Radiobeitrag Westdeutscher Rundfunk, WDR
Kulturelles Wort
Redaktion: Peter Faecke
Kulturelles Wort
Redaktion: Peter Faecke
Anleitung zum Glücklichsein von Bazon Brock
Aus dem Informationsblatt zur Sendung:
„Im Erschrecken am Es von 1960 habe ich geschrieben, ich sei hauptamtlich als Beweger zu bezeichnen, als Gelegenheitsmacher und einer der ersten Dichter ohne Literatur.
Die Betonung liegt also auf den sozialen Handlungsweisen; die Form der gesellschaftlichen Aktion ist gemeint und weniger deren Resultate.
Ich bin selber überrascht, mit welcher Eindeutigkeit und mit welcher Direktheit ich von Anfang an (und ich habe immerhin eine schon zehnjährige ästhetische Praxis) mich auf die Seite der Rezeption geschlagen habe, auf das Moment des Verstehens, Betrachten, Aneignens.
Die vergangenen 50 Jahre waren in der Geschichte der Kunstpraxis bestimmt durch die Veränderungen auf der Seite der Produzierenden.
Vor einiger Zeit begann die Rezeption eine gewisse Rolle für die Produktion von Kunst zu spielen: beim happening wurde der Besucher als Mitmacher notwendig, sollte das Ereignis überhaupt stattfinden – die Kinetik verlangt einen sich bewegenden Betrachter, wenn die ästhetische Sensibilisierung gelingen soll, usw.
Ich bin auf Grund meiner Arbeit überzeugt, daß der größte Teil der Veränderung in der Entwicklung der Kunst in den nächsten 50 Jahren von der Seite der Betrachter oder Besucher oder Rezeption ausgehen wird.
Die ästhetische Praxis wird Vermittlung von Verhaltensweisen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Praxis. Gesellschaftliche und ästhetische Praxis werden sich einander angleichen. Die ästhetische Praxis wird in den materiellen gesellschaftlichen Prozeß zurückgenommen – die gesellschaftliche Praxis stößt in die ästhetische vor. Bereits heute bleibt einem großen Teil der Künstler nur noch (oder schon) die Industrie als Basis der Produktion. Und ein weiterer Teil der Künstler treibt die Entmaterialisierung der Kunst beachtlich voran: sie produzieren nur noch Ideenkunst, oder Anlässe oder Möglichkeiten von etwas, das schon nicht mehr materialisiert zu werden braucht, weil es ohnehin sofort zur Aufhebung gezwungen wäre. Auf diesem Gebiet die weitgehendsten Arbeiten geleistet zu haben, rechne ich mir als höchstes Verdienst an.
Von der Einsicht in diese Entwicklungstendenz werden alle meine Arbeiten bestimmt: sie dienen der Entfaltung der Seite der Rezeption im ästhetischen Prozeß.
So entsteht der Eindruck permanenter Belehrung, den meine Aktionen machen. Diese Aktionen sind samt und sonders schulisch. Daher die Formen der Rezeptionserweiterung, wie sie die Besucherschule, die Bürgerschule, die Konsumentenschule darstellen. Das allerdings sind nicht Schulen, in denen man lernt, was objektiv vorgegeben ist, sondern wie man sich aus den objektiven Zwängen des Vorgegebenen befreit. Ich hoffe auch, durchsetzen zu können, daß an den Kunsthochschulen endlich Klassen für Rezeption ästhetischer Prozesse eingerichtet werden, in welchen man als Betrachter und Teilnehmer genauso ausführliche Unterweisung erhält, wie sie den Kunstproduzenten immer schon gewährt wird.“