oder Landschaften, Kriegsbilder oder Vulkanausbrüche sind geläufige Motive der Bildgebung. Bildornamentik charakterisiert Kleidung und Verpackung. Und selbst Psychodefekte werden durch malerische Übungen völlig selbstverständlich kompensiert.

Aber für unsere alltägliche Orientierung in der Welt ist die Betätigung von Lichtschaltern oder Mobiltelefonen oder die Regulierung von Kochplatten oder Heizungen sehr viel gewichtiger als noch so ansprechende Darstellungen von „Pferden auf einer Wiese vor Greifswald“ und das sei das auch ein Gemälde von Caspar David Friedrich.

Warum haben wir ausgerechnet von den gewichtigsten Vorgängen des alltäglichen Lebens höchstens vage Bilder im Kopf?

Alle Welt beklagt die Überschwemmung mit Propagandalogos, Gebrauchsanweisungen, Fotos von Laufstegprominenz und bedeutungslosen Informationsbruchstücken. Den Arbeiten Matterns gelingt es durch überraschende Umsetzung malerischer Darstellung von Technologien, eine angemessenere Ordnung der Deutungen unserer Lebenspraxis in die Köpfe zu bringen. Ansatzweise versuchten auch Künstler der Moderne wie Legér (Mechanik) oder Tinguely (Bewegung), das ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. Aber dass mathematisch abstraktes Denken, das in technischen Funktionen Gestalt annimmt, uns sinnfällig vor Augen treten kann, leistet die Malerei von Mattern.

Seine Wirkung wird im Zeitalter der künstlichen Intelligenz enorm zunehmen, weil durch die neuesten technologischen Erfindungen auf diesem Gebiet jeder mit der Frage nach dem Verhältnis von Denken und sinnlicher Wahrnehmung, von Formel und Gestalt konfrontiert wird. Mit seiner Arbeit stellt sich Mattern in die europäische Tradition der Künste, deren zentrale Aufgabe darin bestand und besteht, begriffliche Aussagen über die Welt anschaulich werden zu lassen, denn in den Künsten werden Sinnlichkeit und Verstand tatsächlich zu einer Einheit.