Ausstellungskatalog Räume und Environments

Opladen? ist das der Ort des Verlages?

Erschienen
1968

Herausgeber
Städtisches Museum Leverkusen

Verlag
Westdeutscher Verlag

Erscheinungsort
Leverkusen, Deutschland

das ganze oder alles – zu ferdinand spindel

die tendenz vieler aussagen zu spindels arbeiten geht dahin, den merkwürdigen eindruck von ganzheit zu bezeichnen, den diese arbeiten vermitteln. das ist zunächst sehr vag; jedoch: wir haben uns damit abgefunden, bilder heute nur noch als hinweis auf bilder zu sehen, darauf, daß es sie einmal gegeben hat. in jeder dieser manifestationen der ästhetischen praxis zeigt sich für uns der hinweis auf ihre unmöglichkeit, dem eigenen verstehen nach und dem eigenen anspruch nach noch ernst genommen zu werden. nur mit leichtem mundverziehen lassen sie sich noch rechtfertigen - vor allem aus historischen und pragmatischen interessensgründen. jedenfalls sind wir froh, möglichst schnell uns verdrücken zu können, weil wir vermeiden wollen, vielleicht vor anderen gründe nennen zu müssen, die uns diese anderen zu falschen freunden machen könnten, die lauthals beifall rufen, wo wir keinen grund zu triumph sehen, sondern die melancholie übers vergangene. man kennt diese misere der kenner von heute. gut. aber an arbeiten wie denen von spindel hebt sich diese misere auf, die künstlichkeit und gewolltheit der verkrampften reaktionen wird ersetzt durch einsicht, durch spontanes erscheinen der idee der sache an deren oberfläche. und die guten alten einfachworte des kunsthandwerks scheinen wieder brauchbar (wie sie etwa einem schmela immer brauchbar geblieben sind): dat is ne jute sach. und deshalb braucht man darüber nicht lange zu reden. daß man eben das spürt, ist das moment der erleichterung angesichts der spindelarbeiten: hier hat einer wissen können und gewußt, was er tat; wie das zu begründen ist; in welchen proportionen zu den leistungsmöglichkeiten der ästhetischen praxis insgesamt das steht. eben darum geht es auch, daß spindel nicht einfältig wurschtelt und uns zufällig aufatmen macht. er reflektiert in seinen arbeiten das niveau der ästhetischen praxis von heute, und das heißt vor allem das der realisationsformen und der materialien.
daß kunststoff allein als material noch nicht solche arbeiten zu richtigen macht, beweisen die unternehmungen von künstlern anläßlich der kunststoffmesse düsseldorf im vorigen jahr. dort wurden in kunststoff bildideen übersetzt, die vorher viel richtiger schon in holz oder aluminium oder glas ausgearbeitet worden waren. das material blieb der sache äußerlich, ein bloßes vehikel zum ausweis der modernität: man habe kunststoff verwendet. die realisationsformen entsprechen nicht dem material - erst recht gehen sie nicht aus ihm hervor.
immer doch hat das als die höchste marke der qualität angesehen werden können, was realisationsformen aus der materialität der arbeit hervorbrachte, was das sinnliche scheinen der idee zugleich als die sache selber hervorbrachte. der eindruck eben, nicht mehr dahinterstehen zu müssen, schon etwas ganzes vor sich zu haben und alles das, was dieses ganze zu seiner begründung anführen kann.
wie gesagt, ein zunächst vager eindruck, aber ein hinweis, dem wollen wir demnächst mal weit nachgehen.
übrigens: die konkreten formen des ganzen und der versammlungsort von "allem" sind so doch wohl die arbeiten spindels, die rundumbild sind, environment und höhle mit leben drin. sie sollten sich die leverkusener ansehen oder bei spindel gleich selber eine bestellen, damit wir uns demnächst sofort recht verständigen können.

siehe auch: