Eine Essenz

Jetzt wird es komplex. >Das Zunehmen des Nichtwissens infolge von Wissen ist der Fortschritt aller Wissenschaften und Künste. Die Krone der Meisterschaft darf sich aufsetzen, wer wagt, sich auf das Nichtwissen einzulassen, statt sein Wissen zu nutzen, um Macht zu gewinnen. Und die Gesellschaft kann in diesem Sinne dann vom Künstler die Anerkennung des Nichtwissens erlernen? Ja, denn das ist das Demokratieprinzip. Wenn Demokratie eine Grundvoraussetzung hat, nämlich die Anerkennung der Gleichheit aller Menschen, dann ist Gleichheit nie die Gleichheit des Vermögens, der Genetik, der Herkunft, des Talents und so weiter, sondern Gleichheit gibt es nur angesichts der ungeheuerlichen Form des Nichtkönnens und des Nichtwissens. In dem Eingeständnis, was wir alle, selbst als Höchstgelehrte, gerade in der Einsicht als Höchstgelehrte, alles nicht können und nicht wissen, sind wir Demokraten. Wir brauchen also bei der Lösung globaler ökologischer und ökonomischer Probleme keine Allmachtsfantasien, sondern eine Sozietät, eine neue Gemeinschaft der Welt, die jenseits von Sprachgemeinschaften, Religionen oder kulturellen Identitäten von denen getragen wird, die wissen, dass sie die unlösbaren Probleme nicht lösen, aber nur gemeinsam mit ihnen umgehen können.
Quelle

"Ich bringe Menschen zum Parallelswingen" – Abschnitt in:

Zeitung

taz. die tageszeitung

Zeitung · Erschienen: 11.02.2012

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